2. Bischöfe und Kirchengut im 9. und frühen 10. Jahrhundert
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nicht ohne Ökonom und ohne Wissen der Kleriker zulässig sei1311. Vergleichbare
Vorwürfe erhebt Hinkmar auch gegen den 835 abgesetzten Ebo von Reims, der
liturgische Schätze der Kirche an Normannen verkauft haben soll1312.
Die Verschleuderung von Kirchengut wurden bereits im 9. Jahrhundert in
monastischen Kontexten Laien-Äbten vorgeworfen, sei es, um Reformen zu
rechtfertigen oder die Unabhängigkeit des Klosters gegen bischöflichen Einfluss
zu stärken bzw. für freie Abtswahl einzutreten1313. Getroffen werden soll neben
dem „schlechten Abt" derjenigen, der diesen mit der Leitung des Konvents be-
traut hat, nicht selten der bischöfliche Eigenklosterherr selbst.
Diese Vorwürfe waren für die Bischöfe im 9. Jahrhundert lästig, zielten sie
doch auf das Selbstbild vom Bischof als Schützer des Kirchenguts, verstanden als
das Gut der Armen, das die Kirche verwaltete. Bischöfe führten zwar massive
Attacken gegen Laien und betonten ihrerseits das Elend vieler Klöster. Neben der
starken Kritik gegenüber Laienäbten versäumten die Bischöfe jedoch, Amts-
brüder, die als Äbte wirkten oder selbst ordo-fremde Äbte eingesetzt hatten, zu
rügen. Den Zusammenhang zwischen bischöflichem Verhalten gegenüber
Klöstern und der Kritik an Laienäbten hat Franz J. Felten ausführlich behandelt.
Er betont, dass Bischöfe sich selbst loben, Laien kritisieren und jegliches Gespür
für eigenes Fehlverhalten vermissen lassen.
Die Erwähnung der Verschleuderung von Kirchengut im Kontext von Bi-
schofsabsetzungen ist daher in einem bestimmten Bedeutungszusammenhang
zu sehen. Es handelt sich nicht um eine selbstkritische Reflexion der Mitbrüder,
sondern um eine in Historiographie und Rechtsquellen gezielt eingesetzte Dis-
kreditierung eines unwürdigen Amtsinhabers. Ob die Vorwürfe die Realität
widerspiegeln, ein Nachhall der Wirklichkeit sind oder nicht, kann aus den hier
untersuchten Quellen nicht entschieden werden. Aber der Vorwurf entstammt
einem Repertoire an Wissensbeständen darüber, wie sich ein Bischof zu ver-
halten hat. Steht ein Bischof unter Anklage, dann werden aus diesem Repertoire
Argumente gewonnen. Die Sorge für die res ecclesiae stellt ein wesentliches Ele-
ment im Modell eines Idealbischofs dar und Fehlverhalten in diesem Bereich, das
am Beispiel bekannter Bilder, die alle im Kopf hatten (Silbergerät verkauft, Land
an Verwandte und Getreue verschenkt), verdeutlich wurde, diente als Argu-
ment, um vor der Öffentlichkeit von Synoden und Reichsversammlungen die
Nicht-Eignung für das hohe Amt zu veranschaulichen. Gerade Mitte des
9. Jahrhunderts gab es aber auch auf Synoden (Valence 855) massive Vorwürfe
gegen Bischöfe in Bezug auf Ausbeutung von Klöstern. Doch die fränkischen
Bischöfe waren in diesem Fall bestrebt, den König nicht mit diesen Klagen über
sie zu belästigen1314.
1311 Vgl. dazu auch Stratmann, Hinkmar als Verwalter, S. 28 f. und 32 f.
1312 S. oben Kapitel zu Ebo.
1313 Zu den Hauptvorwürfen gegenüber sogenannten Laienäbten vgl. Felten, Äbte, S. 17-32. Die
Vergabe des Klosterguts an Verwandte und Getreue, das Gut der Mönche dient den Hunden zur
Weide, das Lichtergut der Kirche wird zur Herstellung von Armspangen, zur Verzierung der
Sättel mit Gold und Silber genutzt (aus den Gesta Abbatum Fontanellensium).
