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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0167
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VI. Wo und von wem werden Bischöfe abgesetzt?

eingriffen679. Auch Thomas Bauer spricht ausgehend von seinen Untersuchun-
gen zu Lotharingien daher von einem für diese Zeit typischen geistlich-weltli-
chen „Synergismus"680. Trotz der von ihm festgestellten Synergie versucht
Thomas Bauer eine formale Aufteilung der Synoden, d. h. eine Typisierung und
Klassifizierung der Synoden der karolingischen Teilreiche zwischen 843 und
870681. Er konstatiert zwar, dass die zeitgenössischen Begriffe nicht für eine Ty-
penbildung herangezogen werden können, stellt die Sinnhaftigkeit einer solchen
Kategorisierung aber nicht in Frage682. Er verwendet im Rückgriff auf die
rechtshistorische Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts den Begriff der
concilia mixta für die Versammlungen mit Doppelcharakter, an denen Geistliche
und Laien gleichberechtigt teilnahmen. Dieser Begriff soll diese sowohl von rein
kirchlichen Synoden als auch von weltlichen Reichsversammlungen abgren-
zen683. Als concilia mixta benennt Bauer für den von ihm untersuchen Zeitraum
für alle Frankenreiche die beeindruckende Anzahl von 29 Versammlungen von
Coulaines im November 843 bis Aachen 870684. Die Mehrzahl der Treffen (14)
fand dabei auf westfränkischem Boden statt, an fünf weiteren nahm ein west-
fränkischer Teilnehmerkreis teil. Als Gründe für diese rege Tätigkeit nennt Bauer
das besondere Zusammenwirken von König und Bischöfen im Westreich.
Hierbei handelte es sich um ein Konzept vom Zusammenwirken, an das sich die
Beteiligten mal mehr und mal weniger gebunden fühlten, wie die Untersu-
chungen der Bischofsabsetzungen des 9. Jahrhunderts gezeigt haben. Doch
dieses Konzept und die daraus generierten Vorstellungen sind ein Kennzeichen
der spezifischen politischen Kultur des Westreichs.
Weiterhin stellt Bauer die besondere Bedeutung der Person Hinkmars von
Reims für die Versammlungstätigkeit heraus und sprach von einer „Hink-
mar'sche Ära der Synoden und concilia mixta", wie sie auch für unseren Un-
tersuchungsgegenstand von besonderer Bedeutung ist685. Für das Ostfranken-
reich lässt sich ein deutlich anderer Befund konstatieren, da es hier offenbar keine
„Mischversammlungen" gegeben hat und Bauer spricht von einer „vollkommen
anders gearteten ostfränkischen Auffassung von,Staat ' und Kirche und über das
Verhältnis der beiden Sphären"686. Dieser Befund für Ostfranken deckt sich mit

679 Hartmann, Synoden, S. 439-448. Am Beispiel von gesellschaftlichen Fragen wie Armenfürsorge,
Verhinderung von Hungersnöten, Wucher, Umgang mit Missernten hat Franz J. Felten die
Bedeutung von Konzilsakten als Quellen für die Sozialgeschichte herausgestellt (Felten, Kon-
zilsakten).

680 Bauer, Kontinuität und Wandel, S. 11

681 Ebd., zur Typenbildung bes. S. 16f.

682 Ebd. S. 17f und häufiger.

683 Bauer, Kontinuität und Wandel, S. 24 und S. 38 f; vgl. aber bereits Hartmann, Zu einigen Pro-
blemen, S. 15; Ders. Laien, S. 249,der die Synoden aufgrund ihrer inhaltlichen Orientierung, die
sowohl den geistlichen als auch den weltlichen Bereich umfasst, als Doppelversammlungen und
Zwittergebilde bezeichnet.

684 Bauer, Kontinuität und Wandel, S. 55-57, Auswertung der Tabelle S. 57-59.

685 Ebd.S.57.

686 Ebd.
 
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