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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 29.1930

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Nr. 8
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Österreichischer Werkbund 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.75582#0414

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Walter Sobotka, Wien. Hotelhalle

ungefähr herein zu kommen, um die Besichtigung frisch und
gesammelt fortzusetzen. So halten es die Wiener. So werden
es ohne Zweifel auch die Deutschen halten. Und das kann
uns nur sehr erwünscht sein. Denn die Geselligkeit, die sich
auf diese Weise zwanglos ergibt, wird dem Verständnis für
die Besonderheit unseres Wesens und Werkes dienlicher sein
als alle programmatischen Unternehmungen.
Doch die Ausstellung hat, wie gesagt, im Grunde eine ern-
stere Bedeutung: sie stellt ein Stück Werkbundgeschichte dar.
Der Österreichische Werkbund war 1912 aus dem deutschen
hervorgegangen. Das mag eine Maßnahme organisatorischer
Art gewesen sein. Aber es war doch auch — in aller Freund-
schaft — ein innerlich begründeter Akt der Absonderung. Ihr
Sinn trat 1914, in Köln, klar zutage. Inmitten der Darbie-
tungen, die mit vollen Segeln dem typischen Erzeugnis, der
disziplinierten Norm zusteuerten, war das Haus Öster-
reichs ein Haus des reinen Handwerkes, für dessen un-
geschmälertes Vorrecht unsere Vertreter auch in der nach-
folgenden Debatte geschlossen gestimmt haben. Denn
— so meinten sie — die Veredlung der Arbeit, das Ziel
des Bundes, könne nur durch die allseits entwickelte
Hand verwirklicht werden. Das war gewiß ein werk-
tüchtiger, es war aber auch ein ästhetischer Stand-
punkt. Heute, nach sechzehn Jahren, sind sie anderer
Meinung. In dem gläsernen Gehäuse hinter dem Bassin\
im Garten, entworfen von Oswald Haerdtl, zeigen die
Industrien, darunter Thonet-Mundus, Proben ihrer ma-
schinellen Serienerzeugnisse. Daneben sind Stücke zu
sehen, an denen — wie etwa an den Erzeugnissen der
Werkstätte „Haus und Garten" — die Hand ihren Teil

hat. Und beides verträgt sich, ja, das Handwerk hat sich unter
die Zucht der exakten Maschine begeben. Nach wie vor geht
es um Qualität. Aber nun versteht man darunter auch bei
uns nicht mehr das selbstgefällig Schöne, sondern das
ordentlich Gute.
Die alte Monarchie an der Donau war ein Staat der
Völkerschaften, der natürliche Nährboden für den Indivi-
dualismus auch des Einzelnen. Auch heute noch sitzt hier
das individuelle Gelüst locker genug. Auch heute noch stellt
sich gelegentlich der launige Einfall ein. Aber er wirkt in
der neuen Umgebung sofort prätentiös, er fällt von selbst
aus dem Rahmen. Denn man hat sich mittlerweile auch
bei uns auf eine Reihe von rationellen Grundsätzen geeinigt.
Dieser Rationalismus schließt die Phantasie keineswegs aus,
wohl aber die fahrlässige Willkür. Man ist hier mit besonderer,
intimer Lust bei der Sache, das Bild der Tätigkeit bleibt leb-
haft und mannigfaltig, aber es ist jetzt auch straffer verkettet.
Das „Ornament" ist abgetan. Kein Schnörkel mehr und kein
Aufputz. Es herrscht, schon beim Möbel, die gerade Linie,
die rechteckige, glatte Fläche — es geht, schon beim Möbel,
um den Raum. Denn die rechteckige, glatte Fläche, die an
die Stelle eines plastischen Körpers einen regulären Vierkanter,
also eine geometrische Vorstellung setzt, führt folgerecht ins
Immaterielle, zum Raum. Das ist der neue, gemeinsame Vor-
gang der Form.
1914 stand das Möbel, gewichtig und anspruchsvoll, im
Mittelpunkt der Gestaltung. Jetzt ist es im Rückzug. Die
Büfettische inmitten des Cafesaales von Hoffmann, ein Schrank
im Modesalon des jungen, anmutig begabten Soulek sind Aus-
nahmen — das gediegen und sorgfältig bereitete Tischler-


Josef Frank, Wien. Teesalon
 
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