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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0328
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4. Monastische Konstruktion eines bischöflichen Fehlverhaltens

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von Micy in seinen Miracula Sancti Maximini hier in der Geschichte um Ludel-
mus verbreitete und beliebte Motive wie die Haltung von Pferden im Kloster auf.
Das Pferde-Motiv dient auch hier der Illustration von Fehlverhalten und ist als
„bildhafter Ausdruck für die Inanspruchnahme von Klostergut zu verste-
hen"1394. Es besteht eine auffällige Diskrepanz zwischen der abwertenden Dar-
stellung Ludelmus' in den Miracula und der durchweg positiven Schilderung
seines Episkopats in den zeitgleichen Gesta Epsicoporum Tullensis — ein Beleg
dafür, wie sehr sich die Interessen und die Perspektive eines einzelnen Klosters
von denjenigen des kanonikalen Umfelds der Bischofskirche und seines Archi-
vars unterscheiden können1395. Diente das Kloster zum Unterhalt der Diözese
und flossen Mittel aus dem Kloster, die der Kanonikergemeinschaft zu Gute
kamen, so wird die Bewertung des bischöflichen Handelns von der Perspektive
der Betroffenen abhängen.
In den Miracula wird der Bischof Ludelmus folgendermaßen geschildert: Er
sei kein würdiger Amtsträger und der weltlichen Macht sehr zugetan gewe-
sen1396. Der Gemeinschaft seiner Klöster, seien sie mit Mönchen oder mit Kano-
nikern besetzt, sei er kein frommer Vorsteher und Schutzherr gewesen, sondern
er habe als ein strenger, ungerechter Leiter agiert1397. Er habe die den Klöstern
geschenkten Güter als sein Eigentum betrachtet und habe sie verbraucht, wie es
ihm gefiel. Die Kritik an diesem Verhalten konkretisiert der Autor mit Hilfe einer
Vision1398: Ein alter Priester, der am Grab des heiligen Aper betete, sah in der
Vision wie der besagte Bischof zwei Pferde in die Kirche und auf das Grab des
Heiligen führte, dort anhand und ihnen zu fressen gab1399. Der alte Priester ta-
delte den Bischof entsetzt deswegen, dieser aber beschied ihm nur zu schweigen
und von den Wiesen der Mönche1400 Futter für die Pferde herbeizuschaffen. Der
Bischof formuliert seinen Anspruch auf das Kloster deutlich: Meus hic locus est,
mei equi sunt, et ad meum arbitrium eos pascam et nutriam1401. In der Vision steigt
daraufhin der heilige Aper im Bischofsornat aus seinem Grab herauf und belehrt
den Bischof zunächst freundlich über seinen Irrtum. Das Kloster sei ihm, dem

1394 Felten, Äbte, S. 32.

1395 Nigthingale, Monasteries and Patrons, S. 126. Auf die verschiedenen Perspektiven hat bereits
Haarländer, Vitae Episcoporum, aufmerksam gemacht.

1396 Vgl. Nightingale, Monasteries and Patrons, S. 125 zum Episkopat Ludelms und seines Nach-
folgers Drogo (906-922). In ihren Amtszeiten kam es zum Verlust von Klosterbesitzungen auf-
grund des Ausbaus der bischöflichen weltlichen territorialen Herrschaft (episcopal overlord-
ship). Zur Vision in den Miracula ebd. S. 126-131.

1397 congregationibus monasteriorum, monachorum scilicet ac canonicorum, non utpius consul patronusque
aderat, sed ut rigidus gubernator. Miracula S. Apri, c. 18.

1398 Vgl. zu der Vision ebd c. 19-20.

1399 Nightingale, Monasteries und Patrons, S. 127 interpretiert dies als Kritik am Militärdienst, für
den stets Pferde von den Klostergütern zu versorgen waren. Aber ein ähnliches Motiv — nämlich
die Verletzung des sakralen Raumes wie Grab und Quelle findet sich auch bei der Geschichte mit
den Hunden des Laien und der Quelle des Hl. Basolus. S. unten.

1400 Die Weiden der Mönche als Metapher für das abstrakte Klostergut ist weit verbreitet s. Felten,
Äbte, S. 32.

1401 Miracula S. Apri c. 19.
 
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