\
577 Sammlungen 578
noch darunter; nur vereinzelte plastische Werke zeigen
künstlerische Kraft. Das Oanze ist sozusagen eine recht
anspruchslose weitherzige Kunstvereinsausstellung. Nach-
rühmen kann man ihr die künstlerisch ansprechende Aus-
schmückung der Räume. Auch daß der Katalog typo-
graphisch gut ausgestattet ist und daß in ihm die Preise
der ausgestellten Kunstwerke angegeben sind, ist aner-
kennenswert. Im ganzen sind, wie noch erwähnt sein
mag, 346 Kunstwerke von 85 Künstlern ausgestellt.
Frankfurt a. M. Der Kunstverein vermittelte uns
in der zweiten Junihälfte die Bekanntschaft mit der sym-
pathischen Kunst von R. Genin (München). Bei einer
deutlichen Modernität fehlt ihm doch alles Revolutionäre;
seine Art ist mehr lyrisch und empfindsam als stark. Seine
Kompositionen zeichnet ein milder, gehaltener Rhythmus aus.
Die Verschiedenartigkeit der Vorbilder (Puvis, Hodler,
Marees und andere, auch modernere) ergibt auch zunächst
noch eine etwas schwankende Vielartigkeit der Eindrücke.
Die Farbe, deren milder und dumpfer Charakter als Stim-
mungsfaktor oft sympathisch ist, hat manchmal eine etwas
branstige, unreine Art. Ein gewisser — wohl absichtlicher —
Mangel an Festigkeit bringt häufig den Eindruck von etwas
Fließendem, Vergehendem in seine Bilder. In den kleinen
Landschaften, deren kräftigere Art vielleicht selbständiger
und unmittelbarer ist als die der größeren Kompositionen,
kommt die Lust am Primitiven, Einfachen, am auf die Norm
Bringen deutlich zum Ausdruck. a. w.
Straßburg i. Eis. Im Elsässischen Kunsthaus fand
eine Kollektivausstellung des Straßburger Malers August
Cammissar statt, die neben einer großen Zahl Land-
schaften auch einige figürliche Arbeiten enthielt. Unter
den verschiedenartigen Werken des Künstlers kommt den
Temperabildern die größte Bedeutung zu. Interessant sind
auch zwei Kopien nach den alten Glasfenstern der St. Mag-
dalenenkirche in Straßburg, die vor einigen Jahren durch
Feuer zerstört worden sind. k.
Madrid. Die Sociedad de Amigos del arte hat dieses
Frühjahr eine Ausstellung spanischer Gemälde der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts aus öffentlichem und privatem
Besitz veranstaltet. Die 287 Arbeiten, die zur Ausstellung
gelangten, sind aber nicht nur ausgeführte Gemälde, son-
dern auch Skizzen und Zeichnungen. Überraschungen
bietet diese Veranstaltung nicht, sie dürfte auch kaum den
wohl damit verknüpften Wunsch erfüllen, der spanischen
Malerei nach Goya wieder zu größerem ideellen (und ma-
teriellen) Ansehen zu verhelfen. Einmal kommt gerade
auch auf dieser Ausstellung wieder Goyas unendliche Über-
legenheit über all die Zeitgenossen und Nachfolger in er-
drückender Weise zum Ausdruck, dann hat man auch zu
viel der sehr tüchtigen aber schließlich doch langweiligen
Porträts von Federigo Madrazo ausgestellt. Ja, man hätte
sogar auch auf eine ganze Anzahl Bildnisse von Vicente
Lopez verzichten dürfen. Ist dieser Künstler auch den Luis
und Federigo Madrazo erheblich überlegen, so nützt man
seinem Ruhm in keiner Weise, wenn man neben seinen besten
Arbeiten zuviel Bilder ausstellt, denen man es unschwer
anmerkt, daß sie nicht mit größter Liebe und Aufmerksam-
keit gemalt sind. Immerhin bleibt diese Ausstellung sehr
verdienstvoll, denn man hat Gelegenheit, die Madrider
Malerei jener Zeit an charakteristischen Beispielen gut zu
studieren. Über die Entwicklung und Eigenart einiger dieser
Künstler wie Alenza und Esquivel hoffen wir an andererStelle
an Hand von Abbildungen näheres mitteilen zu können.
Bemerkt sei noch,daß von der Ausstellung ein reich illustrier-
ter Katalog im Preis von zwei Pesetas erschienen ist, zu dem
der Madrider Kunsthistoriker Dr. Angel Veque eine längere,
sehr instruktive Einleitung geschrieben hat. a. l. m.
