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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Rembrandt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0090

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die Morgenländer, bei denen auch wir tzeutigen noch so vieles finden,
wie inr Altertum, bei denen man damals alles so glaubte. Und die Hebräer
gar — hausten sie denn nicht mit ihren alten Gebräuchen vor aller Augen
noch im Ghetto? Uns Heutigen scheint's, als wäre das Bewutztsein von
Zeit zwischen dem Ehedem und Heute damals noch gar nicht aufgewacht
gewesen, so empfand man die Alten als seinesgleichen und als ihresgleichen
sich. War man doch auch unter ihren Psalmengesängen als HLuflein
Rechtgläubiger gegen die katholische Äberzahl in die Schlacht gezogen,
der Äberzeugung voll, jetzt des gleichen schützenden Gottes auserwähltes
Volk zu sein, wie einstmals jene. Man mus; sich all das im Bewußtsein
halten, will man nahe an Rembrandts Kunst heran

Der Leydener Maler kam schnell zu Namen, und man kaufte seine
Bilder. Nun zog er ins nahe Amsterdam, damals eine der ersten Groß-
städte, alles in allem im Range vielleicht von Paris. Freilich herrschte
nicht der Adel darin, sondern das Geld, das sich bis zü 50 vom sOO ver-
zinste, und das mit allem, und sei's mit Tulpen, großzügig spelülierte.
Die reichen französelnden Parvenus waren in der Nähe gesehn schwerst-
blütige Niederdeutsche mit einem Renaissanceüberzug, das Volk war wohl
bierfreudig und derb, aber noch ganz gesund und stark, freiheitslustig und
fromm. Dazwischen die Iuden, manche schon christlich Gebildete, die,
aus Spanien flüchtend, zum Glauben der Väter zurückgekehrt waren, die
meisten orthodox, einige freier gesinnt. Nnd all die Völkerproben aus Ost
und West, die eine große Hafenstadt sammelt. Anregungen also in Fülle!
Während Rembrandt ihrer genießt, lernt er zugleich am Porträtieren
immer mehr, das am Zaume der Wirklichkeit zu halten, was etwa irrlichte-
lieren will. Nnd es sind Leute der besten Kreise, die er malt. Auch feinste
geistige Bereicherung bringen ihm Freunde. Geld verdient er in Fülle.
Wenn die Schätze aus aller Welt und Zeit sein Malerauge aufs höchste
reizeri, so hat er nun auch die Mittel, als Liebhaber und Kenner zu sammeln.
Sein Ruf wird nach und nach zum Ruhm. Nnd als ihm ein reiches
Mädchen, das er leidenschaftlich liebt, die Hand reicht, da, in der Ehe mit
Saskia, tritt er auf die Höhe seines Erdenglücks.

Lin Iahrzehnt lang zieht er stolz droben hin wie auf sinem Gebirgs-
kamm inr hellsten Licht. Aus Augenblicke einmal tollt er schier im Äbermut,
manchmal wird er auch wohl von den bunten Höhenblunren iir die Irre
gelockt, aber immer ist er schnell wieder dort, wo sein Weg geht, serner,
eben der Rembrandt-Weg. Lebensfreude jubeln alle seine Bilder aus
dieser Zeit, derbe nach Art der andern Reichgewordenen (aber die bringt
er nicht recht heraus, denn sie entspricht ihm nicht), äußerliche an denr
Zierat, der andern die Sache scheint (aber bald gibt er den auf) — er
arbeitet, von Not enthoben, nur was er mag. Das aber mit dem Ernst
des zwingenden Triebes. Nnd seine Malerei entdeckt neue Ziele.

Am Ende dieser Periode steht der höchste Hochgesang auf das Licht, den
je ein Maler gesungen hat: die Scharwache.

Da geschieht das uns kaum Begreislichs: seine Besteller — sind enttäuscht.

Es ist in demselben Iahr (6H2, in dem seine Saskia stirbt.

And schon beginnt sein Weg, der Weg in die „Welt" von damals, sich
zu senken. Bald fragt man nach seinen Bildern nicht nrehr so, wie bisher.
Hauszuhalten versteht er auch nicht. Es geht langsam nrit dem Vernrögen
rückwärts. Er arbeitet nach wie vor mit unermüdlichenr Fleiß, aber die
Mode zieht langsam von ihm weg. Ihr nachzuschleichen, ist er nicht der
 
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