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Lampe, Peter
Ad ecclesiae unitatem: eine exegetisch-theologische und sozialpsychologische Paulusstudie — 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48669#0287

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282

Gehen wir noch einmal zurück zum Problem der Führung; es wird
diesmal freilich nicht um Paulus’ Leiterverhalten gehen,
sondern um das urchristliche Bewusstsein, dass der_
Auferstandene der Kirche-κ ό p i ο ς ist. ~
Bereits Freud wies in "Massenpsychologie und Ich-Analyse"
(1921) darauf hin, wie wichtig die Rolle des Führers für den
Gruppenzusammenhalt ist. Freud entfaltete in dieser Schrift
sein Konzept der Identifizierung, um sozialen Zusammenhalt zu
erklären. Er wies auch darauf hin, dass im Bewusstsein der
Kirchenglieder natürlich nicht Apostel oder Bischöfe, sondern
Christus selber als eigentlicher Leiter fungiert. Es lohnt
sich, ein kleines Stück an dieser Schrift entlangzugehen;
Kirche und Armee werden in ihr immer wieder zur Illustration
herangezogen.
Studienausgabe IX, 88f: "In der Kirche... gilt., die..
Vorspiegelung.., dass ein Oberhaupt da ist - .. Christus .. -,
das alle Einzelnen der Masse mit der gleichen Liebe liebt. An
dieser Illusion hängt alles; liesse man sie fallen, so
zerfiel., sofort, soweit der äussere Zwang es gestattete" die
Kirche. "Von Christus wird diese gleiche Liebe ausdrücklich
ausgesagt: 'Was ihr getan habt einem unter diesen meinen
geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan’. Er steht zu den
Einzelnen der gläubigen Masse im Verhältnis eines gütigen
älteren Bruders, ist ihnen ein Vaterersatz. Alle Anforderungen
an die Einzelnen leiten sich von dieser Liebe Christi ab. Ein
demokratischer Zug geht durch die Kirche, eben weil vor
Christus alle gleich sind, alle den gleichen Anteil an seiner
Liebe haben. Nicht ohne tiefen Grund wird die Gleichartigkeit
der christlichen Gemeinde mit einer Familie heraufbeschworen
und nennen sich die Gläubigen Bruder in Christo, das heisst
Bruder durch die Liebe, die Christus für sie hat. Es ist nicht
zu bezweifeln, dass die Bindung jedes Einzelnen an Christus
auch die Ursache ihrer Bindung untereinander ist." Freud nennt
alles zusammen die "libidinöse Struktur" (89) der Kirche.
90: "Merken wir an, dass... jeder Einzelne einerseits an
den Führer (Christus..), andererseits an die anderen
Massenindividuen libidinös gebunden ist" - wobei erstere
Gefühlsbindung gegenüber den anderen die primäre ist (94). 92:
"Mit der Bindung an den Führer schwinden - in der Regel - auch
die gegenseitigen Bindungen der Massenindividuen." 93: Es
stellen sich dann ein "rücksichtslose und feindselige Impulse
 
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