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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1919)
DOI Artikel:
Troeltsch, Ernst: Aristokratie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0075

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Aristokratie

heutigL deutsche Demokratie oder demokratische Staatsordnung ist
/keiueswegs das Ergebnis der Revolution, sie ist vielmehr in der Haupt-
sache das Gegengift gegen die Revolution gewesen. Die letztere war
eine Militär- und Arbeiterrevolte und steuerte unter mindestens geistigem,
zum Teil auch materiellem und organisatorischem Einfluß der Russen auf
die tzerrschaft des städtischen Proletariates los, die erst über lange Amwege
Hinüber, über die Proletarisierung von Bildung und Besitz und über dis
Bolschewisierung des Landvolkes hinüber, auf eine Ordnung der Gesamt--
nation abzielte. Die letztere lag für die Revolution in ziemlich weiter
und blasser Ferne, das erste und klare Ziel war die Klassenherrschaft des
städtischen Proletariats und damit die Linderung der Not aus dem Besitz
der zahlreichen vermuteten Reichen; die mittleren und kleineren Besitzenden,
auf die nicht viel ankam, konnten dabei mit über die Klinge springen.
Diesen Plänen trat aber sofort allenthalben die demokratische Idee, d. h.
die Idee der gleichen und gerechten Beteiligung aller Volksgruppen an der
Lenkung und Gestaltung des feiner bisherigen Führung beraubten Staates,
entgegen. Die Sozialdemokratie fing zuallererst den Stoß auf und erklärte
sich in musterhafter Besonnenheit für die Demokratie, indem sie diese als
den Weg ansah, über den hinüber sie bei ihrer Stärke und Werbekraft
auch ihre sozialen und wirtschaftlichen Gedanken unter mehr oder minder
freiwilliger Mithilfe der Äbrigen würde schließlich verwirklichen können.
Der von der Sozialdemokratie gebotene Ausweg wurde sofort auch von
dsn Äbrigen in der Tat benützt. Die alten Liberalen schufen, wenn auch
unter Ausscheidung der Stresemannschen Nationalliberalen, eine große
demokratische Partei, die auf diese Gedankengänge sofort ihrem Wesen
nach eintreten konnte. Das Zentrum konstituierte sich, nachdem die Adolf-
tzoffmannsche Kirchenpolitik ihm drohende Spaltungen hatte überwinden
helfen, gleichfalls als demokratische Volkspartei und beseitigte seinen aristo-
kratisch-konservativen Flügel; auch es konnte in die neuen politischen Wege
derart leicht und aufrichtig einmünden, natürlich mit den selbstverständ-
kichen konfessionellen Vorbehalten. Auch die nationalliberalen Reste und

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Oktoberheft <XXXIII, r)
 
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