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Kunstwart und Kulturwart — 33,1.1919-1920

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1919)
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Bonus, Arthur: Friedfertigkeit: über eine Hauptschwerigkeit unsrer nationalen Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14436#0290

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seligkeit unter allen Umständeu, sondern einer bestirnrnt gemeinten — einer
auf Erhöhung der Menschheitsstufe gerichteten — Friedfertigkeit, was hat
es unter den gegebenen bestimmten nationalen Amständen innerer und
äußerer Art für Aussichten? Sind die Völker, die uns umgeben, in ihrer
geistigen Art fähig, ein auf Schwertmacht schlechthtn verzichtendes Volk
unter sich zu dulden, ohne seine Friedfertigkeit zur Helotisierung, zur Ver-
sklavung zu mißbrauchen? Ist die Verkündigung einer Friedfertigkeit um
jeden Preis wahrhaftig und würdig, da man doch unmöglich, selbst für die
eigene Person nicht, ernsthaft an eine Friedfertigkeit der unbedingten
Knechtsäligkeit denken kann? geschweige für sein ganzes Volk. Kann man
ernsthaft voraussetzen, daß ein ganzes Volk, das eben noch setne ganze
Kraft in einem vierjährigen Krieg gezeigt hat, wie die Weltgeschichte wenige
geseheu hat, daß ein solches Volk ernsthaft zu bedingungsloser Sklavenarbeit
bereit ist? Das mag für eine Zwischenzeit der Erschöpfung sein, aber für
immer? Andrerseits wäre die Verkündigung einer Friedfertigkeit um jeden
Preis nicht geradezu eine Ausforderung zu ihrem Mißbrauch durch die
Amvölker, ja eine Prämiierung solchen Mißbrauchs? Könnte die Prokla--
mierung solcher Friedfertigkeit überhaupt ernstgenommen werden? Müßte
sie nicht wie eine Hinterlist aussehen? — Wofür sie denn auch von unsern
Feinden vielfach gehalten wird!

Was zunächst die erste Frage betrifft, ob die Umvölker reif dazu sind,
eine folche Art Friedfertigkeit zu respektieren, so ist eine eindeutige Ant--
wort mit ja oder nein daraus nicht möglich. An sich war die Bereitschaft
bei der allseitigen Erschöpfung aller Kräfte nach vierjährigem Kriege so
groß wie möglich, — aber die deutsche Revolution hat die Gründe dieser
Bereitschast weggeschafft. Sie sägte den Ast durch, auf dem ihre Zukunft
saß. Man kann ihr das ins Schuldbuch schreiben; nur kann sie antworten,
daß sie selbst vielmehr erst die natürliche Folge der völligen Blindheit
unsrer Kriegsparteien war. Und so kann der Ball der Schuld hin- und
hergeworfen werden. Das hat keinen Zweck. Antersuchen wir lieber, ob
noch ein Ausweg in die Zukunft bleibt. And das scheint nicht unmöglich.
Eine eintretende Allgemeinverarnrung unsrer abendländischen Welt könnte
nrachen, daß die Aussicht, auf Deutschlands Kosten zu leben, sich den En-
tentearbeiterschaften als Atopie enthüllt und daß dann ein Amschwung
erfolgt. Wenn dann Deutschland als Vertreterin des Weltsriedens noch
einigermaßen in Ehren dasteht, so könnte die von Wilson selbst eingezogene
Fahne einer ehrlichen Völkerversöhnung wieder gehißt werden. Dies ist
die eine Möglichkeit, auf die wir uns und unsre Iugend vorzubereiten
haben.

Die andre Möglichkeit bleibt aber leider auch in Kraft, die Möglichkeit,
daß unsre Ilmvölker sich dauernd dem Ideal der positiven Friedfertigkeit
verschließen. Deutschland würde dann wie materiell, so auch ideell aus
seinem Zusammensturz nichts gewonnen haben, als die traurige Genug-
tuung, durch sein Schicksal eine Lehre für andere geworden zu sein,- noch
dazu eine sehr niederschlagende Lehre. Es hätte den abschließenden, über-
Zeugenden Beweis geliefert, daß für unsre Zeit ein ehrlicher Völkerfriede
uoch unmöglich ist. Für diesen Fall nun ist es natürlich, daß unser Volk
sich mit dieser Genugtuung nicht begnügt. Es wird dann irgendwie die
Fesseln zu sprengen suchen. Wir möchten nicht verantworten müssen, es
für eine solche mögltche Zukunft innerlich unfähig gemacht zu haben. Das
aber wäre der Fall, wenn wir eine Friedfertigkeit um jeden Preis in unsre
 
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