322
O. R. Salvisberg, Berlin. Haus Dr. Charlton in Dahlem. Gartenseite
Diese Flügel erfüllen zweierlei Zweck. Einmal nehmen sie
die Nebenräume auf: Garage, Küche, Zimmer der Haus-
angestellten, Nebeneingang, Chauffeurwohnung. Zum zweiten
haben sie das Amt, die Wohnräume ungezwungen ins Garten-
gelände vorzuschieben: Wintergärten, gedeckte Sitzplätze,
Terrassen im Erdgeschoß, über denen sich im ersten Stock
vorgezogene Raumteile, Loggien, freie Balkons zeigen. So
spiegelt sich die Innenanlage im äußeren Bilde, und es ent-
stehen rechtwinklige Anlehnungen, die durch intime Ecken
und Winkel dem freien Baugebilde an verschiedenen Seiten
einen Eindruck von Geschlossenheit in Wechsel und Kon-
trasten zuführen.
Für die Anwendung dieses Prinzips gibt es kein Schema.
Sie richtet sich nach den gegebenen Verhältnissen. Oft hat
Salvisberg die Grundzeichnung eines T gewählt, die ihn so-
fort als Schöpfer kennzeichnet (hier beim Hause Dr. B. in
Dahlem). Das bedeutet: der Hauptbau erhält auf einer Seite
einen breiteren Vorbau, die beiden Achsen stehen dabei recht-
winklig zueinander, und jener Vorbau dient rechts und links
den genannten Zwecken. Doch es gibt keine Pedanterie. Die
Verbindung der Bauteile verschiebt sich, je nachdem das Ter-
rain und die niemals gleichen Lebensbedürfnisse des Bau-
herrn es verlangen. Im Hause des Professors Flechtheim im
Grunewald wandelt sich das T etwa zu einem unvollkom-
menen F. Beim Landhaus des Direktors Z. in Klosterheide,
nahe Potsdam — hier sind wir weiter von der Stadt entfernt
und schon wirklich auf dem Lande — erhält der Kernbau
zwei vorspringende Flügel, so daß ein Anklang an Gutshöfe
entsteht. Beim Haus Dr. Charlton sind gleichsam zwei Ku-
busse ineinandergeschachtelt, wobei dann der größere Vor-
bau, vorn links vom Eingang gesehen, rechts hinter dem
Hause, nach dem Garten zu, eine kleinere Korresponsion
erhält, die das Gleichgewicht herstellt.
So liegt das, was das Haus dem Beschauer zu sagen hat,
offen zutage. Verputzte Flächen, die nur gelegentlich einmal
einer Klinkerfassade weichen, sorgsam berechnete Fenster-
einschnitte, die weiteres von der Innenanlage verraten und
die horizontale Lagerung betonen, Travertinverkleidung des
Portalrahmens, der Fensterumrisse, kräftige Dachvorsprünge
(vorzüglich geeignet, das Haus mit seiner Umgebung in Ein-
klang zu bringen), Projizierung der architektonischen Strenge
auf die dem Hause zunächst liegende Gartenpartie fassen
die Teile zusammen, daß auch hierdurch das Gesamtbild sich
schließt. Einfachheit und Ruhe der Innenräume, in denen für
breiten Zustrom von Licht und Luft gesorgt wird, entsprechen
in schöner Harmonie einheitlichen Zusammenklangs der Hal-
tung der Fassaden, die in ihrer Sicherheit, man könnte sagen:
ihrer Selbstverständlichkeit bestechen. Wie hier durch die
Winkel und Achsenkontraste Bewegung entstand, die einen
Eindruck von Leben und Wärme verbreitet, so wird häufig
auch im Innern durch einen mit offenem Zugang verbundenen
Wintergarten oder durch eine in starken Linien sprechende
Nische (die in der Halle des Landhauses Z. durch den nun
wieder vorgezogenen Sims des Backsteinkamins ein doppeltes
Hin und Her erzeugt) auf rein architektonischem Wege, ohne
Zuhilfenahme von äußerlich angeheftetem Nebenschmuckwerk,
wohnliche Mannigfaltigkeit erreicht.
Nichts ist in allen diesen Villenbauten Theorie. Alles von
einer Hand, die in den Nerven ihrer Fingerspitzen das Ge-
fühl für modernes Formwesen besitzt, vom grünen Baum
des Lebens gepflückt.
