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Oberrheinische Kunst — 1.1925/​1926

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Peters, Gerhard: Die Gemäldegalerie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden
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https://doi.org/10.11588/diglit.54484#0103

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Notizen: Die Gemäldegalerie des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden

Siiddeutschland oder jedenfalls auf einheimische süddeutsche Meister beschränkt, denn dieErmels, Lembke,
Juvenel, die König, Wittig, Neufchätel, Francken, Schwarz gehören alle der süddeutschen, meist
Nürnbergischen Schule des 16. und 17. Jahrhunderts an und waren infolgedessen am leichtesten und wohl
auch am billigsten zu beschaffen. Auch die Holländer kommen dagegen an Zahl nicht auf (außer den
schon genannten: Jak. Dornflet, H. Jordaens, M. van Valckenburgh, Spilberg, van de Capelle).
Von der Qualität der Sammlung können wir uns natürlich keine Vorstellung machen; jedenfalls ist es
angebracht, die großen Namen so skeptisch wie möglich zu nehmen. Auch das »gar schön« und »gar
Kurios« des Inventars kann uns kein Anhalt sein. Dagegen erfahren wir, daß schon in dieser ersten
Sammlung des Markgrafen zahlreiche Stücke vertreten waren, die wahrscheinlich später den Pater Meyer
zu seinem radikalen Vorgehen trieben. Neben religiösen Bildern, Landschaften, Reiterszenen und Porträts
finden wir eine verdächtige »Landschaft mit nacketen Weibern« von Ermels, ein »Männer und Weiber
bad«, Adam und Eva; dann das schon erwähnte Bild mit Venus und Mars von P. Piazza, sowie zwei Bilder
von Johann von A eben, einem seinerzeit sehr begehrten Meister, ein »Diana Bad« und »Venus, Ballas
und Juno«. Zweifellos haben wir in diesen Bildern einen Teil der Anstoß erregenden Objekte vor uns,
die dann mit dem fortschreitenden 18. Jahrhundert bei wachsender Neigung für Darstellungen erotischen
Inhalts an Zahl noch zugenommen haben mögen. Der eifernde Pater fand sicher hier in Rastatt, wie in
dem nahen Lustschloß Favorite, wo heute noch sehr galante Bilder anzutreffen sind, reichen Anlaß für
sein moralisierendes Vorgehen. Es ist bekannt, daß man der verwitweten Markgräfin Auguste Sibylle den
Vorwurf eines lockeren Lebenswandels gemacht hat, dem dann im Alter eine in klösterlich-mystischen Gewohn-
heiten sich äußernde Reue gefolgt sei. Wenn wir das hier erwähnen, so geschieht es, um die Markgräfin
erneut1 von dieser falschen Beurteilung zu befreien, für deren Zustandekommen gewiß Berichte wie die
von Keyßler, sowie eine völlig andere Beurteilung der überlieferten Kunstgegenstände beigetragen haben.
Auguste Sibylle war eine durchaus vollwertige Erscheinung im Gesamtbilde ihrer Zeit und als solche mit
tausend Fäden den Sitten und Gewohnheiten des Zeitalters verknüpft. Wenn sie dem Pater Meyer zeit-
weise einen solchen Einfluß einräumte, so zeigt das nur, daß sie in religiösen Dingen leicht zu beein-
flussen war und andererseits, daß wir uns in Meyer einen zähen, fanatischen Menschen vorzustellen haben,
der den erwähnten Einfluß sicher und zielbewußt auszunutzen verstand. Es bedurfte des Einspruches von
Seiten des wirklich kunstverständigen und urteilssicheren Speyerer Kardinals, um die Markgräfin von diesem
zerstörerischen Geiste zu befreien.
Wann die Bildersammlung in das Rastatter Schloß eingezogen ist und wo sie bis dahin auf bewahrt
wurde (vermutlich in Baden), wissen wir nicht. Ludwig Wilhelms Architekt, Domenico Egidio Rossi,
hatte im Entwurf des Residenzschlosses, wenn wir die Pläne richtig gelesen haben, eine Galerie vorgesehen,
und zwar eine symmetrische Doppelanlage an der Stelle der heutigen Schloßkirche und des ehemaligen
Schloßtheaters2. Hier waren eingeschossige Terrassenbauten geplant, nach dem Garten zu in Korridor-
arkaden geöffnet, die wir nur als Galerieräume deuten können. Sie sind dann infolge von Rossis Ent-
lassung 1707 gar nicht in Angriff genommen worden und sind bei den Erweiterungsbauten unter Michael
Ludwig Rohrer den umfangreichen Hofkomplexen mit Hofkirche und Hoftheater gewichen. Die Bilder
haben also im Innern des Schlosses irgendwo Platz finden müssen, und wir können aus einer Reihe von
1 Schon Lohmeyer und Sillib taten es.
2 Vgl. die demnächst erscheinende Monographie des Verfassers über das Rastatter Schloß.
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