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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0340

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659

Forschungen

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das Planetolabium, die ausgezeichneten Holzfiguren der
vier Lebensalter, von Christus und dem Tode. Der große
eiserne Hahn der ersten Straßburger Münsteruhr von 1354
ist als Kunstwerk heute ohne Parallele und von größtem
Interesse, zudem die älteste uns im Original erhaltene Auto-
matenfigur.

Herr A. Feulner legt einen neu aufgefundenen Sam-
melband mit Originalrissen aus der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts vor, zumeist Konkurrenzpläne für die Klosterkirche
in Ottobeuren. Die Risse haben für die Kunstgeschichte
des bayerischen Barock besonderen Wert, da sie nicht nur
die Grundrißentwicklung der bedeutendsten unter den süd-
deutschen Barockkirchen mit einer bisher einzig dastehen-
den Vollständigkeit zeigen, sondern auch Ausblicke bieten
auf die Tendenzen der gleichzeitigen Architektur. Die Lage
und Gestalt der künftigen Klosterkirche hatte bereits der Er-
bauer des Klosters, Christoph Vogt, festgelegt, von dem
eine exakt gearbeitete Vorzeichnung für einen Stich sich in
dem Sammelband befindet. An die Idee Vogts schloß sich
dann der eigentliche Schöpfer des Grundrisses von Otto-
beuren, Simpertus Kramer, an, der zugleich den Grundriß
der nahen Klosterkirche in Weingarten sich zum Vorbild
nahm. Nach Kramers Riß wurde der Bau begonnen und
ein Teil der Fundamente gelegt. Dann griff mit einigen
Korrekturen der kurbayerische Oberbaudirektor, der ge-
legentlich einer Reise nach Ottobeuren kam, ein und brachte
Änderungen im Sinne des französischen Klassizismus an.
Auf Effner ließen sich zwei der erhaltenen Risse zurück-
führen. Auf den Änderungen Effners aufbauend schuf
endlich der Münchener Johann Michael Fischer den end-
gültig ausgeführten Plan. Von Fischers Hand sind in dem
Sammelbande fünf Originalrisse von höchst exakter Aus-
führung und dazu gehören einige spätere Kopien einer un-
geübten Hand. Zum Schlüsse zeigt der Redner noch einige
Risse des Tessiners Maini vor, die deswegen besonders
interessant sind, weil in ihnen einige der seltsamen Grund-
rißfigurationen der Dienzenhofer und des Dominikus Zim-
mermann bereits vorgebildet sind.

Herr Graeff legt die Photographie eines Altarflügels
des Meisters von Meßkirch, Jörg Ziegler, vor, in dessen
Besitz die alte Pinakothek durch eine Schenkung von Dr.
M. Berolzheimer gekommen ist. Dargestellt ist der hl. Ul-
rich auf blauem Grund. Graeff gibt eine Charakteristik
des Meisters von Meßkirch, vergleicht das in Frage stehende
Werk, das den linken, feststehenden Flügel eines Altars
bildete, mit dem uns bekannten Oeuvre des
Jörg Ziegler und weist an Hand der Photo-
graphien nach, daß die Richtigkeit der Zu-
schreibung des neuen Stückes außer allem
Zweifel steht. Dann erwähnt Graeff, als Nach-
trag zu seinem kürzlich erfolgten Bericht über
den neu erworbenen Baldassare d'Este der
alten Pinakothek, daß in der Rassegna d'arte
1912 ein Porträt des Borso d'Este von der
Hand des Baldassare d'Este aus dem Besitz
des Fürsten Trivulzi publiziert worden sei,
durch welches die Richtigkeit der Zuschreibung
des Münchener Bildes bestätigt werde.

Herr von Bissing spricht über Bronzen
des mittleren Reichs in Ägypten. Er legt eine
Anzahl Bronzestatuetten des Berliner, Kairen-
ser Museums, seiner eigenen Sammlung vor,
die teils aus stilistischen, teils aus äußeren
Gründen in das mittlere Reich gesetzt werden
dürfen. Er weist nach, daß eine mit der
Sammlung Demetrio in das Athener National-
museum gekommene Bronze eine der köstlich-
sten uns erhaltenen Arbeiten dieser Art an das

Ende des mittleren Reichs oder den Anfang des neuen zu
setzen sei (um 1600 v. Chr.). Endlich glaubt er auf Grund
dieses Materials zeigen zu können, daß von den berühmten
Bronzen der ehemaligen Sammlung Possco die eine, auf
der die Inschrift des Abdschasu eingeritzt ist, gleichfalls
der frühen 18. Dynastie angehöre, während die anderen
saitische Arbeiten seien. Der Aufsatz erscheint in den
Athenischen Mitteilungen.

Herr Wolters legt vor: Antiquites Egyptiennes, Grec-
ques et Romaines, provenant de l'Ancienne Collection Bo-
relli Bey (Versteigerung Paris 11.—13. Juni 1913) und Bul-
letin of the Metropolitan Museum of Art (darin ein vor-
zügliches römisches Porträt spätrepublikanischer Zeit und
eine besonders große attische archaische Grabstele von
trefflicher Arbeit).

FORSCHUNGEN

Eine Zeichnung von Jan Lys. Vor kurzem erwarb
ich — ganz zufällig, bei einem kleinen Antiquar in der Nähe
des Ryksmuseums in Amsterdam! — eine sehr interessante
Zeichnung des seltenen und so hochbedeutenden Malers
Jan Lys. Es scheint eine Studie für ein ähnliches Bild
wie das berühmte Werk in Kassel, aus der Reynst-Samm-
lung stammend. Auch hier sind Landsknechte in ihrer
schmucken Tracht mit hübschen Kurtisanen abgebildet.
Etwas anständiger geht's hier her, aber es wird doch gekost
und hofiert. Prächtig ist die Leichtigkeit und Sicherheit,
mit der die Figuren dahinskizziert sind, die ausdrucksvollen
Köpfe, die ungezwungene Komposition.

Es ist wohl die große Seltenheil des Meisters die Ur-
sache, daß er noch nicht nach Wert geschätzt ist, daß er
eigentlich so unbekannt blieb. Sandrart ist fast unsere
einzige Quelle über den Sonderling, der tagelang der Freude
nachging und dann nachts nach Hause kommend, sich ans
Malen setzte »und verbrachte die ganze Nacht in Arbeit«!

Diese Zeichnung stimmt so ganz zu der Beschreibung
Sandrarts: »Mehrhat er schöne Konversationen geharnischter
Soldaten, mit venetianischen Kurtisanen (gemalt), da unter
lieblichem Saiten- und Kartenspiel, bei einem ergötzlichen
Trunk jedes nach seinem Gefallen conversirt, und im Luder
lebt, worinnen die Vielfältigkeit der Affecten, Gebärden und
Begierden eines jeden so vernünftig ausgebildet sind, daß
diese Werke nicht allein hoch gepriesen, sondern auch von
den Kunstliebenden um großen Werth erkauftet worden.«
Damals, als Sandrart schrieb, waren »seiner Stücke zwar

Jan Lys, Ein Gelage von Soldaten und Dirnen. (Kassel, Kgl. Gemäldegalerie)
 
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