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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Schäfer, Wilhelm: Der deutsche Künstlerbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0024

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DER deutsche künstlerbund f.

daß deren Bilder nicht nur Haltung, sondern
Ton haben, einen höchst aparten Ton, neben
dem dieses Bild aussieht wie die mehlige
Kopie eines Schülers.

Das Allerdrolligste aber ist, wenn zwischen
solche Hübner-Bilder eine Arbeit wie etwa das
schöne Bernaubild des Albert Haueisen aus
der Großen Kunstausstellung gerät; mit einer
tödlichen Übereinstimmung heißt es gleich: ein
Thoma-Nachahmer. Es mag noch so viel Eigen-
heit und Kraft zeigen, wenns nicht aus fremdem
Mehl gebacken, sondern in jener Treue aus der
Natur geholt ist, für welche der Landschafter
Thoma etwa das deutsche Gegenspiel zu Monet
bedeutet, dann ist es Nachahmung. Sowie
aber das Vorbild ein Franzose war, so ist das
blödeste Machwerk gleich moderne Malerei.
Im Grunde sind diese jungen Maler in Berlin
noch immer auf dem Standpunkt des Bauern-
jungen, der Maul und Augen aufsperrt, wenn
ein städtisch gekleideter Bengel daherkommt, und
der, wenn er aufgeweckt ist, bald kein höheres
Ideal kennt, als diesem Bengel nachzuahmen.

Nun ist es nicht zu leugnen, daß auch
anderswo, z. B. in München, dieser sogenannte
Impressionismus um jeden Preis seine getreuen
Schüler hat; ja es wäre schade, wenn es nicht
so wäre; denn eine geeignetere Erziehung als
diese vor der Natur gibt es nicht. Und wenn
einer Begabung hat, wird er so am ersten zu
etwas kommen. Jedenfalls ist diese Art zu-
nächst so neutral, daß sie nicht unangenehm
berührt und nie so ganz trostlos wirkt, wie
wenn einer mit dem ausgesprochen persönlichen
Rezept des Zuloaga Zigeunertänze malt oder
nach Karl Haider Bäume stilisiert. Aber warum
wir in jeder Ausstellung mit diesen Schüler-
arbeiten belästigt werden sollen, ist schwer
einzusehen. Und daß wir in der zweiten
Künstlerbund-Ausstellung aufs eindringlichste
dadurch um allen Genuß der guten Werke ge-
bracht werden, ist ein Zeichen, wie weit die
Überschätzung des modernen Rezeptes gegen
das persönliche Wollen schon gestiegen ist.
Das vor allem aber hätte im Künstlerbund ver-
mieden werden müssen; und daß es diesmal
nicht geschah, liegt wie gesagt daran, daß die
Berliner Sezession die Ausstellung für sich aus-
zunutzen verstand. Wie dies aber möglich
war, scheint bei den Namen der Juroren ein
Rätsel, auch wenn man überlegt, daß von den
siebzehn Juroren sieben Berliner waren, während
von allen übrigen Kunststädten nur München
zwei, die andern nur einen Juror stellten. Zwar
weiß man von dem Lande, daß ein Bauern-
bursch allein immer ein höflicher freundlicher
Mensch ist, daß ihrer aber nur sieben zusammen
zu stehen brauchen in einer Gruppe, um höchst
frech und unverschämt zu werden, so daß der
einzelne Fremde gern ihnen aus dem Wege geht.

Was hilft es nun, daß im nächsten Jahr die
Ausstellung an einem andern Ort gehalten und

dabei Rache an Berlin genommen wird; denn
daß dies geschieht, darüber wird sich keiner
täuschen, der die Stimmung der Künstler kennt:
Der Künstlerbund erweist sich in der Anlage
als verunglückt; er wollte und sollte ein Verband
der selbständigen Künstlerpersönlichkeiten in
Deutschland sein und ist ein Schlachtfeld der
Sezessionen geworden, von dem sich einer der
Selbstwollenden nach dem andern zurückzieht.
Das wurde in Berlin am deutlichsten, weil hier
die Künstlerpersönlichkeiten rarer sind als kunst-
politische Absichten. So lohnt es sich doch,
einmal rückschauend zu fragen, wie war es nur
möglich, daß Berlin dieser deutschen Sache so
den Hals umdrehen konnte?

Jedermann kennt den Theaterdichter Josef
Lauff, aber nur wenige wissen, daß dieser viel-
geschmähte Mann zwar kein großer aber ein
sehr tüchtiger Schriftsteller ist, dessen Roman
„Kärrekick“ lesenswerter ist als z. B. alle Sachen
der berühmten Viebig. Man sollte glauben,
seitdem ihm kaiserliche Gnade den Weg ge-
ebnet hätte, sei er beneidenswert in Ruf ge-
kommen. Weit gefehlt; man frage seinen Ver-
leger Ahn in Köln: früher in seinem Kreis
nicht ungeschätzt, so daß jedes neue Buch von
ihm in einer Auflage von einigen Tausend so-
fort vergriffen wurde, wird er jetzt vom Publi-
kum verweigert. Den Grund hierfür suchen,
heißt eine Charaktereigenschaft des Deutschen
erkennen, die wir schon am alten Germanen
in der Schule lernen mußten, den unbedingten
Drang der persönlichen Freiheit. Der Deutsche
will einen Fürsten haben, der ihn regiert und
ins Feld führt, in dem er das Ideal seines
eigenen Wesens verehrt: aber er will sein per-
sönliches Gebiet haben, wo er jeden höheren
Einfluß als Vergewaltigung ablehnt, und dazu
gehört die Kunst. So war von Anfang bei dem
Kunstkampf in Berlin durchaus nicht Max
Liebermann, sondern Anton von Werner der
Schwächere und Angegriffene. Hinter Lieber-
mann und seiner Gruppe standen nicht nur die
Sympathie, sondern auch die oflenen Taschen
von Berlin W. Und wer sich noch des leb-
haften Ringens um die Gunst des Kaisers er-
innert, dem wird die Märtyrerkrone, die den
Herren der Berliner Sezession so lieblich stand,
ziemlich lustig finden und noch lustiger den
Mannesstolz vor Königsthronen in dem nicht
unbemerkten Artikel der „Zukunft“ vom 27. Mai:
„Wenn deutsche Künstler sich zum Wettkampf
scharen, braucht kein Potentat, kein Würden-
träger ihr Beginnen mit einem Weihesprüchlein
zu segnen.“ Und der Potentat Publikum?
Von dem ist vorsichtigerweise selten die Rede.
Und doch ist ders allein, auf dessen Gunst ge-
stützt sich so heroisch agieren läßt. Hat man
eigentlich vergessen, wie sehr man sich empörte,
als kaiserliches Veto dem Talisman des Fulda
den zugesprochenen Schillerpreis versagte? Wie
würden wir uns heute schämen, wenn diese

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