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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0089

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Nembrandt

/*?^er Kampf hatte lange geschwankt, da half der Untergang der Armada
I den Tapfern: nun waren die nördlichen Niederlande srei. Getrennt
von den katholischen Südprovinzen, in denen der Spanier König
blieb, entwickelte sich mit nnerhörter Schnelligkeit der kleine protestantische
holländische Staatenbund. Die Ostsee öfsnete sich seinem Handel, als die
tzansa fiel, die Ostindische und die Westindische Kompagnie brachten die
Schätze eines Kolonialreichs heim, das in dieser Zeit ohnegleichen war.
Holland herrschte über die Meere. Und während man auf dem Lande
den Degen nah zur Linken behielt, arbeitete die sreigewordene Rechte
am Friedenswerk. Religion, Wissenschaften nnd Künste beschäftigten den
einzelnen und erhielten rege Betriebe. Durch Las ganze Wesen aber ging
als ein heimliches Geisterringen der große Kulturkampf zwischen Antike
und Heimatlichkeit, von dem manche wohl deutlich genug irgendein nahes
Stück, von dem aber nnr wenige die Zusammenhänge erkannten, und den
zu keiner Zeit irgendein Mitkämpfer ganz übersehen hat. Das Mittelalter
hatte die neuen Nationen geboren, die sich setzt ins Abendland teilten.
An ihrer Wiege schon hatte die Ankike gestanden, gealtert, doch nicht ge--
storben, und in der Renaissance hatte sie sich ans dem innern Zauber
ihres Wesens heraus verjüngt. Bei den Italienern war sie eine wieder-
gefundens Verwandte, im Norden eine bestaunte und bewunderte Fremde.

Auch in dem kleinen Leyden am alten Rheine in Altholland hatte sie
ein Haus. Man hatte es ihr aufgebant zum Dank dafür, dajz sich Leyden
gar so tapser gegen die Spanier gehalten hatte, nun war die junge Nni°
versität schon eine der angesehensten unter den wenigen der Welt, und
zumal die Leib°Schutz°Wissenschaft der Antike, die Philologie, blühte hier,
wie vielleicht nirgend sonst. Daneben stritten sich wacker die Theologen,
an deren Kämpfen man im Lande gar lebhaft Anteil nahm, und bedeutende
Mediziner rührten an die so lange gescheuten Geheimnisse des Menschen-
leibes. Auch der junge Müllerssohn Rembrandt hat zu den Hörern dieser
Universität gehört. Nicht eigentlich zu ihren Kreisen, er war ja Maler.
Doch auch die Malerwelt jener Zeit stand unter den Zeichen der südlichen
Renaissance. Rembrandts Meister konnte ihm von Italien erzählen, und
wieviel Kunstgenossen noch konnten's, wenn sie zwischen den nahen Städten
in Holland wanderten. Vor den mitgebrachten Stichen, Zeichnungen und
Kopien schwärmten sie von der großen Kunst dort unten, und die HLndler
und Liebhaber führten zu eindringlichem Zeugnis südländische Original-
gemälde, Bronzen und Gipsabgüsse herum. „Tor, wer jetzt hier bleibt,
im Süden ist's Heil!" Aber der junge Rembrandt mochte nicht weg. Er
fand reichlich genug rundum zu sehen an den Lumpen der Bettler und
au den Prachtstücken aus Indien, an den Helmen und Halsbergen bei den
Schützen und an den Röcken und Mützen der Iuden, an den durchsonuten
Stuben und Kirchen, an den Menschen mit ihren Gesichtern, an seinem
eigenen, das er wie ein Schauspieler vor dem Spiegel so und so verzog,
begierig, wie nuu der Ausdruck sich wandle und mit Stift und Pinsel sich
fangen lasse. Für seine Welt brauchte er auch den Geist der historischen
Kritik nicht, der in den Humanisten-Hochschulen sich regte. Im Volke lebte
der auch noch nicht. Da zweifelte man nicht daran, daß die Griechen
und Römer im sernen Süd ebenso in Burnus und Turban einhergezogen
waren, wie die Orientalen jetzt, mit denen der Mynheer Handel trieb,

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