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Lampe, Peter
Ad ecclesiae unitatem: eine exegetisch-theologische und sozialpsychologische Paulusstudie — 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48669#0160

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155

ausführlich oben; später werden wir den Gerichtstopos auch im
psychologischen Zusammenhang der Aggressions-Bewältigung
behandeln).
Paulus wollte gerade durch solche Bewusstseinsbeeinflussung·
in Korinth die gefährdete Einheit wiederherstellen.
Wir könnten darüber hinaus noch allgemeiner formulieren:
Nicht nur diese sich inhaltlich direkt oder indirekt auf die
Einheit beziehenden theologischen Aussagen unseres ersten
Hauptteils wirken als Bewusstseinsinhalte kohäsionsfördernd,
indem sie das Verhalten der von ihnen überzeugten Menschen
beinflussen. Sogar jede beliebige theologische Überzeugung ist
kohäsionsfördernd: zwar nicht mehr inhaltlich ein
einheitsförderliches Verhalten motivierend, aber doch formal
Leute sozial zusammenbindend, eben weil diese dieselben
Überzeugungen teilen: Jede geteilte Überzeugung hat soziale
Wirkkraft und zeitigt Folgen für die Kohäsion, ganz unabhängig
davon, ob der jeweilige Bewusstseinsinhalt Einheit
thematisiert oder nicht oder ob der jeweilige theologische
Bewusstseinsinhalt eine Wirklichkeit spiegelt oder blosse
Illusion ist. Über letzteres kann und will eine
sozialpsychologische Analyse keine Aussage machen.
Über die Kohäsionskraft der im paulinischen Christentum
lebendigen und von der Umwelt zugleich hinreichend
unterschiedenen theologischen Bewusstseinsinhalte - der
gemeinsamen Glaubens-Überzeugungen und -Traditionen, Werte,
Normen, auch der die gemeinsamen Überzeugungen ausdrückenden
Symbole und Rituale, kurz der dort entstandenen Subkultur, die
den paulinischen Gruppen eine "distinctive identity" gab - hat
ausführlich Meeks 1983, 90-94. 104-105 (cf. auch 164 ff. 140
ff) gehandelt. Mit dieser Subkultur schufen die paulinischen
Christen sich eine neue "social reality", an der sie sich und
ihr Verhalten in der komplexen Welt der
hellenistisch-römischen Städte orientierten. Beim Begriff
"social reality" greift Meeks auf Berger, Luckmann und Deutsch
zuruck (91 Anm.91); sie stellt einen Konsensus der Gruppe
darüber dar, wie die Realität wahrzunehmen und zu deuten und
welches Verhalten im Angesicht der gedeuteten Realität am
geeignetsten sei. Auf Meeks’ Seiten sei verwiesen.
Wir wollen hier nur auf wenige Stellen blicken, die
demonstrieren, dass das gemeinsame Credo nicht nur unbewusst
den Zusammenhalt stärkte, sondern von Paulus auch bewusst zur
Kohäsionsförderung eingesetzt wurde. In Röm 1,3f zitiert
Paulus eine judenchristliche Credo-Formel, um den Römern zu
signalisieren, dass er - obwohl ihnen fremd - auf demselben
Wurzelboden wie sie steht. Der Rückgriff auf gemeinsame
Glaubenstradition soll zum Ausgangspunkt des Einvernehmens
zwischen Paulus und den Römern werden. - Paulus weist darauf
hin, dass alle Gemeinden dieselbe Verkündigung empfangen haben
 
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