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Die Kunstwelt: deutsche Zeitschrift für die bildende Kunst — 2.1912-1913

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Lux, Joseph August: Kunst und Moral
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https://doi.org/10.11588/diglit.21776#0464

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KUNST UND MORAL. VON sind. Wahrheit, auch wenn sie fanatisch wird,
JOS. AUG. LUX, MÜNCHEN. ist Gärend und reinigend und immer moralisch,
besonders dann, wenn sie die mit Vorurteilen
Es ist ja so lächerlich, wenn man der gepanzerte Prüderie über den Haufen rennt.
Kunst mit der Moral kommt — wozu denn So entpuppt sich der scheinbare Immoralist Frank
überhaupt? Kunst ist doch von Natur aus Wedekind, in richtiger Distanz gesehen, als leiden-
moralisch, besonders dann, wenn sie nicht moralisiert, schaftlicher Moralist. Indem er die Prüderie
Sie ist moralisch, selbst indem sie das Gemeine, und Lasterhaftigkeit der Gesellschaft entschleiert,
das Häßliche, das Abstoßende darstellt. Nicht wirkt er nicht sittenverderbend, sondern sitten-
nur wenn sie entzückt, auch wenn sie entsetzt reinigend, sein kühl sachlicher Ton ist im Grunde
und erschüttert, weil sie auf jeden Fall irgend ein Wahrheitsfanatismus, der erhebender wirkt
ein Geistiges enthüllen will. Jedes echte Kunst- als die schönste Sonntagspredigt,
werk ist von dieser höheren Lebensluft durch- Der Künstler ist immer der Träger großer
weht, darauf beruht seine sittliche Wirkung, die Gedanken, die von Gott gewollt sind, sein Schaffen
immer etwas Geistiges ist. Also! Die dämo- ist der Religion verwandt und darum mit der
nischen Fratzen und Spukgestalten mittelalterlicher Ethik wurzeleins und ist der Ausdruck des un-
Bildner, die Phantome auf Notre Dame de Paris, endlichen Geistes, der sich in jeder individuellen
die Blocksberg - Phantasie eines Höllenbreughel Form, der schönen wie der häßlichen, offenbaren
und die vor keiner Grausigkeit zurückschreckende kann, kurz der Ausdruck des Göttlichen. Wer
Charakterisierungskunst Goyas wirken auf alle Fälle aber wollte so gotteslästerlich sein, zu behaupten,
sittlich, weil sie das Häßliche und Dämonische dieses Göttliche sei nicht moralisch? Wo ist der
künstlerisch überwinden und dadurch auf innere Staatsanwalt, der endlich einmal die Kunst gegen
geistige Höhen führen, wo das Schlechte keine solche Anwürfe in Schutz nimmt?
Macht gewinnt. Goethe hat seinen Faust weniger *

Faust's wegen geschrieben, als des Mephisto Die Sache wird erst bedenklich, wenn das

wegen, der das Böse will und das Gute schafft, Kunstwerk anfängt, bewußt moralisierende Ten-

bis zu einem Grade, daß es geradezu erbaulich denzen zu verfolgen. Die Entgleisung ins Ver-

ist, und die Künstler, die das Nackte dargestellt logene ist da fast nicht mehr zu vermeiden,

haben, konnten durch nichts moralischer wirken Durchaus unmoralisch ist jede unechte süßliche

als durch diese Wahrheitsfreude, von Rubens kitschige Kunst, auch wenn sie nicht das Nackte

und Tizian bis Hodler und Klimt, dessen naturalis- oder das Obscöne zum Inhalt hat; es ist nahe-

tische Skizzen nur für den Spießerverstand peinlich liegend, daß Moralisierungstendenz gerade zum

REITER IM WALD. SILHOUETTE

HEINRICH WOLFF-KÖNIQSBERG-P

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