O. R. Salvisberg, Berlin. Haus Dr. Charlton in Dahlem. Gartenseite
Diese Flügel erfüllen zweierlei Zweck. Einmal nehmen sie
die Nebenräume auf: Garage, Küche, Zimmer der Haus-
angestellten, Nebeneingang, Chauffeurwohnung. Zum zweiten
haben sie das Amt, die Wohnräume ungezwungen ins Garten-
gelände vorzuschieben: Wintergärten, gedeckte Sitzplätze,
Terrassen im Erdgeschoß, über denen sich im ersten Stock
vorgezogene Raumteile, Loggien, freie Balkons zeigen. So
spiegelt sich die Innenanlage im äußeren Bilde, und es ent-
stehen rechtwinklige Anlehnungen, die durch intime Ecken
und Winkel dem freien Baugebilde an verschiedenen Seiten
einen Eindruck von Geschlossenheit in Wechsel und Kon-
trasten zuführen.
Für die Anwendung dieses Prinzips gibt es kein Schema.
Sie richtet sich nach den gegebenen Verhältnissen. Oft hat
Salvisberg die Grundzeichnung eines T gewählt, die ihn so-
fort als Schöpfer kennzeichnet (hier beim Hause Dr. B. in
Dahlem). Das bedeutet: der Hauptbau erhält auf einer Seite
einen breiteren Vorbau, die beiden Achsen stehen dabei recht-
winklig zueinander, und jener Vorbau dient rechts und links
den genannten Zwecken. Doch es gibt keine Pedanterie. Die
Verbindung der Bauteile verschiebt sich, je nachdem das Ter-
rain und die niemals gleichen Lebensbedürfnisse des Bau-
herrn es verlangen. Im Hause des Professors Flechtheim im
Grunewald wandelt sich das T etwa zu einem unvollkom-
menen F. Beim Landhaus des Direktors Z. in Klosterheide,
nahe Potsdam — hier sind wir weiter von der Stadt entfernt
und schon wirklich auf dem Lande — erhält der Kernbau
zwei vorspringende Flügel, so daß ein Anklang an Gutshöfe
entsteht. Beim Haus Dr. Charlton sind gleichsam zwei Ku-
busse ineinandergeschachtelt, wobei dann der größere Vor-
bau, vorn links vom Eingang gesehen, rechts hinter dem
Hause, nach dem Garten zu, eine kleinere Korresponsion
erhält, die das Gleichgewicht herstellt.
So liegt das, was das Haus dem Beschauer zu sagen hat,
offen zutage. Verputzte Flächen, die nur gelegentlich einmal
einer Klinkerfassade weichen, sorgsam berechnete Fenster-
einschnitte, die weiteres von der Innenanlage verraten und
die horizontale Lagerung betonen, Travertinverkleidung des
Portalrahmens, der Fensterumrisse, kräftige Dachvorsprünge
(vorzüglich geeignet, das Haus mit seiner Umgebung in Ein-
klang zu bringen), Projizierung der architektonischen Strenge
auf die dem Hause zunächst liegende Gartenpartie fassen
die Teile zusammen, daß auch hierdurch das Gesamtbild sich
schließt. Einfachheit und Ruhe der Innenräume, in denen für
breiten Zustrom von Licht und Luft gesorgt wird, entsprechen
in schöner Harmonie einheitlichen Zusammenklangs der Hal-
tung der Fassaden, die in ihrer Sicherheit, man könnte sagen:
ihrer Selbstverständlichkeit bestechen. Wie hier durch die
Winkel und Achsenkontraste Bewegung entstand, die einen
Eindruck von Leben und Wärme verbreitet, so wird häufig
auch im Innern durch einen mit offenem Zugang verbundenen
Wintergarten oder durch eine in starken Linien sprechende
Nische (die in der Halle des Landhauses Z. durch den nun
wieder vorgezogenen Sims des Backsteinkamins ein doppeltes
Hin und Her erzeugt) auf rein architektonischem Wege, ohne
Zuhilfenahme von äußerlich angeheftetem Nebenschmuckwerk,
wohnliche Mannigfaltigkeit erreicht.
Nichts ist in allen diesen Villenbauten Theorie. Alles von
einer Hand, die in den Nerven ihrer Fingerspitzen das Ge-
fühl für modernes Formwesen besitzt, vom grünen Baum
des Lebens gepflückt.