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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Frobenius, Hermann: Künstliche Kunst-Metamorphosen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0090

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F. G. Waldmüller. Veteranen im Wiener Prater.

darauf das Gewicht, eine Situation prägnant und
logisch zum Ausdruck zu bringen, so stellte
man das jetzt als literarische Malerei hin.
Man wollte oder will vielmehr nicht mehr das
Leben selbst darstellen, wie es speziell durch
das Auge erlebt werden kann, sondern die
Materie, der man den Geist ausgetrieben hat,
abbilden; diese Tätigkeit, die der photo-
graphische Apparat der Zukunft den Kunst-
malern der Gegenwart einst abnehmen wird,
diese stumpfsinnige Reproduktion gilt heute für
Kunst.

Man befleißigt sich augenblicklich, diese Re-
produktionsfähigkeit nach Möglichkeit auszu-
bilden, und man hat ohne Zweifel ein bedeu-
tendes Können hierin erreicht; ja, man kann
malen, man hat Mittel geschaffen, ob sie im-
pressionistisch oder sonstwie heißen mögen,
die bewunderungswürdig und vorzüglich sind.
Aber man weiß nicht, daß Malerei und Kunst
zwei ganz getrennte Dinge sind, nämlich wie
die Modernen den Begriff „Malerei“ ein-
schränkend begrenzen, und daß Malerei in
diesem Sinne lediglich Handwerk ist.

Was aber die Freiheit vom Einfluß der
alten Meister anbelangt, so muß ich gestehen,

sie erscheint mir als jene Art von Unfreiheit,
welche in angstvoller Opposition beruht. Es
gibt keine absolute Originalität auf Erden, denn
alles und auch die Kunst ist Entwicklung.
Irdische Selbständigkeit ist stets nur die des
Gliedes einer Kette.

Nachdem man also zum Standpunkt des
absoluten Handwerkertums herabgesunken war,
mußte man auch Thoma und Böcklin gegen-
über das Urteil ändern. Natürlich, diese
armen literarischen Leute waren ja längst über-
holt. Kurz entschlossen erklärte man sie also
plötzlich wieder für Nachahmer der alten
Meister und war so vornehm und so findig,
allejene alten Anfechtungen wieder auszugraben,
die das Leben jener Männer größtenteils ver-
kümmert hatten. Und das war jener Moment,
wo sehr zur rechten Zeit der erwähnte Julius
Meier-Gräfe auftrat, auffallend über Böcklin
schrieb und aburteilte und den Satz, der der
herrschenden Strömung entsprach, aufstellte:
die Kunst des Jahrhunderts sei der Impressio-
nismus, seine vollendeten Vertreter die Fran-
zosen, und deren Kunst allein sei das Maß
der Dinge, das Vorbild schlechtweg. Das
frühere Vorbild, die Schotten, von denen man

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