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Literatur
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Fremden überredet, ging er nach Sevilla in der Erntezeit
und führte soviele einträgliche Arbeiten aus, daß er dabei
reich wurde. Als er sah, daß er genug verdient hatte, kehrte
er zu seiner ernsten, feierlichen (solene) Malerei zurück, die
er seine ihm angeborene nannte mit den Worten: »Lieber
will ich im Elend leben als solch rohe, flache Dinge
schaffen«, (»antes quero viver misero, que rudo«.) Der
Künstlerstolz Grecos scheint sehr bekannt gewesen zu sein.
Auch Jusepe Martinez berichtet uns, daß Greco bei seiner
Ankunft in Toledo jedermann deutlich zu verstehen gab,
daß seine Kunst in der ganzen Welt nicht ihresgleichen hätte.
Was aber die Erzählung von der Reise nach Sevilla
anlangt, so scheint das eine der vielen Künstleranekdoten
zu sein. Daß Greco für Sevillaner Kunstfreunde gearbeitet
hat, ist uns schon seit einiger Zeit aus Dokumenten bekannt.
Eine Reise des Künstlers selbst aber nach der andalusischen
Hauptstadt wird durch keine Tatsache, kein Dokument be-
legt. Daß Grecos Kunst etwas Besonderes, durchaus
Distinguiertes, in keiner Weise für die große Masse bestimmt
war, scheint man stets und überall gefühlt zu haben. Be-
sonders charakteristisch für die Auffassung von Grecos
Persönlichkeit dünkt uns schließlich noch der Umstand,
daß Melo den Maler nicht auf die Größe seiner Kunst
stolz sein läßt, sondern »soberbo da grandeza de seu es-
pirito«. Man war sich offenbar schon im 17. Jahrhundert
ganz klar darüber, daß Grecos Kunst letzten Endes als
eine Verstandeskunst aufzufassen ist, daß bei ihm das
Gehirn, der Verstand nur allzu stark den Pinsel regiert hat.
A. L. Mayer.
Paul Seidel, Friedrich der Große und die bildende Kunst.
Mit 30 Radierungen und 132 Zeichnungen von Peter
Halm. Berlin und Leipzig 1912. Giesecke & Devrient.
Großfolio in Prachtband.
Die prunkvolle Ausstattung dieses Monumentalwerkes
wird gerechtfertigt durch die feierliche Gelegenheit, zu der
es erschien: Autor, Illustrator und Verleger haben Kaiser
Wilhelm II. eine Huldigung zum zweihundertsten Geburts-
tage Friedrichs des Großen dargebracht. Sie schufen da-
mit ein würdiges Gegenstück zu ihrem um die Wende des
Jahrhunderts erschienenen Prachtwerk über die »Franzö-
sischen Kunstwerke des 18. Jahrhunderts im Besitz des
Deutschen Kaisers« und gewiß würden sie ihr Verdienst
noch steigern, wenn sie sich nun entschlössen, von diesem
Friedrichswerke ebenso eine editio minor zu veranstalten,
wie sie es vor dreizehn Jahren mit der Kunstsammlung des
Großen Königs auf der Pariser Weltausstellung getan haben.
Denn das in kleiner Auflage gedruckte und kostspielige
Prachtwerk ist ja in dieser Form gar nicht bestimmt, die
Verbreitung zu erleben, die es dem Geschmack und der
Gediegenheit nach, von der es auf jedem Blatt durch-
waltet ist, verdient.
Den vortrefflich scharfen und klaren Druck des Textes
wie der Radierungen, die übersichtliche Anordnung der
Illustrationen, das nicht spieo"jinde und doch auch nicht
schmutzigtrübe Papier, endlich den von E. Doepler d. J.
entworfenen Einband: blau mit Silberdruck und Orange-
schnitt -- eine preußisch-militärische Farbensymbolik —
rechnen wir den opferfreudigen Verlegern mit besonderem
Dank an, und wenn ihr Lob hier an erster Stelle erklingt,
so soll damit keine Rangordnung etwa aufgestellt sein,
sondern nur ausdrücklich auf Qualitäten der Leistung hin-
gewiesen sein, wie sie trotz allgemeiner Höhung des Ni-
veaus immer noch zu den Seltenheiten gehören.