1314 Felten, Äbte, S. 37.
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nicht ohne Ökonom und ohne Wissen der Kleriker zulässig sei1311. Vergleichbare
Vorwürfe erhebt Hinkmar auch gegen den 835 abgesetzten Ebo von Reims, der
liturgische Schätze der Kirche an Normannen verkauft haben soll1312.
Die Verschleuderung von Kirchengut wurden bereits im 9. Jahrhundert in
monastischen Kontexten Laien-Äbten vorgeworfen, sei es, um Reformen zu
rechtfertigen oder die Unabhängigkeit des Klosters gegen bischöflichen Einfluss
zu stärken bzw. für freie Abtswahl einzutreten1313. Getroffen werden soll neben
dem „schlechten Abt" derjenigen, der diesen mit der Leitung des Konvents be-
traut hat, nicht selten der bischöfliche Eigenklosterherr selbst.
Diese Vorwürfe waren für die Bischöfe im 9. Jahrhundert lästig, zielten sie
doch auf das Selbstbild vom Bischof als Schützer des Kirchenguts, verstanden als
das Gut der Armen, das die Kirche verwaltete. Bischöfe führten zwar massive
Attacken gegen Laien und betonten ihrerseits das Elend vieler Klöster. Neben der
starken Kritik gegenüber Laienäbten versäumten die Bischöfe jedoch, Amts-
brüder, die als Äbte wirkten oder selbst ordo-fremde Äbte eingesetzt hatten, zu
rügen. Den Zusammenhang zwischen bischöflichem Verhalten gegenüber
Klöstern und der Kritik an Laienäbten hat Franz J. Felten ausführlich behandelt.
Er betont, dass Bischöfe sich selbst loben, Laien kritisieren und jegliches Gespür
für eigenes Fehlverhalten vermissen lassen.
Die Erwähnung der Verschleuderung von Kirchengut im Kontext von Bi-
schofsabsetzungen ist daher in einem bestimmten Bedeutungszusammenhang
zu sehen. Es handelt sich nicht um eine selbstkritische Reflexion der Mitbrüder,
sondern um eine in Historiographie und Rechtsquellen gezielt eingesetzte Dis-
kreditierung eines unwürdigen Amtsinhabers. Ob die Vorwürfe die Realität
widerspiegeln, ein Nachhall der Wirklichkeit sind oder nicht, kann aus den hier
untersuchten Quellen nicht entschieden werden. Aber der Vorwurf entstammt
einem Repertoire an Wissensbeständen darüber, wie sich ein Bischof zu ver-
halten hat. Steht ein Bischof unter Anklage, dann werden aus diesem Repertoire
Argumente gewonnen. Die Sorge für die res ecclesiae stellt ein wesentliches Ele-
ment im Modell eines Idealbischofs dar und Fehlverhalten in diesem Bereich, das
am Beispiel bekannter Bilder, die alle im Kopf hatten (Silbergerät verkauft, Land
an Verwandte und Getreue verschenkt), verdeutlich wurde, diente als Argu-
ment, um vor der Öffentlichkeit von Synoden und Reichsversammlungen die
Nicht-Eignung für das hohe Amt zu veranschaulichen. Gerade Mitte des
9. Jahrhunderts gab es aber auch auf Synoden (Valence 855) massive Vorwürfe
gegen Bischöfe in Bezug auf Ausbeutung von Klöstern. Doch die fränkischen
Bischöfe waren in diesem Fall bestrebt, den König nicht mit diesen Klagen über
sie zu belästigen1314.
1311 Vgl. dazu auch Stratmann, Hinkmar als Verwalter, S. 28 f. und 32 f.
1312 S. oben Kapitel zu Ebo.
1313 Zu den Hauptvorwürfen gegenüber sogenannten Laienäbten vgl. Felten, Äbte, S. 17-32. Die
Vergabe des Klosterguts an Verwandte und Getreue, das Gut der Mönche dient den Hunden zur
Weide, das Lichtergut der Kirche wird zur Herstellung von Armspangen, zur Verzierung der
Sättel mit Gold und Silber genutzt (aus den Gesta Abbatum Fontanellensium).
1314 Felten, Äbte, S. 37.