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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

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Heft 3 (1. Novemberheft 1919)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0141

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den, rnüßten sie sofort kehrt nrachen und froh sein, mit heiler tzaut über
die hohen Schneeberge zurückzukommen. Aber mit nichten. Wir begeg--
neten ihnen auf der großen Ebene des Po. Soweit man blicken konnte,
war nichts als Pferde zu sehen, Rosse mit Reitern, die in eiserne Hemden
oder auch in Tierfelle gekleidet waren. Der Erdboden erdröhnte von ihren
Hufschlägen, und die Luft zitterte von ihrem Wiehern, vom Geschrei der
Reiter und vom Schall der Hörner, so daß man meine Hymnen gar nicht
mehr hören konnte.

An ihrer Spitze aber schritt ein mächtiger schwarzer Hengst; der hieß
Attila. Der hatte einen Reiter aufgesetzt, der so mit goldigen Schuppen
über und über bedeckt war, daß er aussah wie ein vergoldetes Krokodil.
Aus seinen blutroten Nüstern schnaubte dies furchtbare Roß Dampf und,
wenn es in Wut geriet, sogar Feuer, welches die Städte anzündets;
darum stiegen auch überall Rauchsäulen auf, den ganzen Horizont entlang,
und bisweilen schlugen die Flammen empor, und der Himmel gen Norden
zu war schwarz. Wo aber seine Hufe getreten hatten, dort wuchs kein
Gras mehr. Diesen Attila kannst du übrigens selber sehen, wenn du auf die
Wiese links, wo die großen Weißpappeln stehn, hingehst, denn dort grast er
jetzt. Den Asphodelen schaden aber seine tzufe nichts, und überhaupt ist er
seit jenem Tage, wo er mich kennen lernte, weniger furchtbar geworden.

Als wir nun in die Nähe des Angetüms kamen, fühlte ich wohl, wie der
Papst auf meinem Rücken zitterte,- und die Kardinäle wollten mich zurück--
Halten, denn sie waren mit Recht um meine Sicherheit besorgt. Ich
aber trat beherzt heran, stellte mich ihm gegenüber und sah ihm fest in
die Augen. Diesen ruhigen Blick erhabenster Majestät vermochte jener
schnaubende, stampfende Barbar nicht auszuhalten, denn er drehte sich als--
bald und ging nordwärts zurück, und ihm folgten die unzähligen Hunnen--
rosse. Also hab' ich das heilige Italien und meine ewige Stadt vor Anter--
gang geschützt, und deshalb siehst du mich mit Recht geehrt. Ia, das war der
große Tag meines Erdenlebens! Wer einen solchen gehabt hat, der lebt da--
von eine ganze Ewigkeit. Aber das wirst du freilich nicht verstehen können."

„O doch!" sagte das Eselein — „ach, ich verstehe dich so gut! Hab' ich
doch selber solch einen großen, schönen Tag erlebt, dessen vergesse ich gewiß
nie."

„So? Das wird wohl was Herrliches sein — aber warum erzählst du's
denn nicht gleich?"

„O, davon erzähle ich gern, wenn du es hören willst."

„Warum nicht? Ich habe gerade im Augenblick nichts vor."

„Du mußt nämlich wissen", hub das Eselein an, „daß ich in einer Mühle
unfern Ierusalem lebte, das eine sehr heilige Stadt ist."

„Ich weiß", sagte das Maultier. „Nicht so heilig wie mein Rom,
aber doch heilig genug. — Was war's also mit der Mühle?"

„Die Mühle wurde von zwei blinden Maultieren getrieben, und ich
mußte jeden Tag mit den Mehlsäcken nach Ierusalem traben — der Mül-
lersknecht setzte sich auch auf und schlug mich immer furchtbar mit seinem
Stock, das tat so weh — ich war auch recht mager, denn ich bekam nur
wenig zu esssn, und sein Stock hatte solche große Knoten — ach, tat das
weh! — Aber dich hat man wohl nie geschlagen?"

„Doch, als ich noch ganz jung war — das gehört zur Erziehung", ver-
setzte das Maultier mit Würde. — „Na also — was du da berichtest, klingt
nicht gerade nach etwas sehr Großem."
 
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