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Sammlungen
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und Paris stellen diese Bildchen dar, in der anspruchslosen
und bekannten Art, in der heute Aquarelle in der Schule
eines beliebigen besseren Künstlers gemalt werden. Von
einem besonderen Interesse an dem Künstler kann vorerst
noch nicht gesprochen werden.
Exposition de l'Athen^e. Die periodischen Aus-
stellungen der Athenee vereinigen von Zeit zu Zeit das
Beste, was an neugeschaffenen Werken hier aufzutreiben
ist. Daß sich die Namen fast gleichbleiben und nur selten
eine ganz neue Erscheinung das Recht der Aufmerksamkeit
beanspruchen darf, ist auch in viel größeren Städten als
Genf selbstverständlich. Wünschenswert wäre es deshalb,
daß die Leitung das Bestreben, die zwei kleinen Säle, die
zur Verfügung stehen, vollzustopfen, aufgäbe und einsähe,
daß in Kunstfragen weniger oft mehr ist. So muß man
sich das Seinige aus einem unerfreulichen Wust heraus-
suchen. Edouard Valette erscheint wieder mit einigen
Bauernporträts, die im besten Sinne des Wortes tüchtig
zu nennen sind. Große, sichere Linien, atmosphärische
Reinheit der Farbe und die Stimmung in sich ruhender,
schlichter Feierlichkeit sind die Kennzeichen dieser Werke.
Emile Breßler bestätigt immer wieder die großen Hoff-
nungen, die man mit Recht auf ihn hier setzt. Die Bilder
>Les deux amies« und »Paysanne« geben denjenigen, die
wir kürzlich im Bericht über die Exposition des Peintres
Suisses zu loben Gelegenheit hatten, nichts nach. Die Art
seiner Komposition ist fast ganz frei von jedem geome-
trisch konstruierbaren Schema und dennoch von gewaltig
wirkender Einfalt, die die Flächengröße zu verzehnfachen
scheint. Seine Farben erreichen, trotz der unbarmherzigen
kunstvollen Groteske einer wohldurchdachten Dissonanz,
die Zartheit, Gedämpftheit leisester Töne. Ein Karmoisin-
rot verträgt sich neben dunklen, grünbraunen Flächen auf
hellgrauem Grunde. Die Dissonanz seiner grotesken Farben-
gebung ist trotz aller stählernen Kraft, Fähigkeit so zart,
daß sie sich selbst, ihre eigene groteske Wirkung aufhebt.
Gustav Barrauds Pastell »La desheritee« ist bedeutend
selbständiger, unabhängiger von Maurice als alles, was
man bisher von ihm sehen konnte. Der ausgesprochen
dichterische, fast illustrative Stoff tut der Bildwirkung keinen
Abbruch. Maurice Barrauds Pastelle, die wir ebenfalls
letzthin behandelt haben, verändern sich begreiflicherweise
nicht so schnell. Der junge Künstler hat sich hierin eine
reiche und vieltönige, ausgreifende und kühn biegsame
Klaviatur seiner Wirkungen erworben, es ist nur allzu be-
greiflich, daß er nun sein Instrument eine Weile tönen
läßt, eh er daran wieder weiterbaut. So ist besonders
»Les Fleurs«, ein Frauenakt in goldgelbem Schimmer, von
weinroten Blütenmassen umhüllt, so ein Austönenlassen
dieser ebenso jugendlichen wie reifen Meisterschaft. Eine
hellgrüne Wiesenecke, ein taubengrauer Grund und die
schmale Idee eines dunkelblauen Strumpfstreifens, alles in
der sammetenen Wärme des Pastells hingelegt, zeigt uns
Barraud als einen Krösus des Farbengenusses, der stoff-
befreiten Augenwollust. Sein Frauenkopf aber scheint
bereits auf Künftiges zu weisen. Das Farbenglühn ist
darin quantitativ abgemindert und die Formen, der tief-
purpurne Mund, die Farbenschatten der Nase streben nach
Plastik, nach Abstraktion, doch wollen sie nichts opfern
von ihrer Wärme. Ob man gewinnen kann ohne weg-
zuwerfen? Friedrich Hebbel verneint die Frage. Das ist
kein Grund, Barraud in seinem Suchen mit Unkenruf zu
stören. Durand erreicht in einem Aquarell (Paysage d'hiver)
und in einem Blumenbild in Öl eine Helligkeit und luftige
Durchsichtigkeit der Farbe, auch einen Reiz des Sympho-
nischen, das an ihm neu anmutet. Buchets sehr elegante, ins
Französische übertragene Simplizissimus-Frauen sind nicht
ohne prickelnden Reiz. Trotz mancher Roheit gelingt ihm
ein Dunkelblau schwarzer Haare, das seine Kühnheit
rechtfertigt. Nur die Linie ist noch lange nicht sieghaft.
