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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Kulturpropaganda
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Anders, Ernst Imm.: Neuere Dramen 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0127

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land sich erheben kann. Noch aus ihr, aber auch nur aus ihr, La wir aller
äußeren Machtmittel beraubt sind. Nochmals: alles müssen wir daransetzen,
um unsre Kultur selber durchzuhalten.

Was geschieht da?

Man darf nicht ungerecht sein und mehr verlangen, als geschehen kann.
Geschehn ist ja wahrhaftig seit der Revolution recht viel, verändert, hingelegt
und aufgestellt. Aber es rächt sich jetzt, daß man rechts im Wahne, innsre
Staatseinrichtung sei herrlich, und links unter der Suggestion der „mecha-
nistischen Geschichtsauffassung" den Gedanken einer Volkswirtschaft mit
Geistesgut nicht nachgegangen ist. Was solche Gedanken für den Sozialis-
mus bedeuten, das ist von dessen Denkern noch gar nicht durchgearbeitet
worden, geschweige, daß Erkenntnisse darüber durch Agitation und politische
Erziehung in die Massen verbreitet wären. Wir gleichen da noch den
Mcnschen im Halbschlaf, die sich wie gelähmt fühlen, wenn sie sich gegen
den Alb aufrichten wollen, der vielleicht nichts als eine verschobene Stepp-
decke ist. Weg endlich mit der kapitalistischen Einstellung gegenüber dem
Kultur-Albdrücken! Befreit die Pflege der gesamten Kulturgüter endlich
von der Beherrschung durchs „Geschäft", wie ihr die Schule doch schon so
lange von ihr besreit habt. Befreit Buch, Bühne, Kino, Konzertsaal, Zei-
tung und was sonst den Menschen geislig nähren und erfreuen kann, cnd-
gültig von den Nnternehmerberrieben auf Gewinn!

„Aber das brauchte Zeit!° Ia, ihr Spöttelnden, die brauchte es. „Und
Geld!" Aber weniger als alle die Lummen, die man jetzt sür Zigaretten,
für Kaffee und sonstiges hinauswirst, was nur reizt und nicht nährt. „Nnd
Kraft!" Aber in einer Anweirdung, di« als Arbeit schon selber erfreuen und
stärken würde. Vor allem: macht euch und den andern das Ziel bewußt
und laßt an seiner inneren Anschauung wenigstens eure Phantasie
genesen. Ihr werdet staunen, wie schon diese Aussicht stärkt, die Aussicht
ins gelobte Land. Und erkennt: ein Deutschland, das mit dem Auf-
gebote seiner besten Kraft daran arbcitet, die Kulturpflege aller Art von der
ofsenen vder hcimlichen Gängelung durchs Geschäst zu befreien, ein solches
Deutschland braucht dann gar keinc „Kullurpropaganda" mehr. Nicht gar
lange, so würden die Fortgeschrittensten aller Völkcr in ihm den Vorarbeiter
für die Erlösung des Menschengeistes sehn. Lin Iahrzehnt, und sie würden
beginnen, diesen Dorarbeiter auch ihrer Zukunft — zu lieben. A

Neuere Dramen 3

HssNendet sich unser Blick dem lustigen Bereiche zu, so fällt er auf cine
^^„Groteske" Alexanders von Gleichen-Rußwurm, welche
„Die Lwigen" heißt (O. Neichl, Darmstadt). Ist das Lustspiel zum Lächeln,
die Komödie zum Lachen, der Schwank zum Lachcn aus vollem Halse, so
die Groteske zum Schreien vor Lachen, nicht wahr? Gleichen-Rußwurm
»reint es aber ganz anders. Mit einem Blick umfaßt er das Geschick
der ganzen Mcnschheit. „König Mensch" herrscht da mit seiner „Frau
Gewohnheit". Da kommt „Falkerich", der Menschheitbeglücker, und vermählt
ihn mit dem Sternenkind Pandora, die ihm Liber, den sreien Sohn, gebiert.
Gin goldnes Zeitalter bringt die Herrliche mit, Glück und Frohsinn;
Schwerter wandcln sich in Pslüge, Arbeit in Lusk; aber in Frau Gewohnheits
bösem Dienst bemächtigt sich „Frau Mode" dcr neuen Gewohnheiten, Aus-
ruhr folgt aus übergroße Lust, die Menge entringt Pandoren ihr himm-

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