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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1919)
DOI Artikel:
Anders, Ernst Imm.: Neuere Dramen 1
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Gregori, Ferdinand: Das Theater und die Revolution
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0027

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literarischer Eindrücke aus der Zeit von Goethe bis zn Tieck. Läge hier das
Rätsel, warum dieses Stück so wenig dauernde Freunde fand? Sollte
unsere Zeitgenossenschaft so empfindlich sein gegen das Teil Epigonentum,
das neben Schöpferischem in Geucke wirkt, obwohl solches Teil-Lpigonentum
wahrlich „besser" ist als die vermeintlich hoch-eigenpersönliche, ganz und
gar zeitgenössisch-moderne Selbständigkeit so vieler, die daneben nichts
Schöpferisches in sich tragen? Hier liegt ein seltsames Rätsel. In jedem,
Fall: wer sich von überhitzter Vorliebe für das Neueste frei weiß, sollte
eine Probe mit Geucke machen; auch das Theaterpublikum so mancher
Stadt würde feine Freude daran haben. (Fortsetzung solgt)

Das Theater und die Nevolution

^^«^irgends war der Revolution so gut vorgearbeitet worden wie am
i Theater und nirgends hat man beim allgemeinen Rmsturz so fehl-
^ ^gegriffen wie hier. Man jagte etwa künstlerisch gesinnte Theaterleiter
weg und die aristokratischen Intendanteir, die, wenn auch ohne rechte Fach-
kenntnis, doch noch einigermaßen künstlerische Spielpläne durchgeführt hatten,
und ließ doch Leute an der Spitze, die ein ganz gemeines Geschäft aus dem
Theater machten. Beides war bequem, das Tun und das Unterlassen.
Der vom Hofe eingesetzte Intendant saß nur sehr locker, als der Hof auf-
flog, aber um die freien Theaterpächter loszuwerden, die zum Teil wirklich
Aussauger sind, hätte man eine Weile ohne fadenscheinige Dekorationeü
und Kostüme spielen oder künstlerische Gründe ins Trefsen führen müssen,
und für sie war die politische Revolution kein Gerichtshof. So begnügten
sich die Darsteller hier mit einer bescheidenen Gagenaufbesserung, die bei
dem glänzenden Geschäftsgang für den Nnternehmer wenig bedeutete, ja
wohl durch eine Erhöhung der Eintrittspreise mehr als wettgemacht werden
konnte, und robotteten mit zwei, drei armseligen Proben in der Tretmühle-
weiter: Höhepunkt waren Operette und zynischer Schwank, Abgrund der
Unwürdigkeit die Aufführung eines klassischen Stückes; die einen für die
Kriegsgewinnler, das andre für Kinder und sonstige Arme im Geiste.
Die wahrhaft Kunsthungrigen gingen leer aus.

Theater, die vom Hof oder Staat mit einer halben Million unterstützt
wurden und wo sich die Angestellten in künstlerischer und wirtschaftlicher
Beziehung wohlfühlen konnten, wechselten so die Firma und — verlangten
vom Staat einen noch höheren Zuschuß, aber andre Theater gleichgroßer
Städte, die durch ihre Aufführungen den Begrisf Kunst karikierten, dafür
jedoch dem Privatunternehmer vielleicht hunderttausend Mark Reingewinn
brachten, blieben in ihrem abscheulichen Treiben ungestört.

Wie geht das zu, fragt der Laie, daß in der einen Kasse aim Iahresschlusse
ein Minus von einer halben Million, in der anderen ein Plus von
hunderttausend Mark ist? Bei gleich großen Städten, unter gleichen wirt-
schaftlichen Verhältnissen der Besucher! Antwort: Diese sechshunderttausend
Mark Iknterschied machen schlechtweg das Konto Kunst aus, für das in
den Büchern der meisten Anternehmer keine einzige Seite offen ist.

Gewiß, es wurde an gutgestellten Hoftheatern für Dekorationen und
Kostüme oft inehr ausgegeben, als ersprießlich und nötig war; und ander-
seits bringen die Reinhardtbühnen in Berlin hie und da mit wenig Geld-
mitteln ausgezeichnete Bühnenbilder zustande. Das hängt eben vom Leiter
des Ausstattungswesens ab: der phantasievollste ist nahezu der billigste;
 
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