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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1919)
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Schumann, Wolfgang: Gespräch über Kopfarbeiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0239

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Gespräch über Kopfarbeiter

eute geht es wohl ketnem Stande so schlecht, wre dem der Kopfarbeiter.
M^Denken Sie . . .

„Verzeihung, daß ich unterbreche. Aber einen S tand der Kopfar-
beiter kenne ich nicht. Der Summe der sogenannten Kopfarbeiter fehlen
alle Merkmale eines »Standes«. Es gibt zwar eine ziemlich beträchtliche
Anzahl von Kopfarbeitern, aber sie gehören ganz verschiedenen »Ständen«
und Berufen an/

Schlecht geht es ihnen trotzdem!

„Nicht allen! Wenigstens nicht allen schlechter, als vergleichsweise gewissen
Gruppen von Nicht-Kopfarbeitern. Denken Sie an einige Kategorien von
Privatbeamten, von Kaufleuten, von Ingenieuren — sie leben nicht relativ
schlechter als früher, immer vergleichsweise gesprochen."

Aber denken Sie an die Gruppen etwa der Pastoren, der Oberlehrer,
der freien Geistesarbeiter, will sagen: Schriststeller! Denen geht es nahezu
unerträglich, auch vergleichsweise gesprochen.

„Warum sprechen Sie so gereizt darüber? Es geht vielen Leuten elender
als je.«

In diesen FLllen liegen aber doch besondere Umstände vor.

»Gewiß, jede Gruppe hat ihr Besonderes. Die Tabakarbeiter haben nichts
zu tun, die Eisenbahner sind ständig überanstrengt, die Gastwirte sind ge°
zwungen, fich an Schiebungen zu beteiligen . .

Scherzen Sie nicht! Ich spreche von einem bitter ernsten Notstand.

„Ich auch! Aber worin liegt das »Besondere« z. B. beim Oberlehrer-
stand?«

Nun, dieser Stand kann sein Einkommen nicht so erhöhen wie andere
Gruppen, er leidet relativ sast unerträgliche Not.

„Und worauf führen Sie das zurück?"

Man schätzt die geistige Arbeit nicht genügend ein!

„Diese Wendung hört man jetzt oft. Und doch ist sie kaum richtig. Wer
sind diese »man«, die geistige Arbeit nicht schätzen? Unsere aus Klerikalen,
Demokraten und Sozialdemokraten bestehende Regierung? Das wäre doch
erst noch zu beweisen. Geäußert hat sie jedenfalls niemals etwas von Ge°
ringschätzung geistiger Arbeit, oft aber das Gegenteil."

Aber sie handelt nicht dementsprechend. Vielleicht glaubt sie auf die
Massen Rücksicht nehmen zu müssen.

„Sie meinen, die Massen schätzten geistige Arbeit gering? Sehen Sie, das
glaube ich nicht. Wer mit Arbeitern Fühlung hat, wird Ihnen stets bezeu-
gen, daß der größere Teil von ihnen, sofern er nicht gerade verhetzt ward, eine
eigentümliche Scheu, ja Ehrerbietung vor geistiger Arbeit hat. Nur auf
dem Lande finden Sie das seltener, aber das Land hat doch sicher auf die
Regierung nicht viel Einfluß in dieser Sache, da ja schon der Einfluß des
städtischen Proletariats sehr gering ist."

Wie erklären aber Sie die Lage, deren Mißliches Sie ja zugeben.

„Bezüglich der Oberlehrer? Einmal: der Beruf ist überfüllt. Das ist
Schuld der früheren Regierung, nicht der jetzigen, wenn wir schon von Schuld
und von Regierungen und nicht lieber von Lebensordnungen sprechen
wollen. Man hatte Geld und Interesse für tzeer und Flotte, aber iaum
viel für Derufsberatung und Schulwesen..."

Ietzt sind Sie „gereizt"!
 
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