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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Lücke, Hans: Blüchers Rheinübergang bei Caub: Panorama von H. Ungewitter und G. Wendling
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Hansjakob, Heinrich: Ein Glücklicher
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0046

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Gäule, als wäre das gestern so zu erleben ge-
wesen, — vom Marschall, den Generalen
Gneisenau, Hühnerbein, dem Kosakenhetmann
Platow abwärts bis zum bescheidensten bürger-
lichen Beschauer und kleinsten Trofsknecht
leben sie sich malerisch aus in der graublauen
Dämmerstimmung des noch sonnenlosen Morgens
— nur ganz wenig flimmert es am nebligen
Osthimmel über den dunstigen Bergen.
Wenn erst einmal der Riesenleinwandschirm
so unter der Decke aufgehangen ist, dafs er das

Oberlicht wirkungsvoll verteilt, wenn Meister-
hand den verschneiten Vordergrund geformt, die
kahlen Bäume und Büsche des Bergabhanges
gepflanzt hat, dann wird für eine grofse künst-
lerische Arbeit auch der künstlerische Erfolg
da sein, und das Werk wird ein weiteres Zeugnis
ablegen für das Können, die Tüchtigkeit, die über-
raschende Schaffenslust und frische Modernität
der jüngeren Düsseldorfer Malergeneration.
Hans Lücke.

Ein Glücklicher.
Skizze von Heinrich

Ich habe einen Freund, einen Engländer, der
mit allem gesegnet ist, was es an irdischen,
leiblichen und geistigen Vorzügen geben kann.
Er ist jung, schön, gesund, reich und in hohem
Grade gebildet. Er spricht fünf lebende Sprachen,
liest die alten Klassiker im Urtext, hat alle Welt-
teile bereist, besitzt die kostbarsten Kunstwerke
und nennt eine reizende Frau und liebliche Kinder
sein eigen. Es fehlt ihm nur eins, die Zufrieden-
heit und die Ruhe der Seele.
Schwermütig, melancholisch und weltschmerz-
lich verbringt er seine Tage und meint, es gäbe
nichts jammervolleres auf Erden, denn ein Mensch
zu sein. Er beneidet alle, die den Glauben haben
an ein besseres Dasein in einer andern Welt.
Er hat diesen Glauben einmal gehabt in seiner
frühen Jugendzeit, aber längst und, wie er meint,
für immer verloren.
Er beneidet, wie gesagt, alle jene, die diesen
Glauben besitzen und begleitet seine fromme
Frau, um ihr eine Freude zu machen, allsonn-
täglich zur Kirche und zur heiligen Messe.
Während sie aber in christlicher Art in ihrem
Gebetbuch andächtig ist, liest er, neben ihr
stehend, Seneka oder Homer.
Ich habe ihn schon oft einen Teufel genannt
und seinen Unglauben zu bekämpfen gesucht.
Er ist aber geistig so gewandt, dafs man ihm mit
Vernunftgründen nicht leicht beikommen kann.
Und dann ist ja schliefslich das Glauben oder
Nicht-Glauben keine Sache des Verstandes,
sondern des Herzens, d. i. des guten Willens
und der Gnade.
Was aber meines Freundes Weltschmerz-
lichkeit und seine Melancholie betrifft, so kann
ich ihn um so weniger heilen, als ich selber

Hansjakob.
mit dieser Krankheit behaftet bin und mich nicht
davon zu befreien vermag.
Ich kann dem reichen Mann nur oft sagen,
dafs ich in seiner Lage wohl weniger gedrückter
Stimmung wäre als er, der die Einkünfte eines
Millionärs sein eigen nenne und darum ein
durchaus freier und unabhängiger Mann sei.
Je unglücklicher und ruheloser er sich aber
in stillen, einsamen Stunden fühlt, um so mehr
sucht er Menschen zu finden, die glücklich oder
wenigstens zufrieden sind. In den Regionen der
Gesellschaft aber, in denen er verkehrt, findet
er die Gesuchten nicht.
Ich schlug ihm deshalb eines Abends im
Februar 1901 — er kam zu dieser Zeit fast jeden
Abend zu mir — vor, ihn an einen Ort zu
führen, wo er sicher zufriedene Menschen fände,
vielleicht sogar einen — Glücklichen. Freudig
ging er darauf ein, und ich bestellte ihn für den
anderen Morgen um 9 Uhr an den Bahnhof.
Dieser Morgen war der des 16. Februar und ein
Wintermorgen, wie er im Buche steht: Der
Himmel klar und kalt, die Erde mit Schnee
bedeckt, der unter Schritt und Tritt ächzte, als
verbäte er es sich, dafs man in Tagen seiner
Herrschaft auf ihm herumtrete und das Weifs
seiner Unschuld beschmutze.
Mein Freund kam mit schottischen Decken
und russischen Pelzen angefahren; denn um in
das Land der Zufriedenen zu kommen, mufsten
wir uns für eine Schlittenfahrt vorbereiten. Zu-
friedene Leute wohnen nicht an Eisenbahn-
stationen ; man mufs sie in gröfserer Einsamkeit
und Entfernung vom Weltverkehr aufsuchen.
In Offenburg angekommen, wo die Kinzigthal-
Bahn uns aufnehmen sollte, empfing uns der

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