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Ausstellungen
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genommenen Bemühungen, die »Moderne« bei den an-
gestammten Mitgliedern in Kredit zu bringen, fortgesetzt.
Da die, bei aller Breite des Vortrages doch in der Zeich-
nung moderaten Bildnisse und Landschaften Konr. v. Kar-
dorffs, auf die sich die Ausstellung diesmal vornehmlich
stützte, in ihren modernistischen Ansprüchen nicht allzu
weit gehen, die Leitung überdies, nach dem bewährten
Rezept, wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen, der
Sammlung einige Werke von einwandloser älterer Herkunft
gesellte, — Greco, Decamps, Courbet, Thaulow u. a. —
so war von einer Wiederholung der kürzlich gegen die
erwähnten Modernitätsbestrebungen laut gewordenen
Opposition diesmal nichts zu verspüren. — Zur gleichen
Zeit und in dem gleichen Lokale hatte der Bildhauer
Rudolf Bosselt eine größere Sammlung von Ganz- und
Teilfiguren ausgestellt. In Akt und Gruppe (die Schwestern)
im Betonen des Schlichteinfachen anziehend bis zum Inter-
essanten, bleibt Bosselt hinter seinem dort gezeigten schönen
Können zurück, sowie er an größere Aufgaben herantritt,
die durchgeistigte Bewegung erfordern (ein schreitendes
Menschenpaar, eine abwehrende Frau).
Seitens derHamburg allzu nahe angelagerten Schwester-
stadt Altona, die seit kurzem auch auf dem Gebiete der
Kunstausstellungen ihre Selbständigkeit mit Energie be-
tont, war kürzlich die Münchener künstlerische Wander-
vereinigung »Ring« zu Besuch geladen worden. In den
erwähnenswerteren Mitgliedern dieser rein geschäftlichen
Vereinigung — Walter Firle, Hans v. Bartels, Hans v. Pe-
tersen, Albert Schröder, Willy Eilers, G. v. Canal, Hans v.
Hayek u. a. — begegnen wir alten Bekannten, über deren
Qualitäten die Meinungen längst feststehen. Da sie über-
dies vielfach mit von früher her gekannten Arbeiten er-
schienen waren, wäre über die Ausstellung weiteres nicht
zu sagen, wenn als Niederschlag nicht ein Meinungsstreit
zurückgeblieben wäre, dem ein wenig erfreulicher Bei-
geschmack anhaftet. Die einen tun nämlich so, als kehrte
sich ihr Unwille wider die Rückständigkeit der »Ring«-
Genossen, die meist älteren Malweisen huldigen, während
die ehrlichen rund heraus erklären, daß bei den ohnehin
knappen Einnahmen der hier seßhaften Hamburg-Altonaer
Künstler die Heranziehung einer neuen Konkurrenz minde-
stens überflüssig war. Daß die marktschreierische Abfassung
des Kataloges, der nebst anderen Geschmacksentgleisungen,
auch in der Aufzählung von behördlichen Gutachten über die
Qualität der Ausstellung sich nicht genug tun konnte, selbst
bei unbefangenen Beurteilern Anstoß erregte, soll nicht un-
erwähnt bleiben. h. e. Wallsee. ■
Auf der Großen Kunstausstellung in Düsseldorf
1913 wurden an Kunstwerken bis jetzt verkauft: 133 Ol-
gemälde,32Aquarelle, 94grapische Blätter und 12Skulpturen.
Frühjahrs-Ausstellungen in Amsterdam. Die Aus-
stellung des Amsterdamer Künstlervereins »Arti et Ami-
citiae«, von dem jemand früher einmal ganz witzig bemerkt
hat, daß in seinen Ausstellungen die Amicitia besser zu
ihrem Rechte komme, als die Ars, stand, wie fast stets in
den letzten Jahren, im Zeichen ödesten Epigonentums.
Was von den ungefähr 200 ausgestellten Werken allein
einigen Eindruck machte, das waren verschiedene dilet-
tantische Machwerke, denen auch der mildeste Kunstrichter
alle Existenzberechtigung abstreiten mußte. Ich will die
Namen dieser Künstler nicht nennen, um ihnen nicht
eine herostratische Berühmtheit zu verschaffen. Man
hätte meinen sollen, daß diese Sachen nur aufgehängt
worden wären, um den Abstand der wenigen besseren
Werke von den ganz schlechten etwas größer erscheinen zu
lassen. — Lobende Erwähnung verdienen nur eine von
liebevoller Beobachtung zeugende Figurenstudie von K.
