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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0232

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Inhalte und Methoden

221

VII.3.2 Höfisches Wissen
Ein Fürst musste in der Lage sein, sich an seinem eigenen und auch an
auswärtigen Höfen angemessen zu verhalten und seinen Rang durch Sprache,
Haltung, Gesten, Kleidung und andere symbolisch aufgeladene Handlungen
zu repräsentieren.^?" Bereits als Kind und Jugendlicher nahm der Fürst eine
exponierte Stellung im kaum zwischen privater und öffentlicher Sphäre
unterscheidbaren Kosmos Hof ein.'27' Früh musste er in der Lage sein, sich
gegenüber Rangniederen, Ranggleichen oder Ranghöheren angemessen zu
verhalten und seinem Stand entsprechend zu repräsentieren. Das weitest-
gehend erst Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts in Form von
Hofordnungen fragmentarisch verschriftlichte Zeremoniell umspannte alle
höfischen Lebensbereiche.^2
Wie die an junge Fürsten vermittelten adligen Wissenskorpora generell,
so ist auch das höfische Wissen in den Quellen schwer zu fassen. Noch
stärker als die körperliche Erziehung und Ausbildung ist es ein Bereich, der
sich der Verschriftlichung im Untersuchungszeitraum weitestgehend
verschließt. Bedingt sein dürfte dies dadurch, dass es sich nicht nur um ein
nichtschriftliches, sondern zu einem erheblichen Teil auch um ein nonver-
bales Feld handelte, in dem Gesten, Haltung und Kleiderfarben über richtiges
oder falsches Verhalten entschieden. Es fällt daher schwer, einen inhaltlichen
Kanon abzustecken. In vielerlei Hinsicht überschneidet sich das höfische
Wissen mit dem Herrschaftswissen, etwa wenn es um das angemessene
Verhalten gegenüber Niederrangigen oder die Wahl der richtigen Sprach-
modi bei diplomatischen Verhandlungen ging.
In den Quellen wird höfisches Wissen in der Regel als fürstliche oder
höfische Zucht, Sitte oder Tugend bezeichnet. Genannt wird es meist im
Zusammenhang mit Aufenthalten an auswärtigen Höfen.'273 Dies bedeutet
aber keinesfalls, dass nur in der Fremde entsprechendes Wissen erworben
werden konnte.^ Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen forderte seinen

3270 Zum deutschen Hochadel SPIEß, Kommunikationsformen im Hochadel. Die non-verbale
Kommunikation am Hof, hauptsächlich auf Grundlage literarischer Werke, untersucht WENZEL,
Hören und Sehen, S. 27
3271 Zur schwierigen Unterscheidbarkeit der öffentlichen und privaten Sphäre am
spätmittelalterlichen Hof AUGE/SPIEß, Hof und Herrscher, S. 9. Generell zum Gegensatz von
Öffentlichkeit und Privatheit im Mittelalter MOOS, Das Öffentliche und Private im Mittelalter.
Zur literaturwissenschaftlichen Perspektive siehe etwa THUM, Öffentlichkeit und
Kommunikation im Mittelalter; SCHANZE, Die Konstruktion von höfischer Öffentlichkeit. Zum
fragwürdigen Schluss von HABERMAS, Strukturwandel der Öffentlichkeit, insbesondere S. 54-67,
es habe in Mittelalter und Früher Neuzeit nur in begrenztem Maße eine Öffentlichkeit gegeben,
siehe aus der Fülle der Literatur nur ALTHOFF, Demonstration und Inszenierung; GESTRICH, The
Public Sphere and the Habermas Debate.
3272 Zur Entwicklung des höfischen Zeremoniells RAHN, Hofzeremoniell.
3273 siehe hierzu die Beispiele in Kapitel IV.
3274 Vielmehr ist zu entsprechenden Aufenthalten schlichtweg eine größere Zahl von Quellen wie
Briefe erhalten. Siehe hierzu Abschnitt 1.5.
 
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