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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1919)
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Avenarius, Ferdinand: Kulturpropaganda
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0125

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Kulturpropaganda

llcrhand Wohlmeinende fordern jetzt deutfche Kulturpropaganda, klarer

gesagt: Propaganda für die hochschätzung deutscher Kultur bei den
^^andern. Wir sollen dem Auslande zeigen, daß wir keine Barbaren,
bewahre, daß wir Kultur-Hauptkerle sind. Zeigen sollen wir's ihnen.
Nicht das Licht unter den Scheffel! Hwltet es hoch und lockt damit! Was
haben nicht insbesondere die Franzosen durch ihre Kulturpropaganda er--
reicht?

Hier wäre der Irrtum Nummer Eins: bek der Kultur°Propaganda
für ein Volk müsse die besfere Kultur siegen, eben weil sie die bessere ist.
Die siegt da, die eingänglicher und angenehmer ist. Und will
irgendwer bestreiten, daß im Tingeltangel, im Kino, im Schwank, im
leichten Lustspiel, im Plauder-Feuilleton, in der Unterhaltung überhaupt
die Franzosen eingänglicher und amüsanter sind als wir, und nicht nur sie?
Daß wir da nicht fo eingänglich und so amüsant sind, kommt erstens von
unsrer Plumpheit: wir sind nun einmal kein Volk, das sich leicht
und anmutig bewegt. Es kommt zweitens von der Iugend unsrer Kul-
tur. Die französische ist seit Iahrhunderten über alles, was „gebildet"
sein oder scheinen wollte, wie ein Firnis gestrichen worden, also glänzt
sie natürlich auch überall. Ls kommt drittens gerade von unserm Drang
in die Tiefe. Ansre Kultur verlangt gerade bei ihren besten Gaben ein
Eindringen, ehe man sie versteht, sie verlangt nicht nur Amüsierwillen, son°
dern Willigkeit, Mitarbeit, Ernst. Ich rede immcr von unsrer besten, der
alten, der cchten deutschen Kultur. Will man damit „deutsche Kulturpro-
paganda" treibcn — und jetzt? And übrigens: wir sind in unsrer Kul-
tur heruntergekommen. Schwerlich mchr als die andern, aber euch nicht erst
seit gestern. Weder in London, noch in Paris, Rom und New Pork hat
der Geist der Ldelsten dcr Völkcr ihre Politik regiert, aber bei uns doch
auch nicht. Warcn es die Reformcr, die aus des großen Friedrich, oder
die aus Weimars, oder die aus dcs Freiherrn von Stcin Geschlecht, welche uns
rcgierten? Nicht bloß in unsrcr Politik, auch in unsrer Kultur taten sie's
schon vor dem Kriege nicht mehr. Sondern von den Alteren zahlten viele

9?

t- Novembcrheft tyi!» tXXXIII, 3)
 
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