Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1919)
DOI Artikel:
Bonus, Arthur; Keyserling, Hermann: Die Aufgabe
DOI Artikel:
Migge, Leberecht: Großstadtfriedhöfe als Kulturmale
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0189

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Was in Deutschland durch diesen Krieg zerschlagen ist, liegt überall
arn Boden und wird in der Zukunft nicht mehr Bedeutung erlangen. Deutsch-
land hat hier auf diesem Gebiet durch seine Niederlage einfach einen großen
Vorsprung. Denn der Sieg erzieht in den Westvölkern die Eigenschaften,
welche in der Zukunft nichts mehr bedeuten werden, zum Äbergewicht. Wir
könnten hier noch einmal Ersüllungsvolk im großen Sinn werden. Die
Schlichtheit, die in der Zukunft ausschlaggebend sein wird, wird den Deutschen
besser stehen als Hofluft und industrielles Protzentum.

In den großen UmwLlzungen kommt das Heil von denen, welche am
tiefsten gelitten haben. Der Sieg hat die Ententestaaten psychologisch und
ideell um gut fünfzig Iahre zurückgeworfen, ja reaktionär gemacht. Die
Behandlung, die Deutschland erfahren hat, macht aus ihm einen Märtyrer
großen Stils, und es gibt nichts Mächtigeres auf der Welt. Deutschland
aber hat nicht einmal eine eigentliche Wandlung durchzumachen; von
Fichtes geschlossenem Handelsstaat über Bismarcks unextensive, sich selbst
genügende deutsche Einheit zum sozialistischen Staatswesen ber Zukunft
führt eine grade Linie; nur Wilhelms li. Protzenstaat ist als ein Zwischen--
eingekommenes auszusondern.

Deutschland kann noch auf mancherlei Wege ganz zugrunde gehen.
Es kann in Anarchie Selbstmord üben — daran kann wie den einzelnen,
so auch ein Volk niemand hindern —, es kann auch M stark geschwächt
werden oder gar eine Reaktion erleben, die es um die Erfüllung seiner
eigentlichen Aufgabe betrügt, es kann schließlich fremden Idealen verfallen
und etwa amerikanisiert werden. Geht es aber unbeirrbar seinen eigenen
Weg, so hat das Schicksal es jetzt der Stunde entgegengeführt, die in einzig--
artigem Sinn feine Stunde ist. Möchte es sie nicht verfehlenl

Hermann Graf Keyserling

Großftadtfriedhöfe als Kulturrnale*

^>s^er heutige großstädtische Friedhof scheiterte als Kulturdenkmal
(-4 jbisher an dem unübersehbaren, willkürlichen Mosaik seiner Gestal--
^ tungen. Man hat erfolglos versucht, zu reformieren durch Natur--
eindrücke im ganzen (landschaftlicher Friedhof), oder durch Beeinflussung
der Einzelformen (Verschönerung und Typisierung der Denkmäler usw.).

Ich lege nun einen Entwurf für Magdeburg vor, der das Äbel an der
Wurzel fassen will. Er will die Massen ordnen und Technik und Kult
verjüngen. Zu diesem Zwecke sieht er zunächst einmal Gleichheit der
Grabstellen nach Lage, Bepflanznng und Abzeichen vor; einheitlichen Schmuck
aller Gärten, Beschränkung der Gedenkzeichen auf das Nötigste, Trennung von
technischen Handlungen (Totengräber) und Kulthandlungen (Gedenklauben).

Nach Wiederherstellung eines folchen „Nrzustandes" kann auf--
gebaut werden. Nun erst können alle Einheiten diejenige Zurückhaltung
in der Erscheinung und Einfachheit in der Form erfahren, die für großs
Eindrücke und künstlerische Absichten Vorbedingung ist. Statt des bis--
herigen „krampfhaft monumentalen" Friedhoses entsteht sölcherart ein
Totengarten — Grab, Pflanze und Bauwerk in einem.

'Wir möchten uns vor dem Mißverständnisse wah-^en, als wünschten wir nur
Friedhöfe der von Migge hier empfohlenen Art. Dafür dürfte anch Migge selbst
kaum sein- Iedenfalls halten wir unsererseits auch andere Typen für sehr be--
rechtigt, bei denen das Individuelle, das „Persönliche" der einzelnen Gradstätten
in höherem Maße zur Geltung kommt. K.--L.

(50
 
Annotationen