Ihre Einfachheit ist noch die der Karikatur, nicht die der
überlegenen satyrischen Vereinfachung etwa Gulbranssons.
Hornungs «Badende Frauen« ist überraschend Münchnerisch
— im schlechten Sinne des Wortes. Etwa Erler — in
minderer Ausführung, doch nicht ohne stellenweise Besseres
für die Zukunft zu verheißen.
Die Pariser Kunstgewerbeausstellung. Die beab-
sichtigte und viel besprochene internationale Pariser Kunst-
gewerbeausstellung wird von dem Senator Couyba in einem
amtlichen Berichte an den Senat behandelt. In Parenthese
sei bemerkt, daß Herr Couyba den Freunden des ehe-
maligen Montmartre wohlbekannt ist. Er war dereinst
gefeierter Liederdichter und Mitarbeiter des Chansonniers
Marcel Legay und hat unter dem Pseudonym Maurice Bou-
kay einige Bände Lieder veröffentlicht. Jetzt ist er schon
lange Politiker und war auch schon ein- oder zweimal
Minister, was er gerade so gut gemacht hat wie alle an-
deren Parlamentarier. Aus seinem Berichte erfahren wir,
daß alle Welt einig ist über das Prinzip der kunstgewerb-
lichen Ausstellung, daß aber in den Einzelheiten große
Meinungsverschiedenheiten bestehen. Zunächst was das
Datum anlangt: die einen sind für 1916, die anderen
halten diese Frist für zu kurz und schlagen 1920 vor. Dann
der Ort: in Paris selbst ist kein Platz, und nun schwankt
man einstweilen zwischen dem Schlößchen und dem Parke
von Bagatelle im Bois de Boulogne, der Insel, die sich
zwischen dem Bois de Boulogne und Puteaux in der Seine
hinzieht, und endlich dem Gebiet, das nach Niederlegung
der Befestigungen zwischen der Porte du Bois de Boulogne
und der Porte d'Auteuil zur Verfügung stehen wird. Wie
man schon aus diesem letzten Projekte ersieht, das ein
noch gar nicht existierendes Terrain in Vorschlag bringt,
hat es noch gute Wege mit dieser Ausstellung. Endlich
streiten sich die Interessenten auch noch darum, was
eigentlich ausgestellt werden soll. Die einen möchten
nur moderne Arbeiten zulassen, die anderen sind für das
sogenannte Meuble de Style begeistert und wollen den
Kopien und Nachahmungen der alten Möbelstile einen
breiten Raum gewähren. In Wahrheit fürchten sich die
französischen Kunsthandwerker etwas vor dieser Aus-
stellung, die der Welt zeigen könnte, daß Frankreich auf
diesem Gebiete ins Hintertreffen geraten ist, und wenn
daher die kunstgewerbliche Weltausstellung überhaupt
nach Paris kommt, so wird das sicherlich nicht in den
nächsten vier oder fünf Jahren geschehen.
SAMMLUNGEN
München. Alte Pinakothek. Ende der vorletzten
Maiwoche wurde der Venetianersaal, nachdem er fast fünf
Monate geschlossen gewesen, der Öffentlichkeit wieder zu-
gänglich gemacht. Für die neue Bespannung hat man
einen feineren Rupfen gewählt, den man schablonierte und
auf ein stark ins Grau gehendes Grün stimmte. So ent-
stand ein neutraler, nicht allzu heller Grund, auf dem die
Mehrzahl der Bilder gut zur Geltung kommt und der jeden-
falls im Vergleich zu dem früheren giftig hellgrünen An-
strich eine große Verbesserung bedeutet. Die Hängung
ist mit Ausnahme einiger Bilder, die die Plätze getauscht
haben, ziemlich gleich geblieben und der Gesamteindruck
des Saales zweifellos gut. Gleichwohl würde sich gerade
hier noch eine Vervollkommnung haben erzielen lassen,
wenn man wieder auf die allererste Hängung Tschudis,
auf deren Vorzüge ich schon einmal hingewiesen habe,
zurückgegriffen und die Hauptwerke Tizians an der best-
beleuchteten, der Nordwand vereinigt hätte. So hätte man zu
Seiten derDornenkrönung links dasMännerbildnis(Nr.llll),
Sammlungen
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und Paris stellen diese Bildchen dar, in der anspruchslosen
und bekannten Art, in der heute Aquarelle in der Schule
eines beliebigen besseren Künstlers gemalt werden. Von
einem besonderen Interesse an dem Künstler kann vorerst
noch nicht gesprochen werden.
