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die originelle Komposition des Meisters; in dem wunderbar
leichten und fein bewegten Wohnraum von Frank und Wlach
jene höchst entwickelte Schlichtheit, die unauffällig und doch
immer — immanent — rhythmisch ist; in dem Wintergarten
von Lichtblau eine freie und lebhafte Heiterkeit, in seinem
Einwohnraum die konzise Verkettung von Disposition, Ver-
nunft und Erfindung, dargetan im engsten Rahmen; in dem
Teil eines Sommerhauses und dann in dem Verkaufsraum von
Oswald Haerdtl eine hell und scharf bestimmte, ungemein
saubere Aufrichtigkeit,
vielleicht kühl und kor-
rekt, aber beides aus
strenger, bei der Jugend
des Künstlers besonders
bemerkenswerterSelbst-
beherrschung; in den
drei Räumen von Alfred
Soulek, der im Künstler-
haus und Museum die
jüngste Generation ver-
tritt, die vom Vater her
überkommene Sorgfalt
und Einsicht des Hand-
werkes, die in der Schule
Hoffmann modern ge-
reinigte und erweiterte
Konzeption und dazu
schon den eigenen schö-
nen Eifer, die eigene
zarte Empfindung, —
endlich, schon infolge
ihrer mondänen Extra-
vaganz etwas abseits, die
beiden Räume „for two"
von Wimmer mit der
kostbaren Beisteuer des
Hauses Lobmeyr, Be-
lege für die andauernde
Fähigkeit und äußerste
Verfeinerung desWiener
Luxus, der hier seine
Oswald Haerdtl — Anton Pospischil, Wien
Aus einem Sommerhaus
eingeschränkte, aber, trotz allem, fortwährende Bedeutung
mit sublimen Mitteln verteidigt.
Und überall — nicht nur in der Hotelhalle und dem Speise-
zimmer von Anton Pospischil — die schmiegsame prächtige
Arbeit der Wiener Tischler, ohne die eine so glatte Ent-
wicklung und vollkommene Verwirklichung des Künstlergeistes
nicht möglich wäre.
Zwei Anmerkungen allgemeiner Art: Das rein Räumliche,
also das Aufgehen der leichten und beweglichen Einrichtung
in der Form, Ordnung und Atmosphäre des Raumes, ein Ziel
des modernen Bauschaffens, ist überall im glücklichen Fort-
schritt. Trotzdem scheint uns im Augenblick die Gefahr einer
wesentlichen Verwechslung des Grundbegriffes gegeben. In
den vorzüglichen Fällen, vor allem bei Frank, herrscht räum-
liche Klarheit. In anderen Fällen, die sich — bis zum Übcr-
maß — der Reflexe von Spiegeln und Polituren bedienen,
herrscht Unsicherheit, mit dem verschwimmenden Raum ver-
liert auch der Mensch den Halt. Hier öffnet sich ein Abweg
ins Künstliche, dort ist Kunst.
Ferner: Erinnert man sich an die früheren Ausstellungen
im Museum, dann wird es besonders offenkundig, wie sehr
gegenüber dem lokalen Charakter ihrer Gaben jetzt eine
weltgültige Haltung vorherrscht. Das erhöht ihren Wert. Denn
es erweitert nicht nur den Kreis ihrer Wirkungen. Es zeigt
auch, daß der Innenraum
als ein integrierender
Bestandteil der Archi-
tektur denselben Weg
wie diese verfolgt: den
Weg zur Weltkunst —
persönlich und örtlich
akzentuiert, aber letzten
Endes auf die mensch-
liche Gemeinschaft, also
über die Gegenwart hin-
aus schon ins Künftige
gerichtet.
Zum Schluß: Es gibt
zweierlei Ausstellungen.
Die eine Art begnügt
sich mit dem Nachweis
des jeweils erreichten
Könnens, sie liefert ab-
geschlossene Beispiele
von tunlichster Voll-
kommenheit, darunter
selbst solche, die einen
tatsächlichen Auftrag
verwirklichen. Ihre be-
ruhigten Leistungen ru-
fen beruhigendeWirkun-
gen hervor,aber derWert
dieser Eindrücke liegt
nicht höher als der, den
ein Besuch von so und
so vielen fertigen Woh-
nungen in neuen Häusern vermittelt. Die zweite Art von
Ausstellungen hält die Qualität der dargebotenen Arbeit
ganz gewiß nicht geringer. Aber sie will — darüber hinaus —
das Bild der geistigen Bewegung, das frei und weit gespannte
Spiel der geistigen Energien. Sie ist — was nur Kurzsichtigkeit
oder Neid verkennen kann — nicht nur interessanter, sondern
auch wesentlicher und fruchtbarer. Und das sowohl für die
Aufklärung des Publikums wie auch als Ansporn für die
schaffenden Bauleute.