In den Kunstbeilagen verfolgt man mit Entzücken die
leichte und sichere Hand, mit der Peter Halm die Radier-
nadel und die spitze Zeichenfeder zu führen versteht. Mit
einem unglaublichen Reichtum an Mitteln weiß er den
farbigen Effekt herauszubringen, die koloristischen Werte
auf seiner Kupferplatte zu nuancieren und die Verschieden-
heiten des Materials — Seidenroben, Laubwände, Kristall-
leuchter, Wandtäfelungen, kapriziös gerahmte Trumeaus —
anzudeuten, ohne dabei irgendwie von der Solidität der
reinen Radiertechnik abzuweichen. So hoch wir aber auch
den Meister in der Reproduktion von Kunstwerken wie
Gemälden und Statuen schätzen, sein Bestes scheint er
uns im Landschaftlichen (vgl. das Blatt mit Rheinsberg
am spiegelnden See) und namentlich im Interieur und im
Kunstgewerblichen zu geben. Radierungen wie z. B. die
Schmalwand des großen Tanzsaales im Charlottenburger
Schloß oder die Innenansicht der Bildergalerie bei Sans-
souci sind außerordentlich reizvolle Kunstwerke und recht
geeignet zu zeigen, wie weit die tötliche »Genauigkeit«
einer Photographie hinter der geistvollen Interpretation
eines Künstlers zurücksteht.
Für den wissenschaftlichen Bearbeiter Prof. Dr. Paul
Seidel bot sich hier die Veranlassung, >seine langjährigen
Vorarbeiten für die Schilderung des Verhältnisses des
Großen Königs zu den bildenden Künsten zu einem ge-
wissen Abschluß zu bringen«. Den älteren Lesern des
Jahrbuchs der Kgl. Preuß. Kunstsammlungen und des von
Seidel selbst in ausgezeichneter Weise redigierten »Hohen-
zollern-jahrbuches«, von dem nun schon 15 stattliche Bände
vorliegen, ist der Umfang und die Gründlichkeit dieser
Vorarbeiten zum Teil bekannt. Wer sich je mit diesem
vielleicht interessantesten und jedenfalls reichhaltigsten Ab-
schnitt unserer einheimischen Kunstgeschichte befaßt hat,
weiß, wie unglaublich schwierig das vielfach noch in den
kgl. Schlössern schwer oder gar nicht zugängliche
Material kennen zu lernen und zu beherrschen ist. Viel
hat uns Seidel selbst zugänglich gemacht in den von Jahr
zu Jahr reicher ausgebauten Sammlungen des ihm unter-
stellten Hohenzollernmuseums; als Dirigent der Kunst-
sammlungen in den Kgl. Schlössern ist ihm wie keinem
anderen vertraut, was die Kunstliebe der Hohenzollern
im Laufe der Jahrhunderte an Schätzen zusammengetragen
hat. Und diese unbestrittene Materialkenntnis, unterstützt
durch ausgedehnte Archivstudien, befähigten ihn wie Keinen,
uns zum erstenmal ein rundes Bild des Großen Königs
als Förderer der Künste zu geben. Gerade in dieser Zu-
sammenstellung wirkt neben dem Neuen auch das schon
Bekannte, als träte es jetzt erst in die rechte Beleuchtung.
Wir sehen, wie Friedrich sich langsam die Welt seiner
ästhetischen Ideale aufbaut, lernen den Wert seiner Jugend-
eindrücke für ihn abschätzen, wie auch hier der kultivierte
Geschmack der Mutter für ihn maßgebend wird, wie er
von ihr die Vorliebe für das Porzellan, für die Tabatieren,
für den ganzen modischen Rokokozierat übernimmt. Es
folgt dann die Schilderung Friedrichs als Bauherrn, die
knapp und präzis die architektonischen Schöpfungen des
Königs begreift, insonderheit die Bauten in und um Sans-
souci, um sich schließlich in einem höchst interessanten
Kapitel den städtebaulichen Bemühungen Friedrichs zuzu-
wenden. Belebt wird die Darstellung von Künstlercharak-
teristiken, unter denen die Knobeisdorffs und Pesnes
besonders liebevoll ausgearbeitet wurden; daneben lernt
man die Kunstberater des Königs, d'Argens und Alga-
rotti, kennen. Wenn das Hofbildhaueratelier des Königs
schon durch Seidels inhaltreiche Aufsätze bei Gelegenheit
der Rokokoausstellung, die 1892 die kunstgeschichtliche
Gesellschaft veranstaltete, näher bekannt geworden ist,
so wird vielen neu sein, was der Verfasser von den
dekorativen Künstlern, dem ausgezeichneten Nahl und den
etwas derberen Hoppenhaupt, Ebenhecht und Merck zu
berichten weiß. Dem Abschnitt über die Hofmaler folgen
Bemerkungen über die Fabrikation der Wandteppiche, die
Friedrich in Versen (an den Grafen Gotter) zwar begeistert
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Fremden überredet, ging er nach Sevilla in der Erntezeit
und führte soviele einträgliche Arbeiten aus, daß er dabei
reich wurde. Als er sah, daß er genug verdient hatte, kehrte
er zu seiner ernsten, feierlichen (solene) Malerei zurück, die
er seine ihm angeborene nannte mit den Worten: »Lieber
will ich im Elend leben als solch rohe, flache Dinge
schaffen«, (»antes quero viver misero, que rudo«.) Der
Künstlerstolz Grecos scheint sehr bekannt gewesen zu sein.
