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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0087
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86

IV. Hinkmar von Reims über seine Amtsbrüder

Gültigkeit dieser Restitution seines Vorgängers bestritten. 845 haben nun die
Reimser Suffragane unter Führung Rothads Hinkmar zum Erzbischof geweiht —
Rothad selbst dürfte die Weihe gespendet haben306.
Bereits in seiner um 857/58 verfassten Collectio de ecclesiis et capellis hatte
Hinkmar gegen seine Suffragane das erzbischöfliches Mahn- und Aufsichtsrecht
betont307. 861 brach der Konflikt mit Rothad offen aus. Der Anlass war der oben
ausgeführte Vorwurf Hinkmars, Rothad habe einen Priester eigenmächtig ab-
gesetzt, ohne eine (Provinzial)-Synode — zu ergänzen wäre „unter erzbischöfli-
cher Leitung" — einberufen zu haben308. Rothad weigerte sich, den Priester zu
restituieren. In den Annales Bertiniani macht Hinkmar sehr deutlich, dass seiner
Ansicht nach Rothad ihm den schuldigen Gehorsam verweigerte habe und seine
verstockte Uneinsichtigkeit ihm zum Verhängnis wurde309. Hinkmar schloss
Rothad gemäß den Kanones von der bischöflichen Gemeinschaft aus, bis er
wieder gehorche: episcopali privat communione secundum decreta canonum, donec
oboediat. Da Rothad nicht einlenkte, wurde er auf der Synode von Soissons
abgesetzt. Hinkmar äußert sich dazu ausführlich in den Annales Bertiniani und
nutzt sein Leitmedium, um den Suffragan in schlechtestem Licht dastehen zu
lassen: Rothad sei ein Mensch von besonderer Unverständigkeit. Obwohl er aus
der Gemeinschaft der Bischöfe ausgeschlossen worden sei, bleibe er starrsinnig
und sei nicht vor einer Versammlung der Bischöfe von vier Provinzen erschie-
nen. Er habe zwar nach Rom appelliert, auf die Appellation aber wieder ver-
zichtet. Er sei rechtmäßig abgesetzt worden als „neuer Pharao in seines Herzens
Härte und als ein zum Tier verwandelter Mensch" wegen der bezeichneten
Vergehen und weil er sich nicht habe bessern wollen310.
Über die nächste Etappe der Ereignisse, nämlich die Synode von Verberie
863, äußert sich Hinkmar in seinen Annalen nur verhalten und gibt keine wei-
teren Kommentare dazu ab. Die Romreise der Gesandten des Königs und der
Bischöfe seien durch Kaiser Ludwig II. verhindert worden. Aber Rothad habe
sich krank gestellt, um mit Unterstützung Lothars I. und Ludwigs des Deutschen
zu Ludwig II. zu ziehen und mit dessen Hilfe nach Rom gelangen zu können,
während die Gesandten Karls unverrichteter Dinge wieder zurück ins West-
frankenreich kehren mussten311.

noch in Unkenntnis der Arbeit Martina Stratmanns zur Weihe Hinkmars (vgl. Stratmann, Wer

weihte). Vgl. Fuhrmann, Einfluß II, S. 254; vgl. im selben Tenor auch Schrörs, Hinkmar, S. 238.

306 Vgl. Patzold, Epsicopus, S. 328; Stratmann, Wer weihte. Vgl. auch dies. Art. „Rothad II", in:
LexMA 7, Sp. 1049. Dem widerspricht Pangerl, Metropolitanverfassung, S. 274-276, der die
Auffassung vertritt, dass Wenilo von Sens Hinkmar weihte. Sein Hauptargument, dass der
Selbstaussage Hinkmars von Reims in diesem Fall Glauben zu schenken ist, weil Hinkmar
keinen Grund hatte, die Unwahrheit zu behaupten, kann allerdings angesichts des Rothad-Falls
nicht überzeugen.

307 Hinkmar von Reims, Collectio de ecclesiis et capellis; vgl. auch Stratmann, Hinkmar von Reims
als Verwalter.

308 Zu Hinkmars Konzilsverständnis vgl. Schmitz, Concilium perfectum.

309 Annales Bertiniani ad. a. 861, ed. Grat, S. 86. Hartmann, Synoden, S. 314f.

310 Annales Bertiniani ad. a. 862, ed. Grat, S. 91.

311 Annales Bertiniani ad. a. 864, ed. Grat, S. 112.
 
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