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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Muthesius, Hermann: Die Entwicklung des künstlerischen Gedankens im Hausbau: Vortrag, gehalten auf dem Kongreß der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen in Hagen 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0035

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DIE ENTWICKLUNG DES KÜNSTLERISCHEN GEDANKENS IM HAUSBAU.

auch auf diesem Gebiete sind die Anregungen,
denen wir in Deutschland heute folgen, von
England gegeben worden.

^JAuch in England geschah das, was allgemein
geschah, als in Großstädten und bei der In-
dustrie die Frage auftauchte, Arbeiterwohnungen
zu erbauen : man errichtete Notbauten, die eben
die dringendsten Bedürfnisse erfüllten, ohne auf
Schönheit Anspruch machen zu wollen. Selbst
die blanken Bedürfnisse wurden eben aufs
knappste befriedigt. Im Laufe der Entwicklung
schritt man nun zwar dazu, geräumiger und
gesünder zu bauen, und man ging auch sehr früh
schon zu Einzelhäusern über, allein es lag den
Verwaltungen und Gesellschaften zunächst völlig
fern, den künstlerischen Gesichtspunkt berück-
sichtigen zu wollen. Es lag hier die damals
allgemein verbreitete Ansicht vor, daß Schönheit
Geld koste und daß man das, was künstlerische
Architekten entwürfen, mit einem Plus an Bau-
kosten aufwiegen müsse. Da nun stets die
Kostenfrage die ausschlaggebende war, so ver-
mied man es geradezu, sich an Architekten mit
künstlerischen Zielen zu wenden.

Das Vorurteil, daß ein künstlerischer Ent-
wurf notwendigerweise teurer sein müsse als

ein unkünstlerischer, wurde in England an einer
andern Stelle gebrochen und zwar auf dem
Gebiete der bürgerlichen Baukunst. Um die
sechzigerjahre waren durch eine ganzbeschränkte
Anzahl von Männern, an deren Spitze William
Morris und Norman Shaw standen, völlig neue
Wege in der englischen Hausarchitektur betreten
worden. Das Ziel war eine klare, schlichte,
bürgerliche Bauweise mit Vermeidung aller der
Stilmätzchen, in denen damals auch die englische
Architektenschaft befangen war. Die Vorbilder
für diese Bauweise lieferte das einfache Bauern-
haus, an dem man bisher achtlos vorüberge-
gangen war. Es spielte sich mit kurzen Worten
damals dieselbe Bewegung ab, die bei uns vor
etwa 5 Jahren begann. Hier wie dort ging die
Reform der bürgerlichen Baukunst Hand in
Hand mit einem Erkennen des Reizes der ein-
fachen ländlichen Architektur. Aber zwischen
beiden Bewegungen war ein großer Unterschied:
In England war der Kampf unendlich viel lang-
wieriger als bei uns. Denn die Vorurteile, die
zu brechen waren, wurden hier zum erstenmal
auf der Welt gebrochen, die neuen Ideen konnten,
von einer kleinen Gemeinde getragen, nur lang-
sam in das breite Volk eindringen. Es hat

Ausstellung Deutscher Künstlerbund 1905.

Helmut Liesegang, Düsseldorf. Am Morgen.
 
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