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Clemens Holzmeister, Wien. Hotel „Post" in St. Anton. Ansicht gegen Osten
CLEMENS HOLZMEISTER
Unter den neuen Arbeiten von Professor Clemens Holz-
meister, die wir im vorliegenden Hefte abbilden, werden vor
allem die — durchwegs katholischen — Kirchen die Auf-
merksamkeit des Lesers finden. Denn sie behandeln einen
heute nur wenig gepflegten Gegenstand. Und sie behandeln
ihn auf eine ungewöhnliche, männlich klare und bestimmte
Weise, die man im Voraus vielleicht am besten kennzeichnet,
wenn man sie das gerade Gegenteil vom Artistischen nennt.
Die Kirchen Holzmeisters sind sachlich beherrscht. Selbst
gegenüber der Mystik des Kultes, dem er hier dient, wahrt
er eine bemerkenswerte Enthaltsamkeit. Jedenfalls zieht er
es vor, aufrichtig zu bleiben, um nur ja nicht in die billigen
Künste einer ihm naturfremden Mystifikation zu verfallen.
Schon diese Selbstbehauptung angesichts einer dogmatischen
Norm, die andere, weniger kräftige Naturen zur Selbstent-
äußerung veranlaßt, hat Charakter und legt im Grunde die
Haltung aller hergehörigen Bauten fest.
Es sind Entwürfe einer Friedhofskapelle für Bozen, einer
Pfarrkirche für Lustenau, einer zweiten für Bludenz, einer
Krieger-Gedächtniskirche für Leipzig-Connewitz und einer
im Bau begriffenen Kirche in Blankenese bei Hamburg. Die
Bauorte liegen in sehr verschiedenen Gegenden, in den öster-
reichischen Alpen, im mittleren Deutschland und endlich nahe
der deutschen Küste. Der Baumeister nimmt diese Ver-
schiedenheit des Bodens und des Menschenschlages wahr.
Selbst einander so nahe kommende Formen wie die für
Bozen und Blankenese erscheinen das eine Mal bündig mit
dem Gebirge verbaut, im andern Fall dem Zug der Ebene
und dem offenen Himmel fühlbar angeglichen. Und eine
ähnliche Unterscheidung wird man bei der geschlossenen,
aus breitem Unterbau prismatisch ansteigenden Kirche in
Vorarlberg gegenüber der geöffneten und schärfer durch-
geteilten Anlage in der Leipziger Ebene wiederfinden. Der
Künstler ist weder sprunghaft noch auch beweglich, er hält
die Glieder beim Rumpfe, die kompakte, markant zuge-
schnittene Baumasse führt das Wort. Aber innerhalb dieser
fest gefaßten Weise geht jede Form auf ihre Landschaft
ein. Fortsetzung S.74
Clemens Holzmeister, Wien. Hotel „Post" in St. Anton. Ansicht gegen Osten
CLEMENS HOLZMEISTER
Unter den neuen Arbeiten von Professor Clemens Holz-
meister, die wir im vorliegenden Hefte abbilden, werden vor
allem die — durchwegs katholischen — Kirchen die Auf-
merksamkeit des Lesers finden. Denn sie behandeln einen
heute nur wenig gepflegten Gegenstand. Und sie behandeln
ihn auf eine ungewöhnliche, männlich klare und bestimmte
Weise, die man im Voraus vielleicht am besten kennzeichnet,
wenn man sie das gerade Gegenteil vom Artistischen nennt.
Die Kirchen Holzmeisters sind sachlich beherrscht. Selbst
gegenüber der Mystik des Kultes, dem er hier dient, wahrt
er eine bemerkenswerte Enthaltsamkeit. Jedenfalls zieht er
es vor, aufrichtig zu bleiben, um nur ja nicht in die billigen
Künste einer ihm naturfremden Mystifikation zu verfallen.
Schon diese Selbstbehauptung angesichts einer dogmatischen
Norm, die andere, weniger kräftige Naturen zur Selbstent-
äußerung veranlaßt, hat Charakter und legt im Grunde die
Haltung aller hergehörigen Bauten fest.
Es sind Entwürfe einer Friedhofskapelle für Bozen, einer
Pfarrkirche für Lustenau, einer zweiten für Bludenz, einer
Krieger-Gedächtniskirche für Leipzig-Connewitz und einer
im Bau begriffenen Kirche in Blankenese bei Hamburg. Die
Bauorte liegen in sehr verschiedenen Gegenden, in den öster-
reichischen Alpen, im mittleren Deutschland und endlich nahe
der deutschen Küste. Der Baumeister nimmt diese Ver-
schiedenheit des Bodens und des Menschenschlages wahr.
Selbst einander so nahe kommende Formen wie die für
Bozen und Blankenese erscheinen das eine Mal bündig mit
dem Gebirge verbaut, im andern Fall dem Zug der Ebene
und dem offenen Himmel fühlbar angeglichen. Und eine
ähnliche Unterscheidung wird man bei der geschlossenen,
aus breitem Unterbau prismatisch ansteigenden Kirche in
Vorarlberg gegenüber der geöffneten und schärfer durch-
geteilten Anlage in der Leipziger Ebene wiederfinden. Der
Künstler ist weder sprunghaft noch auch beweglich, er hält
die Glieder beim Rumpfe, die kompakte, markant zuge-
schnittene Baumasse führt das Wort. Aber innerhalb dieser
fest gefaßten Weise geht jede Form auf ihre Landschaft
ein. Fortsetzung S.74