Auch Jusepe Martinez berichtet uns, daß Greco bei seiner
Ankunft in Toledo jedermann deutlich zu verstehen gab,
daß seine Kunst in der ganzen Welt nicht ihresgleichen hätte.
Was aber die Erzählung von der Reise nach Sevilla
anlangt, so scheint das eine der vielen Künstleranekdoten
zu sein. Daß Greco für Sevillaner Kunstfreunde gearbeitet
hat, ist uns schon seit einiger Zeit aus Dokumenten bekannt.
Eine Reise des Künstlers selbst aber nach der andalusischen
Hauptstadt wird durch keine Tatsache, kein Dokument be-
legt. Daß Grecos Kunst etwas Besonderes, durchaus
Distinguiertes, in keiner Weise für die große Masse bestimmt
war, scheint man stets und überall gefühlt zu haben. Be-
sonders charakteristisch für die Auffassung von Grecos
Persönlichkeit dünkt uns schließlich noch der Umstand,
daß Melo den Maler nicht auf die Größe seiner Kunst
stolz sein läßt, sondern »soberbo da grandeza de seu es-
pirito«. Man war sich offenbar schon im 17. Jahrhundert
ganz klar darüber, daß Grecos Kunst letzten Endes als
eine Verstandeskunst aufzufassen ist, daß bei ihm das
Gehirn, der Verstand nur allzu stark den Pinsel regiert hat.
A. L. Mayer.
Paul Seidel, Friedrich der Große und die bildende Kunst.
Mit 30 Radierungen und 132 Zeichnungen von Peter
Halm. Berlin und Leipzig 1912. Giesecke & Devrient.
Großfolio in Prachtband.
Die prunkvolle Ausstattung dieses Monumentalwerkes
wird gerechtfertigt durch die feierliche Gelegenheit, zu der
es erschien: Autor, Illustrator und Verleger haben Kaiser
Wilhelm II. eine Huldigung zum zweihundertsten Geburts-
tage Friedrichs des Großen dargebracht. Sie schufen da-
mit ein würdiges Gegenstück zu ihrem um die Wende des
Jahrhunderts erschienenen Prachtwerk über die »Franzö-
sischen Kunstwerke des 18. Jahrhunderts im Besitz des
Deutschen Kaisers« und gewiß würden sie ihr Verdienst
noch steigern, wenn sie sich nun entschlössen, von diesem
Friedrichswerke ebenso eine editio minor zu veranstalten,
wie sie es vor dreizehn Jahren mit der Kunstsammlung des
Großen Königs auf der Pariser Weltausstellung getan haben.
Denn das in kleiner Auflage gedruckte und kostspielige
Prachtwerk ist ja in dieser Form gar nicht bestimmt, die
Verbreitung zu erleben, die es dem Geschmack und der
Gediegenheit nach, von der es auf jedem Blatt durch-
waltet ist, verdient.
Den vortrefflich scharfen und klaren Druck des Textes
wie der Radierungen, die übersichtliche Anordnung der
Illustrationen, das nicht spieo"jinde und doch auch nicht
schmutzigtrübe Papier, endlich den von E. Doepler d. J.
entworfenen Einband: blau mit Silberdruck und Orange-
schnitt -- eine preußisch-militärische Farbensymbolik —
rechnen wir den opferfreudigen Verlegern mit besonderem
Dank an, und wenn ihr Lob hier an erster Stelle erklingt,
so soll damit keine Rangordnung etwa aufgestellt sein,
sondern nur ausdrücklich auf Qualitäten der Leistung hin-
gewiesen sein, wie sie trotz allgemeiner Höhung des Ni-
veaus immer noch zu den Seltenheiten gehören.
