Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 29.1930

DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:
Der neue Bahnhof Montparnasse in Paris
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.75582#0665

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
549


Gesamtansicht vom Niveau der Geleise aus, die links zu dem 300 m stadteinwärts liegenden Abfahrtsbahnhof führen

DER NEUE BAHNHOF MONTPARNASSE IN PARIS
Arcli. Henri Pacon, Paris, in Zusammenarbeit mit M. Surleau, Chefingenieur der Staatsbahnen
Mit 9 Aufnahmen und 2 Plänen. Besprochen von Herbert Hoffmann

Der neue Staatsbahnhof Montparnasse in Paris ist in dem
hier gezeigten neuen Teil ein reiner Ankunftsbahnhof. Er hat
die Aufgabe, von dem sich auf bestimmte Tage und Jahres-
zeiten zusammendrängenden Verkehr von den französischen
Seebädern her die Ankunft der kinder- und gepäckreichen
Familien zu bewältigen. Aus Gründen des beschränkten Ge-
ländes ist die Abfahrt auf diesen Strecken 300 m stadteinwärts
verlegt. Der Niveau-Unterschied zwischen Geleisen und Straße
macht ein volles Geschoß aus; er wird von den Fußgängern



Oben Grundriß in Geleishöhe: Der Ausgang erfolgt durch die Sperre im Eckbau und abwärts über die große
Treppe rechts. Im Gegensinn zu ihr mündet die kleine von unten kommende Treppe, auf der völlig getrennt gelegentlich
Gesellschaften ihre Extrazüge erreichen. Unten Grundriß in Straßenhöhe: Der kleine Kreis am linken Ende der
Gepäckhalle bezeichnet die untere Mündung der Gepäckrutsche. Aus ihr fallen die Stücke auf ein laufendes Band, das
sie an den 10 offenen Ausgabebänken vorbeitührt. Maßstab 1:1000

abwärts über die in die Ausgangshalle mündende große Treppe
überwunden. (Die kleine Treppe unter ihr dient zum völlig
getrennten Einsteigen in Gesellschaftszüge). Das gesamte
Gepäck wird am Bahnsteigkopf in eine spiralförmige Rutsche
gegeben und wandert dann auf einem Laufband an den ein-
zelnen Ausgabetischen vorbei, wo es nach Numerierung aus-
gesondert wird. Es wird also ebenerdig ausgehändigt und
kann im Schutz des großen Vordaches trocken an die vor-
fahrenden Taxi gebracht werden. Die von Henri Pacon, dem
Chefarchitekten der Staatsbahnen,

gewählten architektonischen For-
men verbinden aufs glücklichste
die edle Haltung klassischer Tra-
dition mit modernen Gedanken
von Zweckmäßigkeit und klarer
Linienführung. Bemerkenswert sind
in dieser Hinsicht die 6 wirkungs-
vollen, durch die ganze Höhe des
Gebäudes verlaufenden Fenster zur
Erhellung des großen Treppen-
hausbaus, hinter die, wie auf
Seite 548 sichtbar, ohne Umschweif
das einfache Betongerüst der Trep-
penanlage gestellt ist. Gleich klare
Zweckgedanken und Freude an
dem neuen sich selbst tragenden
Material erweisen die Vordächer:
das kleine an dem übereck an-
geordneten Personeneingang und
das große mit Glaskörpern durch-
setzte Dach vor den Zugängen
der Wandelhalle und Gepäckab-
gabe. Wir sehen in Henri Pacons
Arbeiten einen Vorläufer der Ver-
feinerung, den der neue Zweckstil
überall da durchzumachen haben
wird, wo neben Erfüllung der Auf-
gabe auch eine gewisse Repräsen-
tation mit Recht verlangt wird. Dem
Architekten stand im Chefingenieur
der Staatsbahnen, M. Surleau, ein
verständnisvoller technischer Bera-
ter und Mitarbeiter zur Seite.
 
Annotationen