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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0080
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2. Die Vorstellungen Hinkmars über den Eid: das Synodalschreiben von Quierzy

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für die Krönung Ludwigs des Stammlers sowohl eine commendatio zu erwähnen
als auch den Text der bischöflichen professio bei der Weihe wiederzugeben. In der
professio schwören die Bischöfe in Übereinstimmung mit der Formulierung des
Anstoß erregenden Eides von 876 dem König auxilium und consilium, so wie ein
Bischof es gemäß seines Amtes seinem rechten senior schuldig ist279. Und in ihrer
petitio an den König nehmen die Bischöfe in dem Ordo Bezug auf die Ver-
sammlung von Quierzy 858, auf der gegenseitige Treueide geschworen worden
sind280.
Es handelt sich doch wohl um mehr als aktuelle schlechte Laune. Das Ver-
hältnis von König und Bischof wurde so unterschiedlich gedacht bzw. konnte in
einem so breiten Rahmen gedacht werden, dass die Beteiligten, je nach aktueller
politischer Konstellation, andere Schwerpunkte und Betonungen setzten. Die
Diskussion um den Eid wirft ein Schlaglicht auf die prinzipielle Schwierigkeit,
soziale Beziehungen und gedachte oder reale Hierarchien abzubilden. Soziale
Beziehungen sollten durch die Eide hergestellt und gefestigt werden. Es exis-
tierten aber unterschiedliche Diskurse über Hierarchien. Die Formulierungen in
den Eiden beinhalten die dahinterstehenden Vorstellungen. Doch was Karl der
Kahle unter ,senior' verstand — und was für eine Bindung er daraus schloss, und
was Hinkmar von Reims mit dem Begriff verband, musste nicht deckungsgleich
sein. König und Bischof mussten jeweils aus dem zur Verfügung stehenden
begrifflichen Instrumentarium Modelle zur Beschreibung ihres Verhältnisses
finden. Was sich die jeweiligen Parteien konkret unter der Eidesformel vorge-
stellt haben, wie sie sie für sich mit Inhalt füllten, konnte sehr unterschiedlich
aussehen und situativ wechseln. Wir müssen von einer Parallelität verschiedener
Ordnungsvorstellungen ausgehen. Die Diskussionen um Eid, Treue und Verrat
bleiben immer mehrdeutig. So sollen auch „untreue" Bischöfe vor dem König
erneut einen Teueid schwören, mit dem sie auch Gehorsam gegenüber ihrem
senior schwören, z. B. Hinkmar von Laon281. Auch wenn die Abgrenzung ge-
genüber den Laien seit 858 so weit fortgeschritten ist, dass Bischöfe nicht den
allgemeinen Treueid schworen, kann aus königlicher Perspektive die Rolle der
Bischöfe auch als fideles nicht vernachlässigt werden. Dies können wir auch bei
anderen Absetzungsfällen, insbesondere bei Hinkmar von Laon und im
10. Jahrhundert bei Arnulf von Reims sehen. Der Treuediskurs, wie er sich in
diesen Zusammenhängen niederschlägt, beinhaltet immer auch eine materielle
Ausdrucksseite, die sich in Chirographen, ausgefertigten Treueiden bis hin zu
Selbstverfluchungen282 manifestieren konnte.

Edition), den Mahnschreiben und Fürstenspiegeln für Ludwig den Stammler, den Synodalakten

von Fismes (Patzold, Konsens und Konkurrenz), der Jenseits-Visionen sowie der Vita Remigii

(zur Vita vgl. Depreux, Saint Remi).

279 Ordo von 877 in der Fassung der Annales Bertiniani, ed. Ordines coronationis, S. 119.

280 Vgl. ebd., S.117.

281 S. Kapitel zu Hinkmar von Laon.

282 S. Kapitel Arnulf von Reims.
 
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