van Leeuwen, eine alte über ihre Arbeit gebeugte Näherin,
eine wogende See von dem jungen A. R. Mauve, die durch
die Wiedergabe der Bewegung und die feine Farbe be-
achtenswert war, eine sprechende Porträtstudie von Frau
Vredenburg-Schotel, ein malerischer Winkel aus Alt-Amster-
dam von Ed. Karsen, woraus, wie fast stets bei diesem
Maler, echtes poetisches Gefühl sprach, eine frische Land-
schaft von Com. Kuypers, und ein in Auffassung und Be-
handlung gesundes, kräftiges Stilleben von Fräulein van
Regteren-Altena. Alles Übrige war unbedeutend, zahm
und unendlich langweilig- Wer nach dieser Arti-Aus-
stellung das moderne holländische Kunstleben beurteilen
wollte, müßte zu dem Ergebnis kommen, daß sich die
Malerei hier in einem Zustande völliger Stagnation be-
findet. Daß dem aber nicht so ist, daß unter der jüngeren
Künstlergeneration dennoch reges Streben herrscht, daß
neue Probleme die Gemüter beschäftigen, daß ein frischer
Luftzug weht, das beweist uns wieder einmal die Ausstel-
lung des jüngeren Künstlervereins, die Ausstellung von
Sint-Lucas, die eine etwas eingehendere Besprechung lohnt.
Die Eigenart der modernen holländischen Malerei wird
zum Teil bedingt durch ihre Stoffwahl. Die Zeit der schum-
merigen Bauern- oder Fischerinterieurs, der sauberen, ak-
kuraten Stilleben, der dunstigen, tonigen Landschaften mit
den ewigen Kühen oder Enten usw. ist vorbei. Die Fort-
schrittlichen unter den Jüngeren lassen sich von anderen
Gegenständen anregen. So entnimmt eine Gruppe unter
ihnen ihre Motive dem großstädtischen Leben, dem mon-
dainen Kaffeehaus, dem eleganten Variete, dem Treiben
der Halbwelt. Dies Milieu zieht sie an durch seine Bunt-
heit, die auffallenden, aparten Farben der weiblichen Toi-
letten, die größere Vitalität und Ursprünglichkeit der ein-
zelnen Typen, die einen so schroffen Gegensatz bilden zu
der Korrektheit und Steifheit der »guten« Gesellschaft, und
nicht zuletzt durch die Beleuchtungseffekte bei Kunstlicht.
Zu dieser Richtung gehören Maks, van der Hern und
Sluyters. Letzterer ist sicherlich der bedeutendste und ge-
sündeste, nicht nur dieser Gruppe, sondern der ganzen
Generation; seine Ausdrucksfähigkeit ist am größten, sein
Farbengefühl am sichersten und am feinsten. Die beiden
weiblichen Halbfiguren von ihm, die Soubrette in Rot mit
dem regelmäßigen, feinen Profil und dem impertinenten
eingebildeten Ausdruck, und die andere mit dem gutmütigen,
jovialen Gesicht sind hervorragende Leistungen der Charak-
terisierungskunst, und sie sind zugleich hervorragend gemalt.
Wir haben es hier nicht mehr mit interessanten Experimenten
zu tun, sondern mit reifen, fertigen Kunstwerken, in denen
nichts übertrieben, nichts unterstrichen ist; daher ihre Ruhe
und Selbstverständlichkeit. Durch scharfe Erfassung des
Individuellen ausgezeichnet sind die beiden Herrenbild-
nisse desselben Künstlers, die nur in der Farbe, dem starken
Blau des Anzuges, etwas gesucht scheinen. Mehr dem
Dekorativen nähert sich Sluyters in der stehenden lebens-
großen weiblichen Figur in grünem Kleid und lila Mantel,
besonders dekorativ empfunden ist hier der Hintergrund,
wo mit großer Kühnheit violette Farbenflächen neben orange
gesetzt sind. Sluyters ist in der Farbe feiner und gemäßigter
geworden; die Farbe ist bei ihm jetzt sozusagen nur idealer
Schein. Bei Maks haftet der Farbe im Gegensatz dazu immer
noch leicht etwas Stoffliches an; sein Farbenauftrag ist auch
viel dicker; seine Technik könnte man mit der eines Frans
Hals vergleichen, mit dem er sich auch in der trefflichen
Wiedergabe des Momentanen und besonders des Lachens
berührt. Van der Hern ist von den dreien derjenige, der
am meisten auf den brillanten Effekt arbeitet, etwa wie
Reznicek.