In den Kunstbeilagen verfolgt man mit Entzücken die
leichte und sichere Hand, mit der Peter Halm die Radier-
nadel und die spitze Zeichenfeder zu führen versteht. Mit
einem unglaublichen Reichtum an Mitteln weiß er den
farbigen Effekt herauszubringen, die koloristischen Werte
auf seiner Kupferplatte zu nuancieren und die Verschieden-
heiten des Materials — Seidenroben, Laubwände, Kristall-
leuchter, Wandtäfelungen, kapriziös gerahmte Trumeaus —
anzudeuten, ohne dabei irgendwie von der Solidität der
reinen Radiertechnik abzuweichen. So hoch wir aber auch
den Meister in der Reproduktion von Kunstwerken wie
Gemälden und Statuen schätzen, sein Bestes scheint er
uns im Landschaftlichen (vgl. das Blatt mit Rheinsberg
am spiegelnden See) und namentlich im Interieur und im
Kunstgewerblichen zu geben. Radierungen wie z. B. die
Schmalwand des großen Tanzsaales im Charlottenburger
Schloß oder die Innenansicht der Bildergalerie bei Sans-
souci sind außerordentlich reizvolle Kunstwerke und recht
geeignet zu zeigen, wie weit die tötliche »Genauigkeit«
einer Photographie hinter der geistvollen Interpretation
eines Künstlers zurücksteht.
Für den wissenschaftlichen Bearbeiter Prof. Dr. Paul
Seidel bot sich hier die Veranlassung, >seine langjährigen
Vorarbeiten für die Schilderung des Verhältnisses des
Großen Königs zu den bildenden Künsten zu einem ge-
wissen Abschluß zu bringen«. Den älteren Lesern des
Jahrbuchs der Kgl. Preuß. Kunstsammlungen und des von
Seidel selbst in ausgezeichneter Weise redigierten »Hohen-
zollern-jahrbuches«, von dem nun schon 15 stattliche Bände
vorliegen, ist der Umfang und die Gründlichkeit dieser
Vorarbeiten zum Teil bekannt. Wer sich je mit diesem
vielleicht interessantesten und jedenfalls reichhaltigsten Ab-
schnitt unserer einheimischen Kunstgeschichte befaßt hat,
weiß, wie unglaublich schwierig das vielfach noch in den
kgl. Schlössern schwer oder gar nicht zugängliche
Material kennen zu lernen und zu beherrschen ist. Viel
hat uns Seidel selbst zugänglich gemacht in den von Jahr
zu Jahr reicher ausgebauten Sammlungen des ihm unter-
stellten Hohenzollernmuseums; als Dirigent der Kunst-
sammlungen in den Kgl. Schlössern ist ihm wie keinem
anderen vertraut, was die Kunstliebe der Hohenzollern
im Laufe der Jahrhunderte an Schätzen zusammengetragen
hat. Und diese unbestrittene Materialkenntnis, unterstützt
durch ausgedehnte Archivstudien, befähigten ihn wie Keinen,
uns zum erstenmal ein rundes Bild des Großen Königs
als Förderer der Künste zu geben. Gerade in dieser Zu-
sammenstellung wirkt neben dem Neuen auch das schon
Bekannte, als träte es jetzt erst in die rechte Beleuchtung.
Wir sehen, wie Friedrich sich langsam die Welt seiner
ästhetischen Ideale aufbaut, lernen den Wert seiner Jugend-
eindrücke für ihn abschätzen, wie auch hier der kultivierte
Geschmack der Mutter für ihn maßgebend wird, wie er
von ihr die Vorliebe für das Porzellan, für die Tabatieren,
für den ganzen modischen Rokokozierat übernimmt. Es
folgt dann die Schilderung Friedrichs als Bauherrn, die
knapp und präzis die architektonischen Schöpfungen des
Königs begreift, insonderheit die Bauten in und um Sans-
souci, um sich schließlich in einem höchst interessanten
Kapitel den städtebaulichen Bemühungen Friedrichs zuzu-
wenden. Belebt wird die Darstellung von Künstlercharak-
teristiken, unter denen die Knobeisdorffs und Pesnes
besonders liebevoll ausgearbeitet wurden; daneben lernt
man die Kunstberater des Königs, d'Argens und Alga-
rotti, kennen. Wenn das Hofbildhaueratelier des Königs
schon durch Seidels inhaltreiche Aufsätze bei Gelegenheit
der Rokokoausstellung, die 1892 die kunstgeschichtliche
Gesellschaft veranstaltete, näher bekannt geworden ist,
so wird vielen neu sein, was der Verfasser von den
dekorativen Künstlern, dem ausgezeichneten Nahl und den
etwas derberen Hoppenhaupt, Ebenhecht und Merck zu
berichten weiß. Dem Abschnitt über die Hofmaler folgen
Bemerkungen über die Fabrikation der Wandteppiche, die
Friedrich in Versen (an den Grafen Gotter) zwar begeistert