Heidelberg. Die historische Entwicklung des
Augenglases führte in den Städtischen Sammlungen eine
Sonderausstellung vor, die von deren Konservator Loh-
meyer gemeinsam mit dem Vorstande der Ophthalmo-
logischen Gesellschaft veranstaltet wurde. Wenn es sich
hier auch um eine Vorführung handelt, die mehr kultur-
geschichtliches Interesse bietet, so findet doch auch der
Kunsthistoriker manches Wertvolle darin. Die meisten
Zeitalter haben die Brille so gestaltet, daß sie eine reine
Gebrauchsform darstellt; das Problem, zwei Gläser richtig
vor den Augen zu befestigen, ist ja erst in unseren Tagen
vollkommen gelöst worden. Zweimal jedoch in der Ent-
wicklung erfuhr das Augenglas eine reichere künstlerische
Ausgestaltung: das erstemal sind es die Nürnberger
»Meisterbrillen« mit ihren wundervoll durchbrochenen
Stegen; das anderemal ist es die Zeit vom Barock bis
zum Empire, die alle die verschiedenen Formen der Ma-
nokles und Monokles, der Lünetten und Lorgnetten auf
das Kunstvollste und Kostbarste ausstattet. — Die Aus-
stellung wurde vor allem aus den Privatsammlungen der
Herren Geheimrat Prof. Dr. Greeff-Berlin und Prof. Dr.
von Pflugk-Dresden zusammengestellt. Während die erste
Sammlung eine lückenlose kulturhistorische Entwicklung
des Augenglases gibt, liegt der Wert der zweiten besonders
in ihren vielen Beispielen von vorzüglichen kunstgewerblichen
Arbeiten. f. pu
SAMMLUNGEN
Das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, in dem
vom 4. Juni bis zum 9. Juli eine bemerkenswerte Aus-
stellung von Werken Leibis und seiner Freunde Schlich,
Trübner, Sperl und Alt stattfand, hat ein Jugendwerk von
Wilhelm Leibi, den in Öl gemalten Studienkopf eines älteren
Mannes, angekauft. Es ist etwa im Jahre 1865 entstanden und
war bisher in der Nähe von Köln in Privatbesitz versteckt.
Barmen. Die Galerie des Barmer Kunstvereins in
der Ruhmeshalle erwarb das Gemälde »Jahrmarkt« vom
Jahre 1872 des 1905 in Düsseldorf verstorbenen, 1836 in
Barmen geborenen Malers Karl Böker.
Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg.
Erster Bericht über die Neuerwerbungen des Kupferstich-
kabinetts. Pfingsten 1911 bis Pfingsten 1913. Man
könnte die Fähigkeiten eines Museumsbeamten zum guten
Teil danach beurteilen, wieweit er über das bloße Er-
werben und Verwalten hinaus es versteht, die vielen
Einzeldinge miteinander und mit dem Leben in Zu-
sammenhang zu bringen, das Ganze interessant, d. h.
lebendig zu machen. Das gilt nicht nur von der Art der
Erwerbungen, sondern vor allem auch von den verschie-
denen Äußerungen in Wort und Schrift, öffentlich und im
privaten Verkehr, zu denen der Beruf Veranlassung gibt.
Als ein sehr erfreuliches Zeichen erscheint da der erste
Jahresbericht über die Neuerwerbungen, den das Kupfer-
stichkabinett des Germanischen Museums durch W.Stengel
herausgibt. Unter den Erwerbungen befindet sich, soweit
das aus den Abbildungen zu ersehen ist, kaum etwas
Gleichgültiges, dagegen sehr viel Bedeutendes, wovon nur
die zwei Zeichnungen aus dem 15. Jahrh., die prächtigen
Blätter von Füßli, die Lithographie mit den beiden Mädchen-
köpfen von Schadow hervorgehoben seien. Sehr zu be-
grüßen ist es, daß endlich, wenn auch noch etwas zaghaft,
die moderne Kunst zugelassen worden ist, mit Werken
von Liebermann, Slevogt, Gaul u. a. Wir wollen gerade
diese Erwerbungen nicht nur als Leistung, sondern auch
als Programm auffassen. Mit einer Neueinrichtung kann
ich mich nicht einverstanden erklären: mit der Anordnung
der Handzeichnungen nach Techniken (Bleistift, Pastell,
577 Sammlungen 578
noch darunter; nur vereinzelte plastische Werke zeigen
künstlerische Kraft. Das Oanze ist sozusagen eine recht
anspruchslose weitherzige Kunstvereinsausstellung. Nach-
rühmen kann man ihr die künstlerisch ansprechende Aus-
schmückung der Räume. Auch daß der Katalog typo-
graphisch gut ausgestattet ist und daß in ihm die Preise
der ausgestellten Kunstwerke angegeben sind, ist aner-
kennenswert. Im ganzen sind, wie noch erwähnt sein
mag, 346 Kunstwerke von 85 Künstlern ausgestellt.