Exposition de l'Athen^e. Die periodischen Aus-
stellungen der Athenee vereinigen von Zeit zu Zeit das
Beste, was an neugeschaffenen Werken hier aufzutreiben
ist. Daß sich die Namen fast gleichbleiben und nur selten
eine ganz neue Erscheinung das Recht der Aufmerksamkeit
beanspruchen darf, ist auch in viel größeren Städten als
Genf selbstverständlich. Wünschenswert wäre es deshalb,
daß die Leitung das Bestreben, die zwei kleinen Säle, die
zur Verfügung stehen, vollzustopfen, aufgäbe und einsähe,
daß in Kunstfragen weniger oft mehr ist. So muß man
sich das Seinige aus einem unerfreulichen Wust heraus-
suchen. Edouard Valette erscheint wieder mit einigen
Bauernporträts, die im besten Sinne des Wortes tüchtig
zu nennen sind. Große, sichere Linien, atmosphärische
Reinheit der Farbe und die Stimmung in sich ruhender,
schlichter Feierlichkeit sind die Kennzeichen dieser Werke.
Emile Breßler bestätigt immer wieder die großen Hoff-
nungen, die man mit Recht auf ihn hier setzt. Die Bilder
>Les deux amies« und »Paysanne« geben denjenigen, die
wir kürzlich im Bericht über die Exposition des Peintres
Suisses zu loben Gelegenheit hatten, nichts nach. Die Art
seiner Komposition ist fast ganz frei von jedem geome-
trisch konstruierbaren Schema und dennoch von gewaltig
wirkender Einfalt, die die Flächengröße zu verzehnfachen
scheint. Seine Farben erreichen, trotz der unbarmherzigen
kunstvollen Groteske einer wohldurchdachten Dissonanz,
die Zartheit, Gedämpftheit leisester Töne. Ein Karmoisin-
rot verträgt sich neben dunklen, grünbraunen Flächen auf
hellgrauem Grunde. Die Dissonanz seiner grotesken Farben-
gebung ist trotz aller stählernen Kraft, Fähigkeit so zart,
daß sie sich selbst, ihre eigene groteske Wirkung aufhebt.
Gustav Barrauds Pastell »La desheritee« ist bedeutend
selbständiger, unabhängiger von Maurice als alles, was
man bisher von ihm sehen konnte. Der ausgesprochen
dichterische, fast illustrative Stoff tut der Bildwirkung keinen
Abbruch. Maurice Barrauds Pastelle, die wir ebenfalls
letzthin behandelt haben, verändern sich begreiflicherweise
nicht so schnell. Der junge Künstler hat sich hierin eine
reiche und vieltönige, ausgreifende und kühn biegsame
Klaviatur seiner Wirkungen erworben, es ist nur allzu be-
greiflich, daß er nun sein Instrument eine Weile tönen
läßt, eh er daran wieder weiterbaut. So ist besonders
»Les Fleurs«, ein Frauenakt in goldgelbem Schimmer, von
weinroten Blütenmassen umhüllt, so ein Austönenlassen
dieser ebenso jugendlichen wie reifen Meisterschaft. Eine
hellgrüne Wiesenecke, ein taubengrauer Grund und die
schmale Idee eines dunkelblauen Strumpfstreifens, alles in
der sammetenen Wärme des Pastells hingelegt, zeigt uns
Barraud als einen Krösus des Farbengenusses, der stoff-
befreiten Augenwollust. Sein Frauenkopf aber scheint
bereits auf Künftiges zu weisen. Das Farbenglühn ist
darin quantitativ abgemindert und die Formen, der tief-
purpurne Mund, die Farbenschatten der Nase streben nach
Plastik, nach Abstraktion, doch wollen sie nichts opfern
von ihrer Wärme. Ob man gewinnen kann ohne weg-
zuwerfen? Friedrich Hebbel verneint die Frage. Das ist
kein Grund, Barraud in seinem Suchen mit Unkenruf zu
stören. Durand erreicht in einem Aquarell (Paysage d'hiver)
und in einem Blumenbild in Öl eine Helligkeit und luftige
Durchsichtigkeit der Farbe, auch einen Reiz des Sympho-
nischen, das an ihm neu anmutet. Buchets sehr elegante, ins
Französische übertragene Simplizissimus-Frauen sind nicht
ohne prickelnden Reiz. Trotz mancher Roheit gelingt ihm
ein Dunkelblau schwarzer Haare, das seine Kühnheit
rechtfertigt. Nur die Linie ist noch lange nicht sieghaft.