Eine andere Gruppe erregt wegen ihrer Technik be-
sonderes Interesse; diese Maler suchen noch nach einem
Ausstellungen
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genommenen Bemühungen, die »Moderne« bei den an-
gestammten Mitgliedern in Kredit zu bringen, fortgesetzt.
Da die, bei aller Breite des Vortrages doch in der Zeich-
nung moderaten Bildnisse und Landschaften Konr. v. Kar-
dorffs, auf die sich die Ausstellung diesmal vornehmlich
stützte, in ihren modernistischen Ansprüchen nicht allzu
weit gehen, die Leitung überdies, nach dem bewährten
Rezept, wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen, der
Sammlung einige Werke von einwandloser älterer Herkunft
gesellte, — Greco, Decamps, Courbet, Thaulow u. a. —
so war von einer Wiederholung der kürzlich gegen die
erwähnten Modernitätsbestrebungen laut gewordenen
Opposition diesmal nichts zu verspüren. — Zur gleichen
Zeit und in dem gleichen Lokale hatte der Bildhauer
Rudolf Bosselt eine größere Sammlung von Ganz- und
Teilfiguren ausgestellt. In Akt und Gruppe (die Schwestern)
im Betonen des Schlichteinfachen anziehend bis zum Inter-
essanten, bleibt Bosselt hinter seinem dort gezeigten schönen
Können zurück, sowie er an größere Aufgaben herantritt,
die durchgeistigte Bewegung erfordern (ein schreitendes
Menschenpaar, eine abwehrende Frau).
Seitens derHamburg allzu nahe angelagerten Schwester-
stadt Altona, die seit kurzem auch auf dem Gebiete der
Kunstausstellungen ihre Selbständigkeit mit Energie be-
tont, war kürzlich die Münchener künstlerische Wander-
vereinigung »Ring« zu Besuch geladen worden. In den
erwähnenswerteren Mitgliedern dieser rein geschäftlichen
Vereinigung — Walter Firle, Hans v. Bartels, Hans v. Pe-
tersen, Albert Schröder, Willy Eilers, G. v. Canal, Hans v.
Hayek u. a. — begegnen wir alten Bekannten, über deren
Qualitäten die Meinungen längst feststehen. Da sie über-
dies vielfach mit von früher her gekannten Arbeiten er-
schienen waren, wäre über die Ausstellung weiteres nicht
zu sagen, wenn als Niederschlag nicht ein Meinungsstreit
zurückgeblieben wäre, dem ein wenig erfreulicher Bei-
geschmack anhaftet. Die einen tun nämlich so, als kehrte
sich ihr Unwille wider die Rückständigkeit der »Ring«-
Genossen, die meist älteren Malweisen huldigen, während
die ehrlichen rund heraus erklären, daß bei den ohnehin
knappen Einnahmen der hier seßhaften Hamburg-Altonaer
Künstler die Heranziehung einer neuen Konkurrenz minde-
stens überflüssig war. Daß die marktschreierische Abfassung
des Kataloges, der nebst anderen Geschmacksentgleisungen,
auch in der Aufzählung von behördlichen Gutachten über die
Qualität der Ausstellung sich nicht genug tun konnte, selbst
bei unbefangenen Beurteilern Anstoß erregte, soll nicht un-
erwähnt bleiben. h. e. Wallsee. ■
Auf der Großen Kunstausstellung in Düsseldorf
1913 wurden an Kunstwerken bis jetzt verkauft: 133 Ol-
gemälde,32Aquarelle, 94grapische Blätter und 12Skulpturen.
Frühjahrs-Ausstellungen in Amsterdam. Die Aus-
stellung des Amsterdamer Künstlervereins »Arti et Ami-
citiae«, von dem jemand früher einmal ganz witzig bemerkt
hat, daß in seinen Ausstellungen die Amicitia besser zu
ihrem Rechte komme, als die Ars, stand, wie fast stets in
den letzten Jahren, im Zeichen ödesten Epigonentums.
Was von den ungefähr 200 ausgestellten Werken allein
einigen Eindruck machte, das waren verschiedene dilet-
tantische Machwerke, denen auch der mildeste Kunstrichter
alle Existenzberechtigung abstreiten mußte. Ich will die
Namen dieser Künstler nicht nennen, um ihnen nicht
eine herostratische Berühmtheit zu verschaffen. Man
hätte meinen sollen, daß diese Sachen nur aufgehängt
worden wären, um den Abstand der wenigen besseren
Werke von den ganz schlechten etwas größer erscheinen zu
lassen. — Lobende Erwähnung verdienen nur eine von
liebevoller Beobachtung zeugende Figurenstudie von K.
