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Kapitel VII
wie ein junger Fürst etwa Sprechen und Laufen erlernte, und insgesamt zum
weiten Bereich mündlicher Unterweisungen fehlen weitestgehend Quellen.
Die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten durch die Imitation von
Verhaltensweisen kam vielfach wahrscheinlich nicht nur ohne Schrift,
sondern auch ohne mündliche Kommunikation ausV^ Nur punktuell lässt
sich zudem die Auswirkung der den Fürsten umgebenden höfischen Welt mit
ihren vielfältigen Einflüssen auf die Inhalte von Erziehung und Ausbildung
fassenVia Dieses »unconscious schooling« hat in den Quellen nur wenige
Spuren hintedassenV? Wann genau ein Fürst sich einen einzelnen
Wissensbestand aneignete, ist zudem häufig nicht rekonstruierbar.
Theoretisch war es zu jedem Zeitpunkt des Lebens möglich, etwas zu
erlernen.
Die folgenden Untersuchungen konzentrieren sich daher auf jene
Bereiche der Erziehung und Ausbildung, zu denen Quellen Auskunft geben
können. Eingangs wird die Vermittlung religiösen Wissens, welches die
Kenntnisse von Inhalten, Ritualen und Handlungsweisen der christlichen
Religion und ihre Ausübung umfasst, betrachtet. Anschließend wird das
adlige Wissen untersucht, welches die durch körperliche Erziehung und
Ausbildung erlangten Wissensbestände und Fertigkeiten, das Wissen um das
angemessene Verhalten am Hof und das Herrschaftswissen umfasst. Alle drei
Bereiche beinhalten das Wissen um deren jeweilige Inhalte, Anwendung und
damit zusammenhängende Rituale. Körperliche Erziehung und Ausbildung
beinhalten dabei die Aneignung und Meisterung von Fertigkeiten und
Fähigkeiten, welche in der Regel ein sportliches Training voraussetzen. Das
höfische Wissen bezieht sich auf die Kenntnis von Gesten, Sprache, Zeichen,
Kleidung und anderen symbolischen Kommunikationsaspekten, die das
angemessene Verhalten innerhalb des inner- und interhöfischen Kosmos
ermöglichte. Ebenfalls einen Bezug zum eigenen Hof sowie zur außerhö-
fischen Sphäre hat das Herrschaftswissen, welches das Wissen darüber und
die Fertigkeiten dazu, Macht auszuüben, zu verhandeln, zu teilen und damit
Herrschaft gegenüber anderen auszuüben, beinhaltet.
Anschließend steht das gelehrte Wissen im Fokus, welches in der Regel
die universitär ausgebildeten Präzeptoren ihren fürstlichen Schülern
vermittelten, namentlich die lateinische Sprache und damit zusammen-
hängend die Lese- und Schreibfähigkeit in der Volkssprache. Nachfolgend
wird das Erlernen des Griechischen betrachtet. Anschließend wird die
Vermittlung von rechtlichem Wissen in den Blick genommen. Als eigene
Punkte werden abschließend das weder innerhalb des adligen noch des
gelehrten Wissens zu verortende Lernen weiterer Fremdsprachen wie
Französisch sowie Musik untersucht. Immer wieder überschneiden sich die
1215 Allgemein zur Schwierigkeit, Inhalte adliger Erziehung und Ausbildung, die nicht
verschriftlicht wurden, zu fassen, siehe auch KRUPPA, Zur Bildung von Adligen im nord- und
mitteldeutschen Raum, S. 161.
1215 Zur Bedeutung der höfischen Umgebung auch DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, S. 62-63.
1212 Zur Begrifflichkeit des »unconscious schooling« anhand der Erziehung und Ausbildung der
Herzoge von Geldern NlJSTEN, In the Shadow of Burgundy, S. 130.
Kapitel VII
wie ein junger Fürst etwa Sprechen und Laufen erlernte, und insgesamt zum
weiten Bereich mündlicher Unterweisungen fehlen weitestgehend Quellen.
Die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten durch die Imitation von
Verhaltensweisen kam vielfach wahrscheinlich nicht nur ohne Schrift,
sondern auch ohne mündliche Kommunikation ausV^ Nur punktuell lässt
sich zudem die Auswirkung der den Fürsten umgebenden höfischen Welt mit
ihren vielfältigen Einflüssen auf die Inhalte von Erziehung und Ausbildung
fassenVia Dieses »unconscious schooling« hat in den Quellen nur wenige
Spuren hintedassenV? Wann genau ein Fürst sich einen einzelnen
Wissensbestand aneignete, ist zudem häufig nicht rekonstruierbar.
Theoretisch war es zu jedem Zeitpunkt des Lebens möglich, etwas zu
erlernen.
Die folgenden Untersuchungen konzentrieren sich daher auf jene
Bereiche der Erziehung und Ausbildung, zu denen Quellen Auskunft geben
können. Eingangs wird die Vermittlung religiösen Wissens, welches die
Kenntnisse von Inhalten, Ritualen und Handlungsweisen der christlichen
Religion und ihre Ausübung umfasst, betrachtet. Anschließend wird das
adlige Wissen untersucht, welches die durch körperliche Erziehung und
Ausbildung erlangten Wissensbestände und Fertigkeiten, das Wissen um das
angemessene Verhalten am Hof und das Herrschaftswissen umfasst. Alle drei
Bereiche beinhalten das Wissen um deren jeweilige Inhalte, Anwendung und
damit zusammenhängende Rituale. Körperliche Erziehung und Ausbildung
beinhalten dabei die Aneignung und Meisterung von Fertigkeiten und
Fähigkeiten, welche in der Regel ein sportliches Training voraussetzen. Das
höfische Wissen bezieht sich auf die Kenntnis von Gesten, Sprache, Zeichen,
Kleidung und anderen symbolischen Kommunikationsaspekten, die das
angemessene Verhalten innerhalb des inner- und interhöfischen Kosmos
ermöglichte. Ebenfalls einen Bezug zum eigenen Hof sowie zur außerhö-
fischen Sphäre hat das Herrschaftswissen, welches das Wissen darüber und
die Fertigkeiten dazu, Macht auszuüben, zu verhandeln, zu teilen und damit
Herrschaft gegenüber anderen auszuüben, beinhaltet.
Anschließend steht das gelehrte Wissen im Fokus, welches in der Regel
die universitär ausgebildeten Präzeptoren ihren fürstlichen Schülern
vermittelten, namentlich die lateinische Sprache und damit zusammen-
hängend die Lese- und Schreibfähigkeit in der Volkssprache. Nachfolgend
wird das Erlernen des Griechischen betrachtet. Anschließend wird die
Vermittlung von rechtlichem Wissen in den Blick genommen. Als eigene
Punkte werden abschließend das weder innerhalb des adligen noch des
gelehrten Wissens zu verortende Lernen weiterer Fremdsprachen wie
Französisch sowie Musik untersucht. Immer wieder überschneiden sich die
1215 Allgemein zur Schwierigkeit, Inhalte adliger Erziehung und Ausbildung, die nicht
verschriftlicht wurden, zu fassen, siehe auch KRUPPA, Zur Bildung von Adligen im nord- und
mitteldeutschen Raum, S. 161.
1215 Zur Bedeutung der höfischen Umgebung auch DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, S. 62-63.
1212 Zur Begrifflichkeit des »unconscious schooling« anhand der Erziehung und Ausbildung der
Herzoge von Geldern NlJSTEN, In the Shadow of Burgundy, S. 130.