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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 24.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.6192#0341

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Forschungen

662

Jan Lys, Landsknechte und Kurtisanen. Zeichnung. (Amsterdam, A. Bredius)

viel zu Venedig, mehr aber zu Amsterdam, und werden
daselbst in sehr hohen Ehren gehalten«.

Wo ist das alles hingekommen? Vielleicht übertrieb
Sandrart etwas; aber jetzt ist das einzige Bild in Holland
ein vor einiger Zeit von mir erworbenes kleines Werk mit
Soldaten und Hunden und diese Zeichnung. Eine andere
wird ihm im Amsterdamer Kupferstichkabinett zugeschrieben.

Höchst auffallend ist die Art, in der links die Frau
mit den Kindern gezeichnet ist. Ist das nicht beinahe
18. Jahrhundert? Und Jan Lys starb 1629. in Venedig!

Es ist eine sehr erfreuende Tatsache, daß ein Kunst-
gelehrter, Dr. Peltzer, sich endlich daran gemacht hat,
diesem aparten Meister eine Monographie zu schreiben.
Die Arbeit ist keine leichte, denn das seltene Werk des Lys
muß mit Mühe zusammengesucht und in Venedig die
Archive dafür ernstlich geprüft werden, aber die Aufgabe
ist eine dankbare, denn es gilt hier wirklich einem großen
Meister zu seinem Rechte zu verhelfen.

Die Originalgröße der Zeichnung, die gelitten hat —
überall sind kleine Stückchen eingesetzt, ohne daß Wesent-
liches beschädigt wurde — ist 0,335 m breit, 0,225 m hoch.

A. Bredius.

Ein neuentdecktes Altarwerk Riemenschneiders?
In der einfachen spätgotischen Landkirche in Kefermarkt
(Oberösterreich) steht ein mächtiger holzgeschnitzter Altar,
der dem hl. Wolfgang geweiht ist. In der Lokalliteratur
ist er schon lange bekannt, Adalbert Stifter hat einen fein-
sinnigen Aufsatz über ihn geschrieben, der für seine Zeit
mit anerkennenswertem künstlerischen Verständnis, aller-
dings ohne die Methode und die Kenntnisse der modernen
Kunstwissenschaft verfaßt ist. In der Geschichte der deutschen
Plastik ist der Altar dagegen in seiner sicherlich großen Be-
deutung noch keineswegs entsprechend gewürdigt.

Dem wird künftig abgeholfen sein. Vor kurzem hat
der Museumsdirektor von Linz, Her. Ubell in »Kunst u.
Kunsthandwerk« (XVI. Jahrg. [1913] Heft 1, S. 1 ff.) eine
eingehende Beschreibung und Würdigung dieses Altarwerkes
veröffentlicht, die mit einem umfangreichen Apparat vor-
züglicher großer Abbildungen illustriert ist. Diese Publi-
kation ist sicher äußerst dankenswert, denn das Werk ver-
dient der kunsthistorischen Forschung bekannt zu werden.
In kurzem hat sich auch eine lebhafte kunsthistorische
Debatte um diesen Altar entsponnen. Über seine künst-
lerische Bedeutung ist man sich einig, nicht aber über die
kunsthistorische Bestimmung. Denn Ubell hat den Altar
dem unterfränkischen Meister Tilman Riemenschneider zu-
geschrieben.

Und diese Zuschreibung ist tatsächlich für jeden Kenner
unterfränkischer Plastik überraschend. Wie soll dieser
Meister, der zu seinen Lebzeiten nur in seinem engsten
heimatlichen Kreis, nämlich Unterfranken, streng genommen
nur im Hochstift Würzburg und den zunächst anstoßenden
Gebieten bekannt und geschätzt war, dazu gekommen sein,
in dem fernen Oberösterreich ein Altarwerk zu schnitzen?
Urkundlich kann es auch Ubell nicht belegen, sondern er
stützt sich auf stilkritische Momente. Auf die zusammen-
fassende Gesamtcharakteristik Riemenschneiders durch seinen
Biographen Tönnies fußend entdeckt er in der Gesamtauf-
fassung, dem großzügigen Gewandstil, dem Fehlen der
Fassung, aber auch in Nebendingen wie in dem Stehen der
Madonna auf der Mondsichel (!), den dekorativen Buch-
staben auf den Gewandsäumen so viel Ähnlichkeiten, daß
er zu dem Schlüsse kommt: »Es dürften schon die vor-
gebrachten Argumente hinreichen, um den stilistischen
Nachweis zu erbringen, daß der Meister des Kefermarkter
Altares mit Tilman Riemenschneider identisch ist.« (S. 62.)
 
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