van Leeuwen, eine alte über ihre Arbeit gebeugte Näherin,
eine wogende See von dem jungen A. R. Mauve, die durch
die Wiedergabe der Bewegung und die feine Farbe be-
achtenswert war, eine sprechende Porträtstudie von Frau
Vredenburg-Schotel, ein malerischer Winkel aus Alt-Amster-
dam von Ed. Karsen, woraus, wie fast stets bei diesem
Maler, echtes poetisches Gefühl sprach, eine frische Land-
schaft von Com. Kuypers, und ein in Auffassung und Be-
handlung gesundes, kräftiges Stilleben von Fräulein van
Regteren-Altena. Alles Übrige war unbedeutend, zahm
und unendlich langweilig- Wer nach dieser Arti-Aus-
stellung das moderne holländische Kunstleben beurteilen
wollte, müßte zu dem Ergebnis kommen, daß sich die
Malerei hier in einem Zustande völliger Stagnation be-
findet. Daß dem aber nicht so ist, daß unter der jüngeren
Künstlergeneration dennoch reges Streben herrscht, daß
neue Probleme die Gemüter beschäftigen, daß ein frischer
Luftzug weht, das beweist uns wieder einmal die Ausstel-
lung des jüngeren Künstlervereins, die Ausstellung von
Sint-Lucas, die eine etwas eingehendere Besprechung lohnt.
Die Eigenart der modernen holländischen Malerei wird
zum Teil bedingt durch ihre Stoffwahl. Die Zeit der schum-
merigen Bauern- oder Fischerinterieurs, der sauberen, ak-
kuraten Stilleben, der dunstigen, tonigen Landschaften mit
den ewigen Kühen oder Enten usw. ist vorbei. Die Fort-
schrittlichen unter den Jüngeren lassen sich von anderen
Gegenständen anregen. So entnimmt eine Gruppe unter
ihnen ihre Motive dem großstädtischen Leben, dem mon-
dainen Kaffeehaus, dem eleganten Variete, dem Treiben
der Halbwelt. Dies Milieu zieht sie an durch seine Bunt-
heit, die auffallenden, aparten Farben der weiblichen Toi-
letten, die größere Vitalität und Ursprünglichkeit der ein-
zelnen Typen, die einen so schroffen Gegensatz bilden zu
der Korrektheit und Steifheit der »guten« Gesellschaft, und
nicht zuletzt durch die Beleuchtungseffekte bei Kunstlicht.
Zu dieser Richtung gehören Maks, van der Hern und
Sluyters. Letzterer ist sicherlich der bedeutendste und ge-
sündeste, nicht nur dieser Gruppe, sondern der ganzen
Generation; seine Ausdrucksfähigkeit ist am größten, sein
Farbengefühl am sichersten und am feinsten. Die beiden
weiblichen Halbfiguren von ihm, die Soubrette in Rot mit
dem regelmäßigen, feinen Profil und dem impertinenten
eingebildeten Ausdruck, und die andere mit dem gutmütigen,
jovialen Gesicht sind hervorragende Leistungen der Charak-
terisierungskunst, und sie sind zugleich hervorragend gemalt.
Wir haben es hier nicht mehr mit interessanten Experimenten
zu tun, sondern mit reifen, fertigen Kunstwerken, in denen
nichts übertrieben, nichts unterstrichen ist; daher ihre Ruhe
und Selbstverständlichkeit. Durch scharfe Erfassung des
Individuellen ausgezeichnet sind die beiden Herrenbild-
nisse desselben Künstlers, die nur in der Farbe, dem starken
Blau des Anzuges, etwas gesucht scheinen. Mehr dem
Dekorativen nähert sich Sluyters in der stehenden lebens-
großen weiblichen Figur in grünem Kleid und lila Mantel,
besonders dekorativ empfunden ist hier der Hintergrund,
wo mit großer Kühnheit violette Farbenflächen neben orange
gesetzt sind. Sluyters ist in der Farbe feiner und gemäßigter
geworden; die Farbe ist bei ihm jetzt sozusagen nur idealer
Schein. Bei Maks haftet der Farbe im Gegensatz dazu immer
noch leicht etwas Stoffliches an; sein Farbenauftrag ist auch
viel dicker; seine Technik könnte man mit der eines Frans
Hals vergleichen, mit dem er sich auch in der trefflichen
Wiedergabe des Momentanen und besonders des Lachens
berührt. Van der Hern ist von den dreien derjenige, der
am meisten auf den brillanten Effekt arbeitet, etwa wie
Reznicek.
Eine andere Gruppe erregt wegen ihrer Technik be-
sonderes Interesse; diese Maler suchen noch nach einem