Die Wiener Künstler haben sich diesmal für diese zweite
Art entschieden. Es wäre zu wünschen, daß sich auch sonst
das heute vielfach irritierte Ausstellungswesen für solche Dar-
bietungen entscheide, welche die Praxis mit dem Problem,
die Werkschau mit dem grundsätzlichen Ausblick sinnvoll
und bewegend verbinden. Max Eisler
die originelle Komposition des Meisters; in dem wunderbar
leichten und fein bewegten Wohnraum von Frank und Wlach
jene höchst entwickelte Schlichtheit, die unauffällig und doch
immer — immanent — rhythmisch ist; in dem Wintergarten
von Lichtblau eine freie und lebhafte Heiterkeit, in seinem
Einwohnraum die konzise Verkettung von Disposition, Ver-
nunft und Erfindung, dargetan im engsten Rahmen; in dem
Teil eines Sommerhauses und dann in dem Verkaufsraum von
Oswald Haerdtl eine hell und scharf bestimmte, ungemein
saubere Aufrichtigkeit,
vielleicht kühl und kor-
rekt, aber beides aus
strenger, bei der Jugend
des Künstlers besonders
bemerkenswerterSelbst-
beherrschung; in den
drei Räumen von Alfred
Soulek, der im Künstler-
haus und Museum die
jüngste Generation ver-
tritt, die vom Vater her
überkommene Sorgfalt
und Einsicht des Hand-
werkes, die in der Schule
Hoffmann modern ge-
reinigte und erweiterte
Konzeption und dazu
schon den eigenen schö-
nen Eifer, die eigene
zarte Empfindung, —
endlich, schon infolge
ihrer mondänen Extra-
vaganz etwas abseits, die
beiden Räume „for two"
von Wimmer mit der
kostbaren Beisteuer des
Hauses Lobmeyr, Be-
lege für die andauernde
Fähigkeit und äußerste
Verfeinerung desWiener
Luxus, der hier seine
Oswald Haerdtl — Anton Pospischil, Wien
Aus einem Sommerhaus
eingeschränkte, aber, trotz allem, fortwährende Bedeutung
mit sublimen Mitteln verteidigt.
Und überall — nicht nur in der Hotelhalle und dem Speise-
zimmer von Anton Pospischil — die schmiegsame prächtige
Arbeit der Wiener Tischler, ohne die eine so glatte Ent-
wicklung und vollkommene Verwirklichung des Künstlergeistes
nicht möglich wäre.
Zwei Anmerkungen allgemeiner Art: Das rein Räumliche,
also das Aufgehen der leichten und beweglichen Einrichtung
in der Form, Ordnung und Atmosphäre des Raumes, ein Ziel
des modernen Bauschaffens, ist überall im glücklichen Fort-
schritt. Trotzdem scheint uns im Augenblick die Gefahr einer
wesentlichen Verwechslung des Grundbegriffes gegeben. In
den vorzüglichen Fällen, vor allem bei Frank, herrscht räum-
liche Klarheit. In anderen Fällen, die sich — bis zum Übcr-
maß — der Reflexe von Spiegeln und Polituren bedienen,
herrscht Unsicherheit, mit dem verschwimmenden Raum ver-
liert auch der Mensch den Halt. Hier öffnet sich ein Abweg
ins Künstliche, dort ist Kunst.
Ferner: Erinnert man sich an die früheren Ausstellungen
im Museum, dann wird es besonders offenkundig, wie sehr
gegenüber dem lokalen Charakter ihrer Gaben jetzt eine
weltgültige Haltung vorherrscht. Das erhöht ihren Wert. Denn
es erweitert nicht nur den Kreis ihrer Wirkungen. Es zeigt
auch, daß der Innenraum
als ein integrierender
Bestandteil der Archi-
tektur denselben Weg
wie diese verfolgt: den
Weg zur Weltkunst —
persönlich und örtlich
akzentuiert, aber letzten
Endes auf die mensch-
liche Gemeinschaft, also
über die Gegenwart hin-
aus schon ins Künftige
gerichtet.
Zum Schluß: Es gibt
zweierlei Ausstellungen.
Die eine Art begnügt
sich mit dem Nachweis
des jeweils erreichten
Könnens, sie liefert ab-
geschlossene Beispiele
von tunlichster Voll-
kommenheit, darunter
selbst solche, die einen
tatsächlichen Auftrag
verwirklichen. Ihre be-
ruhigten Leistungen ru-
fen beruhigendeWirkun-
gen hervor,aber derWert
dieser Eindrücke liegt
nicht höher als der, den
ein Besuch von so und
so vielen fertigen Woh-
nungen in neuen Häusern vermittelt. Die zweite Art von
Ausstellungen hält die Qualität der dargebotenen Arbeit
ganz gewiß nicht geringer. Aber sie will — darüber hinaus —
das Bild der geistigen Bewegung, das frei und weit gespannte
Spiel der geistigen Energien. Sie ist — was nur Kurzsichtigkeit
oder Neid verkennen kann — nicht nur interessanter, sondern
auch wesentlicher und fruchtbarer. Und das sowohl für die
Aufklärung des Publikums wie auch als Ansporn für die
schaffenden Bauleute.
Die Wiener Künstler haben sich diesmal für diese zweite
Art entschieden. Es wäre zu wünschen, daß sich auch sonst
das heute vielfach irritierte Ausstellungswesen für solche Dar-
bietungen entscheide, welche die Praxis mit dem Problem,
die Werkschau mit dem grundsätzlichen Ausblick sinnvoll
und bewegend verbinden. Max Eisler