Frankfurt a. M. Der Kunstverein vermittelte uns
in der zweiten Junihälfte die Bekanntschaft mit der sym-
pathischen Kunst von R. Genin (München). Bei einer
deutlichen Modernität fehlt ihm doch alles Revolutionäre;
seine Art ist mehr lyrisch und empfindsam als stark. Seine
Kompositionen zeichnet ein milder, gehaltener Rhythmus aus.
Die Verschiedenartigkeit der Vorbilder (Puvis, Hodler,
Marees und andere, auch modernere) ergibt auch zunächst
noch eine etwas schwankende Vielartigkeit der Eindrücke.
Die Farbe, deren milder und dumpfer Charakter als Stim-
mungsfaktor oft sympathisch ist, hat manchmal eine etwas
branstige, unreine Art. Ein gewisser — wohl absichtlicher —
Mangel an Festigkeit bringt häufig den Eindruck von etwas
Fließendem, Vergehendem in seine Bilder. In den kleinen
Landschaften, deren kräftigere Art vielleicht selbständiger
und unmittelbarer ist als die der größeren Kompositionen,
kommt die Lust am Primitiven, Einfachen, am auf die Norm
Bringen deutlich zum Ausdruck. a. w.
Straßburg i. Eis. Im Elsässischen Kunsthaus fand
eine Kollektivausstellung des Straßburger Malers August
Cammissar statt, die neben einer großen Zahl Land-
schaften auch einige figürliche Arbeiten enthielt. Unter
den verschiedenartigen Werken des Künstlers kommt den
Temperabildern die größte Bedeutung zu. Interessant sind
auch zwei Kopien nach den alten Glasfenstern der St. Mag-
dalenenkirche in Straßburg, die vor einigen Jahren durch
Feuer zerstört worden sind. k.
Madrid. Die Sociedad de Amigos del arte hat dieses
Frühjahr eine Ausstellung spanischer Gemälde der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts aus öffentlichem und privatem
Besitz veranstaltet. Die 287 Arbeiten, die zur Ausstellung
gelangten, sind aber nicht nur ausgeführte Gemälde, son-
dern auch Skizzen und Zeichnungen. Überraschungen
bietet diese Veranstaltung nicht, sie dürfte auch kaum den
wohl damit verknüpften Wunsch erfüllen, der spanischen
Malerei nach Goya wieder zu größerem ideellen (und ma-
teriellen) Ansehen zu verhelfen. Einmal kommt gerade
auch auf dieser Ausstellung wieder Goyas unendliche Über-
legenheit über all die Zeitgenossen und Nachfolger in er-
drückender Weise zum Ausdruck, dann hat man auch zu
viel der sehr tüchtigen aber schließlich doch langweiligen
Porträts von Federigo Madrazo ausgestellt. Ja, man hätte
sogar auch auf eine ganze Anzahl Bildnisse von Vicente
Lopez verzichten dürfen. Ist dieser Künstler auch den Luis
und Federigo Madrazo erheblich überlegen, so nützt man
seinem Ruhm in keiner Weise, wenn man neben seinen besten
Arbeiten zuviel Bilder ausstellt, denen man es unschwer
anmerkt, daß sie nicht mit größter Liebe und Aufmerksam-
keit gemalt sind. Immerhin bleibt diese Ausstellung sehr
verdienstvoll, denn man hat Gelegenheit, die Madrider
Malerei jener Zeit an charakteristischen Beispielen gut zu
studieren. Über die Entwicklung und Eigenart einiger dieser
Künstler wie Alenza und Esquivel hoffen wir an andererStelle
an Hand von Abbildungen näheres mitteilen zu können.
Bemerkt sei noch,daß von der Ausstellung ein reich illustrier-
ter Katalog im Preis von zwei Pesetas erschienen ist, zu dem
der Madrider Kunsthistoriker Dr. Angel Veque eine längere,
sehr instruktive Einleitung geschrieben hat. a. l. m.
