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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Fries, Friedrich: Bemerkungen zu der Ausstellung von Werken deutscher Landschafter des XIX. Jahrhunderts
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Eduard Schleich. Flusstal.

Bemerkungen zu der ausstel-

LUNG VON WERKEN DEUTSCHER
LANDSCHAFTER DES XIX. JAHR-
HUNDERTS. Von Dr. F. Fries.

So dankbar man gewiß der Ausstellungs-
leitung für die Veranstaltung dieser Ausstellung
ist, so kann man doch nicht über sie berichten,
ohne einige Ausstände zu machen.

Man begreift, daß nicht alle Künstler so ver-
treten sein können, wie man es wünscht, aber
man muß doch darüber staunen, wenn man
sieht, daß ein Künstler wie Schirmer, der als
einer der Begründer der deutschen Landschafts-
malerei betrachtet werden muß, mit einem
einzigen Bilde, während Friedrich Preller mit
20 Bildern und 16 Skizzen vertreten ist. Es ist
nicht die Absicht dieser Zeilen, die Kunst
Prellers herunterzusetzen, aber jeder, der sich
ein wenig mit der Entwicklung der Landschafts-
malerei des XIX. Jahrhunderts befaßt hat, weiß,
daß sie da völlig belanglos ist. Man würde das
vielleicht als einen unglücklichen Zufall an-
sehen, wenn nicht der Katalog erklärte, daß
Preller mit voller Absicht in den Mittelpunkt
der Ausstellung gestellt wurde. So bleibt nichts
anderes übrig, als auch mit voller Absicht
dieses Verfahren als zum mindesten unverständ-
lich zu bezeichnen.

Ein anderer Punkt, der zu Reklamationen
Veranlassung gibt, ist das Hängen der Bilder.
Es soll hier nicht das Aufhängen des einen
oder andern Bildes bemängelt werden, sondern
die geringe Übersichtlichkeit des Ganzen. Wer
aufmerksam durch die Ausstellung geht, sieht
sofort, daß sich zwei Gruppen deutlich heraus-
schälen: die Meister der intimen und der durch
die Phantasie vertieften Stimmungen. Hier
hätte man etwas ordnen können, wenn ich auch
die Schwierigkeit des Hängens ganz und gar
nicht verkenne. Wäre man sich darüber klar
gewesen, so hätte man als Fortsetzung der in-
timen Landschaft auch die moderne impressio-
nistische mitaufnehmen müssen. Das wäre viel-
leicht nicht erwünscht gewesen, aber wenn man

einmal eine Ausstellung nach historischen Ge-
sichtspunkten arrangiert, dann kann man doch
nicht das, was einem unbequem ist, einfach
weglassen. Das ist unhistorisch und unwissen-
schaftlich.

* *

*

In Andersens Bilderbuch ohne Bilder findet
sich eine Stelle, an der die Eindrücke eines
Stückes Natur auf die verschiedenen Menschen
geschildert werden. Nachdem der Postillion,
der Verliebte, der Holzhändler an uns vorüber-
gezogen sind, kommt auch der Maler. Ein
Vogel singt in dem Walde ein Lied. „Halt’s
Maul“, sagt der Maler, pfeift eine Operetten-
melodie und notiert genau alle Farben. Zuletzt
kommt ein kleines Mädchen des Weges daher.
Glühend versinkt die Sonne hinter dem Walde.
Überwältigt von dem Anblick sinkt es nieder
und betet.

Es will mir scheinen, als sei es ein großes
Glück gewesen, daß unsere deutschen Maler sich
das Kinderherz bewahrt und die Natur mit
Kinderaugen gesehen haben; daß die Seele der
Natur zu ihnen sprechen konnte; daß sie nicht
nur den Himmel, die Bäume, die Wiesen mit
ihren Bächen wiedergaben, sondern daß sie auch
all das bescheidene Glück in ihre Bilder malen
konnten, das ihnen da draußen wie die kleinen
Blumen an der Hecke geblüht; daß sie nicht nur
hinausgingen, um die Farben zu notieren, sondern
daß da auch in ihrem Herzen etwas von dem
Gefühl feierlicher Andacht auflebte, das den
Menschen in die Kniee zwingt. Denn wenn man
sich die Ausstellung einmal daraufhin ansieht,
so gewinnt man den Eindruck, daß die Maler,
die nur gesehen und nichts empfunden haben,
in Deutschland selten waren.

In Frankreich beginnt bald nach einer Zeit
des feinsten Verständnisses für die frischen und
zarten Reize der einfachen Landschaft der Ver-
fall mit dem technischen Experiment. Diese
Gefahr ist für Deutschland kaum vorhanden,
denn der Deutsche ist zu sehr verwachsen mit
der Natur, die er liebt, weil sie ihm einen Teil

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