Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0273
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
272

X. König — Bischof- Abt in der monastischen Historiographie

Körperliche Gewalt stellte also offensichtlich eine Komponente in den Be-
ziehungen zwischen Abt und Bischof dar. In seinem Apologeticus behauptet
Abbo explizit, dass gewisse Leute ihm nach dem Leben trachteten1140. Mit dem
gleichnamigen Neffen Arnulfs von Orleans hatte Fleury zudem eine gewaltsame
Auseinandersetzung über Klosterbesitz1141. Aimo nutzt die Feindschaft narrativ
als roten Faden, um das Wirken Abbos zu erklären.
Abbo von Fleury ist bereits im vorhergehenden Kapitel als Beispiel für die
Perspektive von Reformmönchen auf Bischöfe in Westfranken um 1000 aus-
führlich behandelt worden. In seinen Schriften hat Abbo eigene Wissensbestände
über das Bischofsamt generiert, die losgelöst von der eigentlich betroffenen
Gruppe des Episkopats, Relevanz für den monastischen Reformdiskurs und den
monastischen Blick auf die politische Kultur erhielten. Das Reformmönchtum
war kein monolithischer Block, eine Gleichsetzung der Bewegungen von Cluny
oder Fleury wird dem Phänomen nicht gerecht, denn gerade in der Haltung zu
Bischöfen unterschieden sich die monastischen Reformkreise gravierend von-
einander1142. Eine ablehnende Haltung gegenüber bischöflichen Jurisdiktions-
rechten zeichnete vor allem die Reformzentren im Loiregebiet, allen voran
Fleury, aus. Diese Ablehnung schlug sich in Bemühungen um klösterliche Ex-
emtion nieder. Die Exemtion Fleurys galt in der Erinnerung der Gemeinschaft als
herausragende Leistung des Abtes Abbo. Abbo spielt als charismatische Figur,
als Exemplum eines idealen Abtes für die ständige Produktion und Erneuerung
der Identität eines Reformklosters im 11. Jahrhundert eine zentrale Rolle.
In der Forschung sind hagiographisch-historiographische Quellen wie die
Vita Abbos als Zeugnis herangezogen worden, um das Verhältnis der Reform-
mönche zum Königtum zu bestimmen. In einem weiteren Schritt ist eine be-
sondere Nähe zwischen Robert und den Mönchen aufgrund der Darstellungen
in den monastischen Quellen postuliert worden. Diese Quellen sind in dieser
Hinsicht überstrapaziert worden, um einem drängenden Bedürfnis der mediä-
vistischen Forschung, nämlich der Bestimmung der „Königsnähe" nachzu-
kommen. Ein Grund dafür mag das Fehlen von ausreichendem Urkundenma-
terial und besonders von Zeugenreihen sein1143. Doch das Bild, das Aimo von

1140 Liber Apologeticus, PL 139, Sp. 462.

1141 Recueil des Chartes de Saint-Benoit-sur-Loire, Nr. 70, datiert auf 993, nach dem 1. Juni. Zu
diesem Streit vgl. Dachowski, First among abbots, S. 146-150.

1142 Wie die Studien von Rosenwein/Head/Farmer eindrücklich gezeigt haben (Monks and their ene-
mies). Fleury zeichnet sich durch Königsnähe aus; Cluny liegt in einem Machtvakuum und hat
ein ganz eigenes, spezifisches Beziehungsnetz aufgebaut — vgl. Rosenwein, Being the neighbour).
Daraus resultiert auch eine gute Beziehung zum Bischof von Mäcon, während Fleury im Konflikt
mit den Bischöfen von Orleans liegt und das Königtum weiterhin als Entscheidungsmacht
begreift und anruft. Zu der lothringischen Reform, die sich durch die Nähe zum Bischof aus-
zeichnete, vgl. Nightingale, Monasteries and Patrons.

1143 Die Königskurkunden, die von der Kanzlei ausgestellt worden sind, öffnen sich erst nach und
nach der Praxis, die Urkunden von Dritten unterschreiben zu lassen. Üblich sind lange Zeit nur
das Signum des Königs und die Rekognition des Kanzlers. Bis 1017, vor der Kanzlerschaft
Baudouins, kennt die Kanzlei Roberts des Frommen keinerlei Unterschriften Dritter. Also kann
auf Basis der Königsurkunden keine Aussage über Bischöfe im königlichen Umfeld getroffen
 
Annotationen