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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1919)
DOI Artikel:
Liebert, Arthur: Rudolf Euckens "positiver Idealismus"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0132

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Nudolf Euckens „positiver Jdealismus"

^oo^er Wandel in der philosophischen Arbeit und Kultur der Gegenwart
/ kommt unter anderm auch darin zum Ausdruck, daß die Philosophie
unsrer Zeit ein immer klarer und übersichtlicher sich gestaltendes Bild
gewährt. Allmählich beginnen die einzelnen Richtungen, sich in ihrem
Wollen und in ihren Leistungen deutlicher voneinander abzugrenzen,- die
großen und entscheidenden Linien, die ganze Gruppen philosophischer Be-
wegungen zusammenfassen, treten immer stärker hervor. Die zahlreichen
philosophischen Schulen, Lehr-- und Forschungsrichtungen ordnen sich um
bestimmt bezeichnete Forderungen, Probleme, Methoden. Innerhalb dieser
lebhaften philosophischen Gesamttätigkeit ist es nun besonders die Stellung--
nahme zur Metaphysik, ist es die Auffassung von ihrem Recht und Wert,
von ihrem Sinn und von ihrer Geltung, die eine solche sammelnde und zu-
sammenfassende Bedeutung in sich trägt. Diese so lang und so oft als tot
erklärte Wissenschaft fängt an, die Geister wieder mit anhaltender Teilnahme
zu beschäftigen. Man könnte von hier aus die Gesamtbewegungen in der
heutigen Philosophie geradezu dahin einerseits zusammensassen, anderseits
unterscheiden, daß sich die eine Gruppe von Philosophen der Gegenwart
mit Entschiedenheit gegen die Wendung zur Metaphysik stemmt, während
die andere mit nicht geringerem Nachdruck für diese Wendung eintritt, die
Möglichkeit, ja Notwendigkeit, das Recht und den positiven Sinn der Meta-
physik lebhaft verteidigt. Nngefähr übereinstimmend mit dieser Nnterschei-
dung ist die, die jene Gesamtbewegung in eine ausgesprochen rationalistisch-
logistische und in eine mehr spekulativ, ja intuitiv vorgehende Entwicklungs-
reihe einteilt.

Unter den Vertretern und Hauptführern der mehr im spekulativen Sinne
arbeitenden Wendung zur Metaphysik nimmt bekanntlich Rudol fE ucken
eine hohe Stellung ein. In zahlreichen Arbeiten hat er bereits vielbeachtete
Beiträge zur Metaphysik geliefert. Den umfassendsten und wohl am weitesten
ausladenden Beitrag bietet er nun in seinem jüngsten, hier angezeigten
Werk.* Es weist nach Inhalt wie Form alle Eigentümlichkeiten des Eucken-
schen Denkens auf. Zu seinen Vorzügen gehören in erster Linie die Weite
und Großzügigkeit der Betrachtung, die Größe und die Kraft der Konzep-
tion, die echt philosophische Leidenschaft in der Durchführung der Gedanken
und die Besonnenheit und Gerechtigkeit der Urteile auch über diejenigen
Denker oder Richtungen, zu denen sich Eucken in einem gewissen Gegensatz
fühlt. Es handelt sich in dieser Hinsicht vornehmlich um Vertreter rationali-
stischer und logistischer Denkweise, wie Descartes, Leibniz, Hegel. Er pflegt
dem Intellektualismus den Einwand zu machen, daß er dahin neige, die
Wirklichkeit zu verflüchtigen, so daß zur Eindämmung dieser Gefahr die
Heranziehung einer andersartigen, gehaltvolleren Welt, als das Denken,
erforderlich werde. Mit jenen unverkennbaren Vorzügen verbindet fich in
formaler Hinsicht aber eine Schwäche insofern, als der Darstellung nicht selten
eine gewisses Maß an Nnbestimmtheit anhaftet. Die um ihrer Tiefe und
ihres Gehaltes willen höchst anziehenden Ausführungen entbehren bis-
weilen der logischen Festigkeit und Entschiedenheit. Doch kann es wohl
sein, daß Eucken mit Vorbedacht solche in großer Allgemeinheit gehaltenen
Wendungen aufnimmt, um dadurch der Allgemeinheit des ihm vorschweben-

* Rndolf Eucken, „Mensch und Welt". Eine Philosophie des Lebens.
Quelle L Meher, Leipzig, lM. Geh. jv.-- Mk., geb. j2.— Mk.
 
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