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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0192
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3. Vorgeschichte und Hintergrund der Absetzungsverfahren im 10. Jahrhundert

191

Dieser Artold salbte und krönte den von Hugo Magnus aus England ge-
holten Karolingerkönig Ludwig IV. 936 in Laon787.
In Anwesenheit des Königs exkommunizierte Artold Heribert II. von Ver-
mandois als pervasor wegen der Verwüstung von Gütern und Städten der
Reimser Kirche und Artold bekam im Anschluss die Münzrechte in der Stadt
Reims und die Reimser Grafschaft (comitatum) von König Ludwig Übertragen788.
Die Absetzung Artolds 940 erfolgte laut Flodoard aufgrund eines erneuerten
Bündnisses zwischen Heribert von Vermandois und Hugo Magnus, als durch
militärische Überlegenheit Fakten geschaffen wurden: „Der Fürst Hugo, Sohn
Roberts, belagerte die Stadt Reims zusammen mit Graf Heribert und Wilhelm,
dem princpes der Normannen, nachdem einige Bischöfe sowohl aus der Francia
als auch aus Burgund sich ihm angeschlossen hatten. Am sechsten Tag der Be-
lagerung aber verließen fast alle Soldaten Bischof Artold und gingen zu Heribert
über und so zog Heribert in die Stadt ein. Der Vorsteher Artold wurde überredet
oder mit Gewalt von den Fürsten gezwungen, von der Verwaltung und der
potestas des episcopium zurückzutreten und ihm wurden die Abtei St. Basie und
das Kloster Avenay überlassen, nach St. Basie zog er sich nach genau acht Jahren
und sechs Monaten im Bischofsamt (episcopatus) zurück789". Flodoard verwendet
für die bischöfliche Amtsgewalt nicht den Begriff ministerium, sondern episc-
opatus, episcopium oder procuratio. Die eigentliche Absetzung betrifft die bi-
schöfliche Herrschaft/Gewalt (=potestas) in der räumlichen Einheit des episcopi-
um. Der Begriff episcopium meint bei Flodoard — parallel zur Begriffsverwendung
im Libellus Artoldi — die materielle Grundlage des Bistums bzw. den Raum des
Bistums, in dem der Bischof seine potestas ausübt und wird vom episcopale mi-
nisterium unterschieden790. Bei der Absetzung sind demnach keine kirchen-
rechtlichen Argumente angewendet worden. Artold wurde überredet oder ge-
zwungen, zurückzutreten. Bezugsgröße ist nicht in erster Linie ein ministerium,
sondern die potestas innerhalb eines Raumes. Flodoard vermerkt dies nicht kri-
tisch, sondern beschreibt nur. Diese Absetzung hat wenig mit denjenigen aus
dem 9. Jahrhundert gemeinsam, bei denen es sich um einen Vorgang gehandelt
hatte, der auf Synoden diskutiert und durch Kanones begründet worden ist,
sondern es handelte sich offenbar um ein Ergebnis der Macht des Faktischen.
Doch konnten die militärischen Aktionen keine dauerhafte Lösung herbeifüh-
ren, wie zu sehen sein wird.
Die Absetzung Hugos und Wiedereinsetzung Artolds war wiederum in
Parallelität eine Folge einer erfolgreichen militärischen Unternehmung, diesmal
eines Feldzugs König Ludwigs mit Unterstützung Ottos I. Hugo zog sich unter
Androhung der Blendung im Falle fortgesetzten Widerstands und erfolgreicher

787 Ebd. IV, c. 26.

788 Ebd. IV, c. 27, S. 418

789 Ebd. IV, c. 28, S. 419. Zu dem Bündnis Flodoard, Annalen ad. a. 940, ed. Lauer, S. 75 f. Zu dem
Bündnis gehörte noch Herzog Wilhelm von der Normandie.

790 Deutlich wird dies im Libellus, MGH Cone. VI,1, S. 150,3 ff nach dem Tod Seulfs. Der ganze
Raum des Bistums ist gemeint in Cone. VI,1, S. 151,9.
 
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