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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1919)
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Gregori, Ferdinand: Das Theater und die Revolution
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Einstein, Alfred: Heinrich Kaspar Schmid
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0034

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daß man dabei die Paragraphen nicht einzeln durchberiet, weil rnan der
Praxis Spielraum lassen wollte, sehe ich eine besondere Klugheit der Antrag-
steller, sehe ich etwas wie Hoffnung für die Andersdenkenden, sehe ich die
Notwendigkeit, meine Bedenken auszusprechen. Man wird sie um so freund--
licher aufnehmen, je wärmer ich nun für die ungeheuren, für die über-
raschendeu Vorzüge Zeugnis ablege, die iu den Verträgeu stecken.

Der junge Schauspieler zieht nun wirklich, wenn er genügend Talent mit-
hat, in ein gelobtes Laud ein. Nicht nur die Folter der vierwöchigen
Kündigungszeit ist von seiner Seele genommen, es gibt auch ein Minimum
der Gage, das ihn mittleren anderen Berufen gleichstellt. Die Darstelle-
rinnen insbesondere werden die unertragbare, unmoralische Last der Kostüm-
beschaffung los. Was ebenso selbstverständlich ist, obgleich der Theaterleiter
bis jetzt nie etwas davon wissen wollte: Entschädigung für die Proben
vor Beginn der Spielzeit (oft 8 Tage!) wird endlich zugestanden; Sonntags-
und Nachtproben fallen so gut wie ganz weg, die meist nur vom schlechten
Disponieren der Theaterkanzlei herkamen. Hat ein Mitglied das Nnglück,
krank zu werden, so geht es nicht nach einer oder zwei Wochen seiner Bezüge
verlustig, soudern bekommt sie durch zehn Wochen ausbezahlt und findet
auch dann noch Wege, die nicht geradenwegs ins Elend führen wie früher.
Äbertriebenen Strafen tritt der neue Vertrag entgegen, beschränkt die Kün-
diguugsfreiheit des Theaterleiters und schenkt sie auch dem Mitgliede.
Wegen irgendeiner Nichtigkeit ist auch keine sofortige Lntlassuug mehr
möglich. Nrlaub zur Beschaffung eines neuen Engagements wird ausdrücklich
gewährleistet; weiter: angemessene Beschäftigung und ein Recht auf Ruhe;
beides scheint einander zu widersprechen, und doch ist in diesem seltsamsten
der Berufe gegen beides grausam gefehlt worden. Ein Teil des Personals
mußte gegeu seineu Willen spazierengehen, ein andrer arbeitete sich in-
zwischen halbtot.

Die Namen Gustav Rickelt und Ludwig Seelig sind mit diesen Errungen-
schaften verknüpft; man soll, man darf, man wird sie nicht vergessen, wo man
sich, vor allem an kleinen und mittleren Theatern, des freien Atemholens
erfreut. Vielleicht aber wissen es nur wir Alteren ganz zu würdigen, was
da geschehen ist; wir haben ja noch die Korsarenbriefe der früheren Iahrzehnte
unterschrieben, die uns mit Haut und Haar dem guten und dem bösen
Willen der Theateruuternehmer verkauften. Daß wir dabei aber trotz allem
glückliche Stunden und Tage hatten, wo wir uns nämlich in schönen Rollen
ausgeben konnten, daran seien die Schöpfer der neuen Verträge auch
erinnert: Gott grüß die Kunst! Sie ist keine freudlos machende Maschine
und bedars auch nicht der Bändigungen, die im Nmkreis der Maschine
am Platze sind.

Berlin Ferdinand Gregori

Heinrich Kaspar Schmid

einrich Kaspar Schmid ist ein Münchencr schaffcnder Musiker, ein gc-
VHbürtigcr Niederbayer, und heute Iahre alt.

^^Wenn man in den gangbaren Musikgeschichten der neuesten Ieit seinen
Namen nachschlägt, so erfährt man nicht sonderlich viel über ihn; etwa nur,
daß er zur sogenannten zweiten Münchener Schule gehört (als die erste gilt
die Gefolgschaft von Ioseph Rhcinberger), in den Kreis dcr Thuilleschen
Neuromantik, deren Kennzeichen sehr mannigfaltig sind, — so mannigfaltig,
daß sie ihrcn charaktcrisierenden Wert überhaupt zu verliercn scheinen. Denn

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