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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 29.1930

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Nr. 5
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Josef Hahn, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.75582#0259

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203

JOSEF HAHN, WIEN

Der Architekt Josef Hahn ist erst in den letzten Jahren mit
einer Reihe selbständiger Bauten hervorgetreten: in Wien mit zwei
Volkswohnhäusern innerhalb des kommunalen Bauprogrammes, in
Budweis mit dem von uns abgebildeten Einfamilienhaus Dr. Böhm.
Die Anlage dieses Hauses war bestimmt durch die besonderen
Wasserverhältnisse an der Baustelle. In unmittelbarer Nähe fließt
die Moldau, das Grundwasser steigt bis etwa 50 cm unterhalb des
Geländes. Infolgedessen mußte das Kellergeschoß, das die Woh-
nung des Hausbesorgers, Garage, Heizung und die Wäscheräume
enthält, beträchtlich hoch über das Terrain geführt werden. Das
Erdgeschoß zieht daraus seinen Vorteil; denn
infolge seiner Überhöhung sind hier Licht und
Luft frischer, die Sicht freier geworden. Man
wird das schon außen, am besten an dem vor-
greifenden Wintergarten bemerken können, von
dem eine eigene Wandtreppe geradewegs in
den Garten führt. Aber auch sonst werden die
Geschosse — der Wohnstock und der mit seiner
Diele durch eine Holztreppe verbundene Ober-
stock mit Schlaf-, Kinder- und Fremdenzimmern
— jeweils gegen die Terrassen hin auf eine ge-
räumige Weise aufgeschlossen, bis endlich das
flache Dach an der Ecke, überragt von dem
mäßigen Geviert des Dienerstockes, den wei-
testen Ausblick auf die Landschaft, das Tal ent-
lang und über den Fluß hinweg bis zum Mittel-
gebirge gewährt. Mit seinem einfachen bündigen
Zuschnitt, mit seiner durchsichtigen Disposition
und seiner sauber abgesetzten Gliederung macht
das schlichte, aufrichtige Haus eine gute Figur,
und dies ganz besonders inmitten einer Um-
gebung, die bisher nur das trostlose Wirrwarr
von „Stilvillen" im Provinzgeschmack gekannt
und wetteifernd verwirklicht hat.
Dem wetterbeständigen Edelputz des Äußern
(Brisolith) entspricht im Innern der durchweg
weiße Anstrich, Wände und Decken sind gekalkt,
sodaß das Korn des Mörtels überall durchkommt.
Trotzdem wirken die Räume nicht rustikal, sondern
— nach dem Sinn der Bauherrin, einer Schülerin
der Wiener Kunstgewerbeschule — städtisch
kultiviert und das vor allem infolge des sehr
gediegenen und sorgfältig behandelten Möbels.
Von Hahn entworfen und in der Werkstätte des
Architekten Karl Schimko ausgeführt, zeigt dieses
Möbel innerhalb der Diele mannigfaltige Formen
und Farben, wie es hier ja auch aus verschiedenen
Hölzern — Nuß, Eiche, Rüste und Schleiflack —
hergestellt ist, während die Einrichtungen des
Speisezimmers(Palisander) und des Schlafzimmers
(Nuß) jeweils einfacher zusammengehalten wer-
den. Aber da und dort kommt in den hellen Räumen
jedes Stück zu seiner vollen Geltung. Zwischen
das Tischlermöbel und jenes andere gestellt, das
leicht und unauffällig im Raume aufgeht, ent-
scheidet sich Hahn mit schönem handwerklichem
Eifer für die Pflege des ersteren.
Das wird man dann ganz besonders klar an
der Halle in der Wiener Villa merken können.
Die Aufgabe war hier äußerst schwierig, da der
Raum in ein altes Haus eingebaut werden mußte;
daher der von einem geschnitzten Pfeiler ge-
stützte und verschalte, von früher her vorhandene
Treppenabsatz. Aber auch hier — und hier noch
sinnfälliger als zuvor — wird der neue, entschieden

und stattlich geführte Raum mit aller Hingabe an außerordentliche
handwerkliche Leistungen zu Ende gebracht, wird der Kaminmantel
mit Reliefs behauen, der in die Wand darüber eingelassene Bücher-
schrank und ein Kästchen über der Sitzecke mit Intarsien versehen, die
Balkendecke mit einem reichen Kettenlüster behängt. Es bleibt —
trotz allem Augenmerk auf das Einvernehmen der Dinge — die Lust
an ihrer stoff- und arbeitsschönen, formverschiedenen Besonderheit.
Das heißt: Josef Hahn beginnt seinen Weg zwischen Architektur
und Handwerk, einstweilen noch der Einrichtung mehr zugetan als
dem Raume. Aber er beginnt ihn mit schönen Verheißungen. E.


Josef Hahn — Josef Suchanek, Wien. Intarsierter Bücherschrank
Die 12 biblischen Stämme
 
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