Ihre Einfachheit ist noch die der Karikatur, nicht die der
überlegenen satyrischen Vereinfachung etwa Gulbranssons.
Hornungs «Badende Frauen« ist überraschend Münchnerisch
— im schlechten Sinne des Wortes. Etwa Erler — in
minderer Ausführung, doch nicht ohne stellenweise Besseres
für die Zukunft zu verheißen.
Die Pariser Kunstgewerbeausstellung. Die beab-
sichtigte und viel besprochene internationale Pariser Kunst-
gewerbeausstellung wird von dem Senator Couyba in einem
amtlichen Berichte an den Senat behandelt. In Parenthese
sei bemerkt, daß Herr Couyba den Freunden des ehe-
maligen Montmartre wohlbekannt ist. Er war dereinst
gefeierter Liederdichter und Mitarbeiter des Chansonniers
Marcel Legay und hat unter dem Pseudonym Maurice Bou-
kay einige Bände Lieder veröffentlicht. Jetzt ist er schon
lange Politiker und war auch schon ein- oder zweimal
Minister, was er gerade so gut gemacht hat wie alle an-
deren Parlamentarier. Aus seinem Berichte erfahren wir,
daß alle Welt einig ist über das Prinzip der kunstgewerb-
lichen Ausstellung, daß aber in den Einzelheiten große
Meinungsverschiedenheiten bestehen. Zunächst was das
Datum anlangt: die einen sind für 1916, die anderen
halten diese Frist für zu kurz und schlagen 1920 vor. Dann
der Ort: in Paris selbst ist kein Platz, und nun schwankt
man einstweilen zwischen dem Schlößchen und dem Parke
von Bagatelle im Bois de Boulogne, der Insel, die sich
zwischen dem Bois de Boulogne und Puteaux in der Seine
hinzieht, und endlich dem Gebiet, das nach Niederlegung
der Befestigungen zwischen der Porte du Bois de Boulogne
und der Porte d'Auteuil zur Verfügung stehen wird. Wie
man schon aus diesem letzten Projekte ersieht, das ein
noch gar nicht existierendes Terrain in Vorschlag bringt,
hat es noch gute Wege mit dieser Ausstellung. Endlich
streiten sich die Interessenten auch noch darum, was
eigentlich ausgestellt werden soll. Die einen möchten
nur moderne Arbeiten zulassen, die anderen sind für das
sogenannte Meuble de Style begeistert und wollen den
Kopien und Nachahmungen der alten Möbelstile einen
breiten Raum gewähren. In Wahrheit fürchten sich die
französischen Kunsthandwerker etwas vor dieser Aus-
stellung, die der Welt zeigen könnte, daß Frankreich auf
diesem Gebiete ins Hintertreffen geraten ist, und wenn
daher die kunstgewerbliche Weltausstellung überhaupt
nach Paris kommt, so wird das sicherlich nicht in den
nächsten vier oder fünf Jahren geschehen.
SAMMLUNGEN
München. Alte Pinakothek. Ende der vorletzten
Maiwoche wurde der Venetianersaal, nachdem er fast fünf
Monate geschlossen gewesen, der Öffentlichkeit wieder zu-
gänglich gemacht. Für die neue Bespannung hat man
einen feineren Rupfen gewählt, den man schablonierte und
auf ein stark ins Grau gehendes Grün stimmte. So ent-
stand ein neutraler, nicht allzu heller Grund, auf dem die
Mehrzahl der Bilder gut zur Geltung kommt und der jeden-
falls im Vergleich zu dem früheren giftig hellgrünen An-
strich eine große Verbesserung bedeutet. Die Hängung
ist mit Ausnahme einiger Bilder, die die Plätze getauscht
haben, ziemlich gleich geblieben und der Gesamteindruck
des Saales zweifellos gut. Gleichwohl würde sich gerade
hier noch eine Vervollkommnung haben erzielen lassen,
wenn man wieder auf die allererste Hängung Tschudis,
auf deren Vorzüge ich schon einmal hingewiesen habe,
zurückgegriffen und die Hauptwerke Tizians an der best-
beleuchteten, der Nordwand vereinigt hätte. So hätte man zu
Seiten derDornenkrönung links dasMännerbildnis(Nr.llll),