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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Schäfer, Wilhelm: Der deutsche Künstlerbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0019

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DER DEUTSCHE KÜNSTLERBUND f.

durch den senkrecht gezogenen Goldstreifen auf-
geholfen wird, sonst hätten wir eine trostlose
leere Leinwand vor uns.

* *

*

So ist auch der Eindruck des großen Saales
kein reiner; und wenn man an den blauen
Kübeln vorbei wieder auf den Kurfürstendamm
und über die saubere Straße bis an die Unter-
grund- und Hochbahn geht, daran die Ingenieure
jeden Zentimeter in Präzision und Haltbarkeit
gearbeitet haben,
so überkommt
einen der tiefste
Verdruß an der
Hudelei und Ver-
logenheit der
neuen deutschen
Kunst; bis man
sich langsam wie-
der an die gedie-
gene Arbeit des
Haider, an das
Wunderblau des
Thoma, an die
starre Kraft des
Hodler, an die
Selbstzucht des
Liebermann und an
die geschmiedete
Festigkeit des Gaul
erinnert. Dann frei-
lich fragt man sich:
warum konnte
der Deutsche
Künstlerbundnicht
eine Ausstellung
zeigen, in der diese
deutschen Dinge
den Grundklang
gaben? Denn was
muß ein Franzose,
ein Holländer, ein
Pole, ein Engländer
oder Belgier in
dieser Ausstellung
vom Deutschtum
anders denken, als
daß es ein Ge-
mengsel europäischer, vornehmlich französischer
Abfälle sei.

Die Antwort stellt sich am andern Tag von
selber ein, wenn man, die Säle der vielver-
schrienen Großen Berliner Kunstausstellung
durchwandernd, nicht nur bei den deutschen
Landschaftern des neunzehnten Jahrhunderts, hin
und wieder von einem schönen Bild herzlich
gegrüßt wird und schließlich vor den Radie-
rungen des Böhle betroffen stehen bleibt: Ja,
wiegen denn nicht diese Blätter alles zehnfach
auf, was dort im Künstlerbund an Graphik hängt?

Und danach vor wundervollen Bildern des
Thoma, Lugo, Steinhausen in der Landschafter-
Ausstellung stehend, ist es, wie wenn man herz-
lich lachen müßte: am Kurfürstendamm ist
weder die deutsche Kunst, noch der Deutsche
Künstlerbund! Das ist einfach die Berliner
Sezession mit Gästen, so wie sie immer war.
Zuerst mußten Böcklin und Leibl, auch Segan-
tini, danach die Franzosen, einmal auch die
Scholle das Bild lebendig machen: nun ists der
Deutsche Künstlerbund! — Bis man vor der

genialen Ostsee-
landschaft eines
völlig Unbekann-
ten, vor den Bil-
dern des Weima-
raners Buchholz,
der sich mit seiner
lieben echten
Kunst verspottet
sah und sich durch
Selbstmord vor
dem Hunger ret-
tete, das Lachen
rasch verlernt.

Was berechtigt
die Berliner Sezes-
sion denn, den
deutschen Idealis-
mus und den Ruhm
unserer deutschen
Meister von ihren
Karren zu span-
nen? Ist sie wirk-
lich — wie so man-
che eifrige Skri-
benten lehren —
zur Führerin der
deutschen Kunst
berufen? Da gibt
das Schicksal
Buchholz eine ra-
sche Antwort. Wie
sindzurZeit dieses
unbekannten
Künstlers die gro-
ßen Ruhme hinter-
einander herge-
jagt! Und wie ist
alles heute verflogen, daß wir die Namen nur

noch kennen. Und wenn seine Kunst uns

heute fragen läßt: wie konnte sie nur über-
sehen werden? so wird sie damit auch aus
ihrer Einsamkeit gehoben; denn mit ihm, vor
und nach ihm steht eine lange Reihe von
Künstlern, die stets neben der Mode stehend
still aus der deutschen Natur ihre Schätze holten,
bis das Genie Böcklin den ganzen Kartenhaufen
der Kaulbach, Piloty, Makart durcheinander
warf und von Thoma und Steinhausen zurück
jene deutsche Linie der Malerei sichtbar wurde,

Ausstellung Deutscher Künstlerbund 1905. Max Slevogt, Berlin. Porträt.

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