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Müsegades, Benjamin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Fürstliche Erziehung und Ausbildung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 47: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34762#0269

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Kapitel VIII

Inanspruchnahme von Pfründen an Domkapiteln in der Regel die Ableistung
des zweijährigen MenmMms an einer Universität voraussetzte, war der Besuch
einer Hohen Schule bis zur Reformation - für katholische Fürsten auch noch
danach - eine Möglichkeit, Fürsten eine geistliche Karriere als Domherr offen
zu halten. Die Gründe für die Auswahl einer Universität lassen sich selten
klar benennen. Die Entsendung der Herzoge Otto und Ernst von
Braunschweig-Lüneburg und Barnim IX. von Pommern nach Wittenberg am
Anfang des 16. Jahrhunderts zeigt exemplarisch, dass die Nähe zum
kur sächsischen Hof ein wichtigerer Faktor war als die Bedeutung des
örtlichen Generalstudiums. Insofern konnte ein Universitäts- auch
gleichzeitig ein Hofaufenthalt sein. Innerhalb der Hohen Schule hatten junge
Fürsten eine her aus gehobene Stellung, was sich in der Wahl ihrer
Unterbringung, Adelsrektoraten oder der Exemption von der universitären
Gerichtsbarkeit ausdrückte.
Während der Aufenthalt an einem Generalstudium für die meisten
später herrschenden Fürsten die Ausnahme war, wurde der weit größte Teil
von ihnen bis zu ihrem Regierungsantritt zu Erziehungs- und
Ausbildungszwecken mindestens einmal an einen auswärtigen Hof geschickt.
Der in den Quellen durchscheinende Dienstgedanke verbindet hierbei zwei
nicht in allen Fällen voneinander zu trennende Arten von Aufenthalten.
Gemein war beiden Varianten des Diensts, dass sie eng mit dem Erlernen des
meist als Tugenden, Zucht und Sitten bezeichneten höfischen Wissens ver-
bunden waren.
Die Wahl eines entsprechenden Hofs war immer auch ein »politisches
Signal« (Karl-Heinz Spieß). Die entsendende Familie knüpfte oder bekräftigte
hierdurch Verbindungen mit auswärtigen Herrschern. Der aufnehmende Hof
sicherte sich mit dem jungen Fürsten, der zur Erziehung und Ausbildung
entsandt wurde, einen potenziellen späteren Parteigänger. Die beiden
zentralen Faktoren, die die Auswahl eines konkreten Hofs bestimmten, waren
vor allem der Rang des entsendenden und des aufnehmenden Hofs sowie
eventuell bestehende Verwandtschaftsverhältnisse. Die Bemühungen gingen
dahin, Söhne an möglichst bedeutende Höfe zu schicken. Vom Rang und
Prestige her am unteren Ende des Reichsfürstenstands einzuordnenden
Häusern, wie den Fürsten von Anhalt oder den gefürsteten Grafen von
Henneberg-Schleusingen, standen dabei potenziell eine Vielzahl von
ranghöheren Höfen zur Entsendung offen. Kurfürstliche Häuser, wie die
pfälzischen Wittelsbacher, die brandenburgischen Hohenzollern oder die
sächsischen Ernestiner, hatten hingegen wesentlich weniger Möglichkeiten,
höherrangige Höfe zu finden.
Für den gesamten Reichsfürstenstand lässt sich die deutliche Tendenz
erkennen, Söhne vor allem an weltliche Höfe in der Region oder an weiter
entfernt lebende Verwandte zu entsenden. Für zukünftige Kurfürsten bestand
in der Regel nur die Möglichkeit, an den römischen Königs- beziehungsweise
Kaiserhof oder an den Hof eines bedeutenden ausländischen Herrschers zu
gehen. Dies wurde auch von anderen reichsfürstlichen Familien angestrebt,
aber wesentlich seltener erreicht. Originäres Ziel eines Aufenthalts in der
Fremde waren selten Heiratspläne oder die Hoffnung auf die Sukzession im
 
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