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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 29.1930

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Nr. 3
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Klotz, Clemens; Fieth, Jos.; Haubrich, Josef: Das Pelzhaus A. Weiss in Köln A.R.
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https://doi.org/10.11588/diglit.75582#0149

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117

diese Straße mit ihren
fliehenden Linien und ihrem
eiligen Verkehr hätte kein
Bauwerk gepaßt mit be-
wegten Konturen und aus-
ladendem, ornamentalem
Schmuck. Dem Straßen-
rhythmus ist die glatte Fas-
sade eingeordnet mit ihren
Profilen, Gesimsen und
Fensterreihen, welche alle
die horizontale Linie be-
tonen. Selbst bossenartiges
Bruchsteinmauerwerkwürde
als Unterbau in solcher
Linienflucht stören. Trotz
der großen Einfachheit ist
die Fassade keineswegs mo-
noton. Eine feine Farbig-
keit, in der Travertin des
Unterbaues und Klinker der
oberenBauzonen zusammen-
stimmen,läßtjedes ornamen-
tale Beiwerk gerne ver-
missen. An den Mittelbau
schließen sich zwei vertikal
gegliederte Seitenflügel an.
Das Hauptportal bewahrt in
feinster Weise den male-
rischen Gesamteindruck des
Bauwerkes. Die Farbigkeit
des Materials, welche über
die Fassade ausgegossen
ist, erhält in dem goldfar-
benen Gitter des Portals
einen funkelnden Brenn-
punkt. Überraschend ist der
Eindruck, wenn man durch
das Portal in das Innere


tritt. Frede ist in allen seinen Bauten streng rational. Auch hier
ergibt sich aus der Durchdringung des Quer- und Langhauses eine lo-
gi^ch-klare, zweibündige Raumeinteilung. Wie die Vierung früher
Maß und Ausgang des Raumrhythmus war, so hat bei Fredes
Bauten des öfteren die Durchschneidung des Quer- und Lang-

hauses als Vorhalle die
Formkraft abgegeben für
seine gesamte Raumgestal-
tung. Da sitzt der Aus-
gangspunkt für die Lösung
seiner Innenarchitektur, für
das Treppenhaus, die Büro-
räume, die Sitzungs- und
Repräsentationssäle, für die
gesamte Dynamik, welche
den Bau durchwaltet.
In einem solchen, .Bau
werden Technik und Ästhe-
tik „eins im Fleische". Auf
jede falsche Luxusver-
schwendung, auf jede bau-
liche Aufmachung ist ver-
zichtet, aber hinter allem
steckt jene neue Idee, die,
wie Dessauer einmal sagt,
sich nunmehr auf uns her-
absenkt, in uns nach Ge-
staltung ringt und an je-
den echten Baukünstler,
der mitarbeiten will am
Aufbau der neuen Zeit,
das ernste Gebot Michel-
angelos stellt: „in dolore
paries !"
Wie nach dem dreißig-
jährigen Kriege das deut-
sche Volk seine unerschöpf-
liche Jugendkraft in den
Großtaten des Barock be-
wies, so bringt es nun den
überzeugendsten Beweis sei-
ner ungebrochenen künst-
lerischen Zeugungskraft in
seinen modernen Bauten.

„Recissa virescit, der alte Rebstock treibt wieder neu empor",
möge dieses Wort vom Monte Cassino in der geistigen und
künstlerischen Neugeburt des deutschen Volkes seine volle An-
wendung finden in den Aufgaben, die des deutschen Architekten
harren.


Hermann Frede, Halle a. d. S. Das Bergwerks -Verwaltungsgebäude der I. G. Farben in Halle a. d. S. Front an der
Thurmstraße und Grundriß des ersten Obergeschosses. 1 :600
 
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