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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1919)
DOI Artikel:
Clemen, Paul: Der österreichische Kunstausverkauf
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0294

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Der österreichische Kunstausv erkauf

Die Gemeinde der deutschen Kunstfreunde ift durch Gerüchte geschreckt
worden. die den Bestand vieler unserer öffentlichen Kunstsammlungen ge--
fährdet erscheinen lassen. Der Fall der Großherzoglichen Gemäldegalerie in
Oldenburg gab das erste Signal. Trotz des Protestes des Landes und der
Offentlichkeit war es nicht möglich, zu verhindern, daß der Großherzog
einen großen und materiell den kostbarsten Teil der Galerie an das Ausland
veräußerte, und diese Sammlung, die seit s866 im eigenen Gebäude, dem
Augusteum, untergebracht, nie anders als eine öffentliche angesehen worden
war, war damit in ihrem Bestand überhaupt bedroht. Die großen deutschen
Zeitungen haben in den letzten Wochen die Anzeige gebracht, daß Mobiliar
und Kunstwerke aus dem bisherigen Königl. Schloß zu Stuttgart Lsfentlich
zum Verkauf gestellt werden, damit die schlimmste Hefe der neuen Gattung
der Kunstnobs sich mit königlichem Besitz schmücken könne. Die Eingeweihten
sorgen sich dazu um die Folgerungen, die die Auslegekunst der Entsnte aus
verschiedeneu Paragraphen des Friedensvertrages ziehen könnte, umd blicken
voll Zweifel auf unsere großen deutschen Sammlungen. Der Ausschuß des
Tages für Denkmalpflege, der in diesem Sommer um eine Reihe der vor-
nehmsten Kunstfreunde, um eine Anzahl unserer ersten Kunstgelehrten und
führenden Architekten vermehrt worden ist, hat in zwei Resolutionen an
die Nationalversammlung und an die Reichsregierung wie an die Landes-
regierungen vor der Verschleuderung unserer bisher in sürstlichem Besitz
befindlichen Kunstwerke gewarnt und hat schleunigen Erlaß eines Kunstaus-
fuhr-Verbotes in der bescheidenen Form einer Kunstausfuhr-Er-
schwerung für gewisse Gattungen von Kunstwerken, gefordert, wie solche
als Rotgesetze im vorigen Winter nicht nur Österreich, sondern auch Tschecho-
Slowakien und die Sowjetrepublik erlassen haben.

Was aber jetzt in Österreich vorgeht, ist tausendmal - inschneidender,
gefährlicher und weitreichender, als was in Deutschland an die Sffentlichkeit
gekommen ist. Wir sind mit unseren eigenen Sorgen überlastet, geneigt, un-
seren österreichischen Brüdern diese Bürde zu überlassen, die ganze Frage als
eine ausschließlich Wiener finanzpolitische Maßnahme anzusehen und unser
Gewissen dadurch zu beruhigen. Wir übersehen dabei aber, daß es sich eben
um eine Frage handelt, die im höchsten Sinne grundsätzliche Bedeutung
hat, die eine furchtbare Ansteckungsgefahr in sich trägt und die wilde Be-
gehrlichkeit und rücksichtsloseste Ausnutzung einer Notlage auf der einen
Seite, auf der anderen Seite unverantwortliche Verschleuderungsneigung
zur Befriedigung momentaner Bedürfnisse entfesseln könnte. Nur unklare
hat, die eine furchtbare Ansteckungsgefahr in sich trägt und die wilde Be-
fchichte dieses unheilvollen Planes ist so erschütternd, daß ganz Deutschland
^irsache hätte, sich darum zu kümmern, und daß die deutschen Kunstkreise
fich verpflichtet fühlen müßten, sich hier zum Worte zu melden: nostra
res oPtui'.

Wie liegt der Fall? Österreich will seine staatlichen Kunstwerke
und Sammlungen auf den Markt werfen. Daß Österreich daß Wien
ausverkauft, daß nirgendwo der Kunsthandel so blüht wie dort, legitimer
und verschämter, das weiß die Öffentlichkeit längst. Schon im Sommer hörte
nran es flüstern von großen finanziellen Koups, die die Sachwalter d<;s
nenen Österreichs mit dem Verkauf des ehemaligen Habsburgischen Kunst-
gutes machen wollten. Es ist im ganzen Sommer in den neuen Ämtern
und in den Kommissionen hin und her verhandelt worden und plötzlich kam

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