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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Rembrandt
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0095

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Leuten? Wo ihre Spur, die das an ihm bis zu einer A,rt von Achtung
rügten, was wirklich Menschenschwäche war? Aber wieder: war es sein
Verdienst, was er uns gab? War es abhängig von seinem Willen?
Er spendete Herrlichkeiten, wie der Eichbaum den Samen für Eichbaum-
geschlechter: weil er nichts Geringeres geben konnte, als er gab. „Wenn
ich mich rühme," hat später ein eitler Dichter gesagt, „rühm ich dann
mich oder in mir den göttlichen Gast?" Rembrandt hat sich, seit er reif
ward, in keinem Sinne des Wortes mehr „gerühmt". Wir wissen nicht
einmal, ob sein verschwiegener Stolz es ahnte, auf wie Großes er hätte
stolz sein können. Gläubige sagen: er ging durchs Leben als der bescheidene
Träger einer göttlichen Mission. Ungläubige bestaunen in ihm die Macht
des Triebmäßigen im Künstlergenie, das ihnen wie ein untrüglicher Instinkt
erscheint. Zwar gibt es heute noch Männer, die, wie der große Burckhardt,
das Verneinen der formalen Menschenschönheit durch Rembrandt und Ahn-
liches in seinen Werken als eine Art Pöbelgeist empfinden, den sie als
Kultur-Aristokraten bedauern. Auch wir würden es sehr bitter beklagen,
wenn jene formale Schönheit getötet bliebe, deren höchsten Ausdruck
für uns die griechische Antike gewann. Der große Kulturkampf zwischen
„Hellenen und Barbaren" wird weitergehn, denn was man da „Barbaren-
tum" nannte und nennt, ist ästhetische, sittliche und religiöse Macht wie
der Hellenengeist, ist Kraft des Nordens, welcher schon die Gotik schuf,
ist Kraft der Innerlichkcit, die für Neuerfühltes Sprache suchte. Freilich,
das alles sind nur Worte, Worte für Vorgänge und Verhältnisse, an
deren Geheimnissen wir allesamt noch außen herumtasten. Was uns gewiß,
ist nur das unmittelbare Erlebnis vor dem Werk. Dem aber, dem das
bei Rembrandt geworden ist, steht er als mächtiger Offn'er neuer Tore
Zu jenem Zukunfts-Menschenreiche der „Erfüllung" da, in dem das Häß-
liche verklärt und das Innerliche Erscheinung werden soll. A

Lose Blätter

Aus Iosef Pontens Noman ^Der babylonische Trrrrn"

sÄltere Kunstwartleser werden sich aus der Vorkriegszeit an Iosef Ponten
erinnern. Hätte er nur jenes eine Werk, den satten, vollgehaltigen Land-
schaftsroman „Siebenquellen" geschrieben, so müßte sein Name allen Auf-
merksamen im Gedächtnis sein. Nach manchem Iahr tritt er nun wieder mit
einem starken Romanband „Der babylonische Turm" hervor. Wieder
fesselt er den Leser zuerst durch die ungewöhnliche Kraft, mit der er aus
dem Vollen heraus einen Auftritt, ein paar Gestalten hinstellt. Keine
vorbereitenden Betrachtungen, kein psychologisches Linienziehen. Man schlägt
auf, und sogleich sieht man den kraftvollen, mittellosen Baumeister Groß-
johann in seinem ärmlichen Zimmer dasitzen, neben ihm seine Frau, nüchtern,
aber zäh und tatkräftig. Und nun zeigt er ihr das Werk seiner Phantasie, den
Plan eines riesenhaften, vielstöckigen Turmes, der Klöster, Gärten, Säle,
Kirchen, Denkmalhallen, Bibliotheken, Palasträume und hundert anderes
m sich birgt. Ia, der Mann hat einen Kopf, hat Ideen, hat den großen
Zug des Schaffenden — auch den Willen? Schon nach sünfzig Seiten
hat Hermann Großjohann die ersten Sprossen der Leiter hinter sich; er ist
Unternehmer, ein Straßenzug ist sein Werk, Geldleute, Spekulanten, Ar-

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