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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Baumann, Rudolf G.: Des Klausners Gebet
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0054

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DES KLAUSNERS GEBET.

Kollegen zu hören, den er zufällig in der fernen
Waldschenke traf, wo er sich versteckt hielt.
Namenlose zitternde Angst packte den Armen,
und weil er überall nur Unglück gehabt hatte
und alles Selbstvertrauen hin war, und er nicht
wußte, wie er entrinne, schwor er mit fürchter-
lichem Eid, sich als Klausner der Muttergottes
zu weihen, wenn sie ihn errette. Da er aber
nichts hatte und nichts konnte, und auch das
Handgeld schon verputzt war, und er doch für
die Hilfe der heiligen Magd etwas leisten wollte,
und weil ihm nichts anderes einfiel, gelobte er
feierlich, jeden Tag zu beten, bis er schwitze.
Denn er stellte sich vor, daß erst ein nasser
Rücken beweise, daß der Mann seine Pflicht
getan habe.

In der Schenke traf er einen fahrenden
Schüler, der beim fröhlichen Becher viel von
Latein und Gelehrsamkeit faselte; diesem ver-
sprach er den letzten versteckten Dukaten, wenn
er ihn ein recht kräftiges Gebet für alle Fälle
lehre. Es war eine schwere Arbeit. Drei Tage
lang mußte ihm der Schüler im finstern Walde
den Spruch vorsagen, bis er ihn einigermaßen
konnte, und die Aussprache haperte auch dann
noch. Aber er mußte; denn damals war es
noch nicht Sitte, daß man den lieben Gott und
seine Heiligen auf deutsch lobte.

Darauf war er weit weggezogen, in einen
großen Wald auf dem Berg, und die Jungfrau
hatte ihn erhört.

Anfänglich ging es auch leicht mit dem
Schwitzen. Wie er aber die fromme Übung
gewöhnt wurde, und gar als der rauhe Winter
kam, da wurde es immer schwerer, und er
sehnte mit Bangen Frühling und Sommer herbei,
wo ihm die liebe Sonne in seiner Andacht
helfen konnte.

Ein Bild der Gnadenreichen hatte er sich
selbst gemacht, und es sah nicht schön aus.
Von Rinde war im Profil der Kopf ausgeschnitten.
Die Nase hing recht «länglich über dem ständig
offenen Mund. Die Gesichtsfarbe spielte ins
Braune. Aber er hatte einmal gehört, daß es
sogar brandschwarze Heiligenbilder gebe, und
dann besaß seine Jungfrau auch eine Menge
prächtiger Kleider, wie eine reiche Rittersfrau.
Setzte er doch jeweilen ihr Gewand aus Blüten
und Moos zusammen und kargte nicht mit neuen
Toiletten.

Der Frühling hielt wirklich. Es wurde täg-
lich wärmer, und täglich ging der Vater Eme-
ranzius weniger betrübt zur harten Andacht.

Einmal, als wieder die Sonne durch die hell-
grünen Ranken ins Kapellchen zitterte, und sein
Bild im neuen goldgelben Kleid aus Schlüssel-
blumen prankte, und die Vögel sangen, und es
wärmte, war er eifrig beim Beten. Da fiel ein
Schatten auf den Büßer, und als er sich umsah,
erschrak er heftig. Durch das kleine Fenster
guckte eine grinsende braune Fratze und schien

sich höchlichst zu amüsieren. EinZiegenbärtchen
schmückte das faltige Gesicht, auf dem Kopf
krümmten sich zwei niedliche Hörnchen.

Auf einmalwar derSpuk wieder verschwunden,
aber der gute Emeranzius bebte am ganzen Leibe
und mußte nicht mehr weiter beten, denn der
Angstschweiß lief ihm auf die Sandalen.

Wie er am nächsten Morgen an seinem Altar
rang, war auch der braune Kerl wieder da, und
diesmal ging er gar nicht weg.

Der fromme Klausner brauchte eine Zeitlang,
bis er sich vom größten Schreck erholt hatte,
schielte schüchtern nach dem Fenster und lispelte
im mildesten Baß: „Bist du der Teufel?“

,,Nein,“ meckerte der Braune und zog das
Maul hinter die Ohren, ,,ich bin nur ein armer
Waldgeist, aber was tust denn du da, he?“
„Ich bete, bis ich schwitze,“ sagte der
Fromme schon etwas kräftiger.

„Beten nennst du das, he he, — schönes
Gebet das.“

„Sehr schönes Gebet und kräftig, sprich’s
nach, du Satansbrocken,“ donnerte er, „sonst
glaub ich dir nicht, daß du ein anständiger
Geist bist.“

„Ist ja Latein, kenn ich von früher aus dem
Teutoburger Walde, meck meck.“

„Sprich’s nach, sofort!“

„Gern, gern, möcht’s ja auch lernen und zu
Hause meiner Frau aufsagen.“

Er sprach’s wirklich nach und lief dann auf
schnellen Ziegenfüßen in die Büsche.

Am nächsten Morgen war er wieder da und
lernte den Spruch aufsagen, dabei feixte er oft
recht unheilig, sprach anders aus als sein Lehrer,
gluckste es kichernd vor sich hin und sang es
auch mehr.

Am dritten Morgen konnte er das Gebet aus-
wendig, hüpfte vor Vergnügen wie ein junges
Böcklein umher und meckerte.

„Danke, danke,“ rief er, „jetzt kann ich’s
und will’s zu Hause wiederholen, zu Gegen-
diensten gern bereit!“

Auf einmal blieb er sinnend stehen und
fragte:

„Muß recht schwer sein, so zu schwitzen,
besonders im Winter?“

„Ja, sehr schwer, immer schwerer, aber ich
hab’s einmal gelobt und muß es halten.“

„Könnte dir schon helfen, he he, hast mich
ja auch den schönen Spruch gelehrt, weiß ein
Tränklein zu brauen aus Waldkräutern und so,
da schwitzt sich’s schneller, he he.“

„Soooo? Aber ist’s auch kein Teufelstrank?“
„Dummrian! ganz unschuldig, nur Wald-
kräuter und so, kannst es selber machen, aber
wenn du nicht willst, dann laß es bleiben.“ Er
meckerte noch ein paarmal heftig und ver-
schwand.

Den nächsten Tag war er nicht da und den
übernächsten auch nicht. Aber es war böses,

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