Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0300
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
3. Andreas von Fleury und seine Vita Gauzlini

299

Angelegenheiten. Andreas macht daher im Grund keine Unterscheidung zwi-
schen dem Handeln als Erzbischof und dem Handeln als Abt. Die Sorge um
Fleury und um die monastische Unabhängigkeit ist es, die Gauzlins Handeln
bestimmt. Wie ein mächtiger Abt agiert, weiß Andreas, bischöfliches Hand-
lungswissen wird von ihm hingegen nicht reflektiert, er verfügt wahrscheinlich
nicht darüber. Nur an einer einzigen Stelle verwendet Andreas den Begriff
pontificium, der den räumlichen Geltungsbereich bischöflicher Autorität
meint1264. Abbatiale auctoritas existiert für Andreas als Begriff nicht, obwohl er
nach allgemeinen Maßstäben die Ausübung eben jener die gesamte Vita über
schildert, besonders eindrücklich, wenn es um die Zerstörung von Burgen geht.
Gauzlin handelt also einerseits ohne Beteiligung des Königs zu Gunsten des
Klosters. Aber er agiert auch zusammen mit König Robert dem Frommen.
Als Bischof nimmt Gauzlin auf Konzilien teil oder beruft eigene ein, wie oben
bereits erwähnt. Auch auf diesem Feld ist von einer Kooperation zwischen Bi-
schof und König auszugehen, doch für Andreas spielt dieses Konzept keine
Rolle. Im Zusammenhang mit dem Konzil von Orleans 10221265 handelt Gauzlin
zwar über den engeren monastischen Kreis hinaus als religiöse Autorität, der das
Wohl des ganzen Reiches am Herzen liegt. Andreas lässt ihn auf dem Konzil in
einer öffentlichen Rede die Glaubenswahrheit verkünden1266. Schutz vor Häre-
tikern und Glaubenssicherung waren auch königliche Aufgaben. Andreas je-
doch legt keinen Wert auf diesen Baustein der Königsideologie. Die Initiative zu
der Widerlegung der Häretiker geht bei Andreas ganz alleine von Gauzlin aus,
König Robert tritt demgegenüber in den Hintergrund: Gauzlin kam, als er von
der Angelegenheit hörte, mit den weisesten Männern des Klosters Fleury nach
Orleans, um den Feinden des Glaubens entgegenzutreten. Die Häretiker wurden
zum Tod durch das Feuer verurteilt. Auch hier nimmt Gauzlin zwar bischöfliche
Verhaltensweisen an, aber Andreas thematisiert dies nicht.
Für ihn steht der Leiter seines Klosters, der würdige Nachfolger Abbos, der
souveräne Verteidiger monastischer Freiheiten, der auch in der Welt mächtige
und das Klostergut vermehrende Abt im Mittelpunkt. Auch scheint sich Gauzlin
nach dem Zeugnis des Andreas nur sehr selten in seiner Bischofsstadt aufge-
halten zu haben. So vermerkt er ausdrücklich, dass Gauzlin, sein nahes Ende
ahnend, wünschte, seine Diözese Bourges zu besuchen1267. Auf dem Weg dahin
verstarb er auf der ersten Etappe in einer zu Fleury gehörenden Kapelle und
wirkte direkt nach seinem Tod die ersten Wunder.

1264 Andreas von Fleury, Vita Gauzlini, c. 45, S. 84: Previdit equidem loco, cujus, prebente Deo, pollebat in
pontificio.

1265 Zum Konzil von Orleans: Fichtenau, Ketzer; Moore, Heresy as Politics; Frassetto, Heresy at
Orleans in 1022.

1266 Andreas von Fleury, Vita Gauzlini, c. 56, S. 98-100. Vgl. auch die Schilderung in dem von
Andreas verfassten Teil der Miracula Sancti Benedicti VI, 20, S. 247. Es handelt sich hier eindeutig
um einen öffentlichen Auftritt auf einem Konzil und eine entsprechende Rede.

1267 Andreas von Fleury, Vita Gauzlini, c. 73, S. 144, dass Gauzlin seinen Tod spürt, geht aus dem
vorangehenden Kapitel 72 hervor.
 
Annotationen