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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0314
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3. Die Klosterhoheit von König und Bischof- gleiches Verhalten, unterschiedliche Wertung 313

konnten, etwa zur Ausrüstung des Bischofs mit Rittern oder zum Wiederaufbau
einer durch die Normannen schwer zerstörten Bischofsstadt1318.
Obwohl zwischen den Verhaltensweisen der Bischöfe als Äbte und denen
der Laien als Äbte keine qualitativen Unterschiede zu finden sind, werden Bi-
schöfen des 9. Jahrhunderts in der Regel in der Forschungsliteratur ehrenwerte
Motive bei der Nutzung der Klöster unterstellt1319. Das ist auch damit zu erklä-
ren, dass der bischöflichen Produktion von Gesetzgebung und entsprechenden
Texten, die die Ideologie vom Schutz des Kirchenguts transportierten, keine
entsprechende Schriftlichkeit auf Laienseite gegenüberstand.
Die Beanspruchung und Instrumentalisierung der Klöster im Reichsdienst
hatte die Abhängigkeit der Privilegierung von den erwarteten Diensten der Äbte
(bes. Heerfolge, Hoffahrt) zur Folge. Sowohl Karl der Große als auch sein Sohn
Ludwig der Fromme vergaben einen bestimmten Kreis von Abteien an Männer
ihrer Wahl (ob Laien, Kleriker, Äbte), die sich durch ihre besondere Nähe zum
Herrscher ausgezeichnet hatten und dies durch ihre Kooperation und Unter-
stützung bewiesen hatten. Mit Vergabe und Entzug konnte der König belohnen
und strafen1320. Die wenigsten Klöster, die Immunitätsprivilegien erhielten, be-
kamen damit auch das Recht der freien Abtswahl verliehen. Dieses Recht kann
also nicht als Kennzeichen von „Königsklöstern" gewertet werden1321, sondern
war ein Sonderrecht, über das etwa Fleury verfügte. Auch wenn sich Königs-
klöster wie Fleury und Bischofsklöster wie Micy in der unsicheren Zeit des
Übergang von der karolingischen auf die kapetingische Herrschaft unter-
schiedlicher Strategien bedienten und ein Königskloster auf Kontinuität in den
Beziehungen zum Herrscher setzten konnte1322, kann daraus nicht per se eine
„bessere" Position des Königskloster in Fragen der Abtswahl gegenüber dem
Bischofskloster abgeleitet werden1323. Die Besetzung der Abtwürde in Fleury im
frühen 11. Jahrhundert zeigt, dass von einer freien Wahl durch den Konvent
generell keine Rede sein konnte1324.
Zeugnisse aus dem späten 9. Jahrhundert wie Ratperts Casus S. Galli (um
890) wenden sich gegen die oben beschriebenen bischöflichen Handlungsspiel-
räume bei der Leitung von bischöflichen Eigenklöstern oder an den Bischof

1318 Eine Systematik der bischöflichen Klosternutzung bei Felten, Äbte, S. 45. Zur Nutzung des
Klosterguts zur Ausstattung von Rittern vgl. ebd., S. 36 am Beispiel von Eichstätt, vom dortigen
zeitgenössischen Bistumschronisten wird dies positiv gewürdigt. Insgesamt kann konstatiert
werden, dass sich die Praktiken der Klosternutzung, die oftmals als klassisches „Fehlverhalten"
Laien zur Last gelegt werden, sich bei Bischöfen häufig beobachten lassen.

1319 Vgl. Felten, Äbte, S. 46 f.

1320 Felten, Äbte, bes. S. 279, s. auch 253.

1321 Ebd., S. 195 zu Karl dem Großen, 277 zu Ludwig dem Frommen.

1322 Head, Hagiography, S. 64-66. Den Kapetingern gelang nach und nach der Zugriff auf ehemalige
karolingische königliche Rechte so auch auf die Königsklöster, wie schon Jean-Francois Lema-
rignier 1965 in seinem Werk „Gouvernement royal" dargelegt hat.

1323 Wie es Thomas Head tut, in dem er davon spricht, dass das Bischofskloster weiter um Exemtion
„kämpfen" musste. Head, Hagiography, S. 64.

1324 Der Abt Gauzlin etwa wurde zu Beginn des 11. Jahrhunderts von Robert dem Frommen ein-
gesetzt.
 
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