Heidelberg. Die historische Entwicklung des
Augenglases führte in den Städtischen Sammlungen eine
Sonderausstellung vor, die von deren Konservator Loh-
meyer gemeinsam mit dem Vorstande der Ophthalmo-
logischen Gesellschaft veranstaltet wurde. Wenn es sich
hier auch um eine Vorführung handelt, die mehr kultur-
geschichtliches Interesse bietet, so findet doch auch der
Kunsthistoriker manches Wertvolle darin. Die meisten
Zeitalter haben die Brille so gestaltet, daß sie eine reine
Gebrauchsform darstellt; das Problem, zwei Gläser richtig
vor den Augen zu befestigen, ist ja erst in unseren Tagen
vollkommen gelöst worden. Zweimal jedoch in der Ent-
wicklung erfuhr das Augenglas eine reichere künstlerische
Ausgestaltung: das erstemal sind es die Nürnberger
»Meisterbrillen« mit ihren wundervoll durchbrochenen
Stegen; das anderemal ist es die Zeit vom Barock bis
zum Empire, die alle die verschiedenen Formen der Ma-
nokles und Monokles, der Lünetten und Lorgnetten auf
das Kunstvollste und Kostbarste ausstattet. — Die Aus-
stellung wurde vor allem aus den Privatsammlungen der
Herren Geheimrat Prof. Dr. Greeff-Berlin und Prof. Dr.
von Pflugk-Dresden zusammengestellt. Während die erste
Sammlung eine lückenlose kulturhistorische Entwicklung
des Augenglases gibt, liegt der Wert der zweiten besonders
in ihren vielen Beispielen von vorzüglichen kunstgewerblichen
Arbeiten. f. pu
SAMMLUNGEN
Das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld, in dem
vom 4. Juni bis zum 9. Juli eine bemerkenswerte Aus-
stellung von Werken Leibis und seiner Freunde Schlich,
Trübner, Sperl und Alt stattfand, hat ein Jugendwerk von
Wilhelm Leibi, den in Öl gemalten Studienkopf eines älteren
Mannes, angekauft. Es ist etwa im Jahre 1865 entstanden und
war bisher in der Nähe von Köln in Privatbesitz versteckt.
Barmen. Die Galerie des Barmer Kunstvereins in
der Ruhmeshalle erwarb das Gemälde »Jahrmarkt« vom
Jahre 1872 des 1905 in Düsseldorf verstorbenen, 1836 in
Barmen geborenen Malers Karl Böker.
Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg.
Erster Bericht über die Neuerwerbungen des Kupferstich-
kabinetts. Pfingsten 1911 bis Pfingsten 1913. Man
könnte die Fähigkeiten eines Museumsbeamten zum guten
Teil danach beurteilen, wieweit er über das bloße Er-
werben und Verwalten hinaus es versteht, die vielen
Einzeldinge miteinander und mit dem Leben in Zu-
sammenhang zu bringen, das Ganze interessant, d. h.
lebendig zu machen. Das gilt nicht nur von der Art der
Erwerbungen, sondern vor allem auch von den verschie-
denen Äußerungen in Wort und Schrift, öffentlich und im
privaten Verkehr, zu denen der Beruf Veranlassung gibt.
Als ein sehr erfreuliches Zeichen erscheint da der erste
Jahresbericht über die Neuerwerbungen, den das Kupfer-
stichkabinett des Germanischen Museums durch W.Stengel
herausgibt. Unter den Erwerbungen befindet sich, soweit
das aus den Abbildungen zu ersehen ist, kaum etwas
Gleichgültiges, dagegen sehr viel Bedeutendes, wovon nur
die zwei Zeichnungen aus dem 15. Jahrh., die prächtigen
Blätter von Füßli, die Lithographie mit den beiden Mädchen-
köpfen von Schadow hervorgehoben seien. Sehr zu be-
grüßen ist es, daß endlich, wenn auch noch etwas zaghaft,
die moderne Kunst zugelassen worden ist, mit Werken
von Liebermann, Slevogt, Gaul u. a. Wir wollen gerade
diese Erwerbungen nicht nur als Leistung, sondern auch
als Programm auffassen. Mit einer Neueinrichtung kann
ich mich nicht einverstanden erklären: mit der Anordnung
der Handzeichnungen nach Techniken (Bleistift, Pastell,